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Mit Urteil vom 15. Februar 2024 (Az.: 3 Ca 625/23) hat das Arbeitsgericht Nordhausen entschieden, dass eine bewusste, anlasslose Videoüberwachung am Arbeitsplatz eine erhebliche Verletzung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung und der Würde der Mitarbeitenden darstellt und eine fristlose Kündigung rechtfertigen kann.

Sachverhalt

Die Klägerin, ein Friseurbetrieb, klagte im August 2023 im Rahmen einer Feststellungsklage gegen die fristlose Kündigung einer Arbeitnehmerin.

Im Mai 2023 hatte die Klägerin eine Videokamera, die Bild sowie Ton aufzeichnete und direkt auf das Mobiltelefon der Arbeitgeberin überspielte, im Kassenbereich des Friseursalons installiert. Zuvor hatte die Klägerin eine E-Mail an alle ihre Mitarbeitenden, einschließlich der Beklagten versendet und in dieser als Grund für die Installation „vermehrt auftretende Diebstahlshandlungen im Einzelhandel und in Dienstleistungsgeschäften sowie Schutzgelderpressung“ genannt und um die Zustimmung zur Installation gebeten. Entgegen der vorherigen Behauptungen erfolgte die Installation jedoch um Unstimmigkeiten bei der Honorarabrechnung durch Mitarbeitende überprüfen zu können.

Die Beklagte fühlte sich durch die Kamera ständig überwacht, was bei ihr zu einer mentalen Belastung sowie zu gesundheitlichen Beschwerden führte. Dies führte dazu, dass sie mehrmals arbeitsunfähig der Arbeit fernblieb. Zusätzlich beeinträchtigten das Arbeitsumfeld und das negative Betriebsklima bei der Klägerin die Gesundheit der Beklagten, weswegen sie das Arbeitsverhältnis am 15.08.2023 außerordentlich fristlos kündigte.

Die Klägerin beantragte, festzustellen, dass die außerordentliche Kündigung der Beklagten unwirksam sei und das Arbeitsverhältnis weiterhin fortbestehe.

Die Entscheidung des Gerichts

Das Arbeitsgericht Nordhausen entschied, dass die Klage als unbegründet abzuweisen ist.

Eine bewusste, anlasslose Kameraüberwachung der Mitarbeitenden durch den Arbeitgeber sei an sich geeignet, eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen. Das Gericht führte weiter aus, dass die Arbeitgeberin die Vorbeugung von Unterschlagung als Grund für die Videoüberwachung, nur vorgeschoben habe. Die Videokamera sei vielmehr allein zur Überwachung der Mitarbeitenden installiert worden. Somit scheide eine Videoüberwachung zur Wahrnehmung des Hausrechts gem. § 4 Abs. 1 Nr. 2 BDSG aus. Auch an einer nach § 26 Abs. 2 BDSG erforderlichen Einwilligung der Mitarbeitenden fehle es. Zudem habe die Klägerin nicht dargelegt, welche konkreten tatsächlichen Anhaltspunkte einen Verdacht auf die behauptete Straftat stützen könnten. Damit liege eine bewusste anlasslose Kameraüberwachung der Mitarbeitenden durch die Klägerin vor, die nach § 26 Abs. 1 BDSG verboten sei. Dies stelle einen „wichtigen Grund“ im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB dar.

Die Klägerin habe damit das Recht ihrer Mitarbeitenden, einschließlich der Beklagten, auf informationelle Selbstbestimmung verletzt. Eine Abmahnung vor Ausspruch der außerordentlichen Kündigung seitens der Beklagten sei entbehrlich, da die Klägerin die Videoüberwachung bewusst anlasslos durchgeführt und sich auch nicht durch die Versagung der Zustimmung ihrer Mitarbeitenden davon habe abbringen lassen.

Die Interessenabwägung unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes durch das Gericht fiel zugunsten des Interesses der Beklagten an einer sofortigen Auflösung des Arbeitsverhältnisses aus.

Die Beklagte habe auch die Frist gem. § 626 Abs, 2 BGB eingehalten, da die Videoüberwachung als Dauertatbestand anzusehen sei und bis zum Tag der Kündigung angedauert habe.

Fazit

Arbeitgeber sind verpflichtet, die Privatsphäre und die informationelle Selbstbestimmung ihrer Beschäftigten zu wahren. Eine Missachtung dieser Grundsätze kann nicht nur datenschutzrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen, sondern auch dazu führen, dass Arbeitnehmer berechtigt sind, das Arbeitsverhältnis fristlos zu beenden. Das Urteil bestärkt mithin Arbeitnehmer darin, sich gegen unzulässige Kontrollmaßnahmen zur Wehr zu setzen.