Das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg hat mit Urteil vom 6. Februar 2025 (Az. 15 U 43/24) sämtliche wettbewerbsrechtlichen Ansprüche der Herstellerin der bekannten „Geo-Cube“-Halsketten gegen drei über otto.de vertriebene Würfelketten abgewiesen. Es sah in den preisgünstigen Konkurrenzprodukten weder eine vermeidbare Herkunftstäuschung noch eine unlautere Rufausnutzung und stellte zugleich klar, dass der Schutzbereich des § 4 Nr. 3 UWG bei lediglich durchschnittlicher wettbewerblicher Eigenart eng gezogen bleibt.
Sachverhalt
Die Klägerin vertreibt seit 2005 hochwertige Halsketten, bei denen sich farbige Kristallwürfel, Metallplättchen, Strassrondelle und Edelstahlzylinder in wiederkehrender Reihenfolge abwechseln. Für diese Kernmodelle ihrer „Geo-Cube“-Serie verlangt sie im Fachhandel rund 150 bis 180 Euro. Die Beklagte bot im März 2022 drei optisch ähnliche Würfelketten zum Preis von lediglich 33 bis 35 Euro auf otto.de an. Nachdem das Landgericht Hamburg die Beklagte zur Unterlassung, Auskunft und Schadensersatz verurteilt hatte, hob das OLG diese Entscheidung in der Berufung vollständig auf und wies die Klage ab.
Rechtliche Anforderungen
Maßgeblich ist die ständige BGH-Rechtsprechung zur unlauteren Nachahmung (§ 4 Nr. 3 a), b) UWG). Voraussetzung ist zunächst, dass das Originalprodukt wettbewerbliche Eigenart besitzt und nachgeahmt wird. Hinzukommen muss entweder eine vermeidbare Herkunftstäuschung oder eine unangemessene Ausnutzung bzw. Beeinträchtigung seiner Wertschätzung. Nur das Zusammenwirken dieser Elemente kann Unlauterkeit begründen.
Die „Geo-Cube“-Kette verkörpert nach Auffassung des Gerichts lediglich eine gestalterische Grundidee – nämlich Würfel- und Quadratelemente in wiederholender Abfolge auf eine Kette zu ziehen –, die als solche freihaltungsbedürftig ist. Schutzfähig ist allein deren konkrete Umsetzung. Trotz langjähriger Marktpräsenz, hoher Stückzahlen und Werbung erreichte das Klagemuster daher höchstens durchschnittliche wettbewerbliche Eigenart. Ein deutlicher Abstand zum Marktumfeld ließ sich nicht belegen.
Die angegriffenen Ketten übernahmen zwar die Grundabfolge und wesentliche Materialien des Originals, fügten aber zusätzlich Metallquader ein und brachen so die strenge Symmetrie. Für den angesprochenen Durchschnittsverbraucher ergab sich damit erkennbar kein nahezu identischer, sondern nur ein angelehnter Gesamteindruck. Eine bloße Anlehnung – eine nachschaffende Nachahmung – reicht jedoch bei nur mittlerer Eigenart regelmäßig nicht aus, um Unlauterkeit anzunehmen.
Eine unmittelbare Täuschung gemäß § 4 Nr. 3 a UWG scheiterte an deutlichen Qualitäts- und Preisunterschieden, dem fehlenden Hersteller-Signet sowie dem abweichenden Vertriebsweg (reines Online-Angebot vs. Juwelierhandel). Auch mittelbar werde der Verkehr, der Nachahmungen im Modeschmucksegment gewohnt sei, keine geschäftliche Verbindung zur Klägerin annehmen.
Mangels Herkunftstäuschung fehlte es schon an dem erforderlichen Imagetransfer gemäß § 4 Nr. 3 b UWG. Bei nur durchschnittlicher Eigenart und einer bloßen Annäherung des Nachahmungsprodukts seien besonders gravierende Umstände erforderlich, um eine unlautere Ausnutzung der Wertschätzung bejahen zu können – solche Umstände konnte das Gericht jedoch nicht feststellen.
Praxishinweis
Das Urteil bestätigt die engen Grenzen des wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutzes. Ohne überdurchschnittlich ausgeprägte Eigenart oder nahezu identische Übernahme bleibt Nachahmung bis zur Grenze der Täuschung zulässig. In Design- und Modeschmuckfragen genießt nicht die abstrakte Idee, sondern nur deren konkrete, eigenartige Ausgestaltung Schutz. Wer sich auf gesteigerte wettbewerbliche Eigenart beruft, muss Absatz-, Marktanteils- und Werbezahlen sowie konsequente Abwehrmaßnahmen substantiiert darlegen. Hersteller kreativer Schmuck- und Mode-Designs sollten daneben deshalb frühzeitig design- oder markenrechtliche Sicherungsstrategien prüfen.
Für Anbieter angelehnter Produkte gilt umgekehrt, dass eine klare Qualitäts- und Preispositionierung sowie eine eindeutige Kennzeichnung helfen, Herkunftsirrtümer und Rufausnutzungs-Vorwürfe zu vermeiden