Das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg hat mit Urteil vom 26. Februar 2025 (Az. 5 U 11/24) die vorinstanzliche Abweisung der Klage des Bundesverbands der Verbraucherzentrale gegen einen Hamburger Energieversorger bestätigt.
Sachverhalt
Der beklagte Versorger bewarb auf seiner Website Gaslieferverträge als „Klimaneutrales Gas“. Er erläuterte, sämtliche entstehenden CO₂-Emissionen zu 100 Prozent auf zwei Wegen auszugleichen: zum einen durch den Erwerb und die Stilllegung von CO₂-Minderungszertifikaten, zum anderen durch finanzielle Unterstützung der Projekte „InfraVest Taiwan Wind Farms“ und „Cururos Wind Farm Project“. Die Verbraucherzentrale hielt diese Angaben für unzureichend, weil sie nicht erkennen ließen, in welchem Umfang der jeweilige Mechanismus zur Kompensation beiträgt, und verfolgte daraufhin einen Unterlassungs- sowie einen Kostenersatzanspruch. Bereits das Landgericht Hamburg hatte die Klage abgewiesen; dagegen richtete sich die Berufung des Verbands.
Rechtliche Maßstäbe
Das OLG knüpfte an die lauterkeitsrechtlichen Normen der §§ 3, 5, 5a UWG an. Zur Auslegung des Klimaneutral-Begriffs verweist es auf das BGH-Urteil „Klimaneutral“ (BGH, Urt. v. 27.06.2024 – I ZR 98/23, GRUR 2024, 1122), wonach der Durchschnittsverbraucher weiß, dass Klimaneutralität regelmäßig durch Vermeidung und/oder Kompensation erreicht wird, sowie auf das Urteil des OLG Frankfurt vom 10.11.2022 (6 U 104/22, GRUR 2023, 177), das keine Pflicht zur vollständigen Offenlegung sämtlicher Bilanzierungsdetails annimmt.
Entscheidungsgründe
Nach Auffassung des Senats fehlte es nicht an einer wesentlichen Information im Sinne von § 5a UWG, weil die Beklagte den Gesamtausgleich der Emissionen ausdrücklich mit 100 Prozent angegeben hatte. Eine darüber hinausgehende Aufschlüsselung des Verhältnisses zwischen unmittelbarer Projektförderung und Zertifikatehandel sei, so das Gericht unter Hinweis auf OLG Frankfurt, grundsätzlich nicht erforderlich. Mangels Rechtsverstoßes lehnte das Gericht folgerichtig auch den Anspruch auf Erstattung der Abmahnkosten ab.
Das Urteil des OLG Hamburg fügt sich in eine Linie höchstrichterlicher Rechtsprechung ein, die zwar Transparenz für Umwelt- und Nachhaltigkeitsclaims fordert, an der erforderlichen Detailtiefe jedoch Grenzen setzt. Der BGH sieht es als nicht erfahrungswidrig an, dass Verbraucher den Mechanismus „Vermeidung + Kompensation“ kennen; das OLG Frankfurt konkretisiert, dass eine pauschale Angabe des Ausgleichsumfangs (z. B. „100 % kompensiert“) genügt, solange keine Irreführung vorliegt. In diesem aktuellen Rahmen kann Klimaneutral-Werbung (noch) zulässig bleiben.
Praxishinweis
Unternehmen dürfen weiterhin mit Klimaneutralität werben, jedenfalls wenn sie klar angeben, dass sämtliche Emissionen vollständig und ausschließlich aufgrund von Kompensationsmaßnahmen ausgeglichen werden, und die verwendeten Instrumente – etwa Zertifikate und konkrete Klimaschutzprojekte – zumindest stichwortartig benennen. Eine detaillierte Offenlegung des prozentualen Anteils einzelner Kompensationsinstrumente ist nach der jetzigen Rechtsprechung nicht erforderlich, sofern die Kernaussage „100 % CO₂-Kompensation“ zutrifft und keine Irreführung erfolgt. Verbraucher erhalten so eine verständliche Kernaussage, haben aber die Möglichkeit, weiterführende Informationen – etwa über Projektregister oder Zertifikatedatenbanken – über QR Codes oder Links nachzuvollziehen.
Hierbei ist jedoch zu beachten, dass im Rahmen des EU Green Deals aufgrund der EmpCo Richtlinie ab dem 27.09.2026 Werbung mit Klimaneutralität, die nur durch eine nachträgliche Kompensation von Treibhausgasemissionen erreicht wird, verboten wird.
Gerne beraten wir Sie zu der aktuellen und kommenden Rechtslage, um Angaben ins Grüne hinein zu vermeiden.