In seinem Urteil vom 19.12.2024 (Az.: 26 O 12612/23) gibt das Landgericht (LG) München I Arne Schönbohm weitgehend Recht. Dieser hatte mehrere, in einer Ausgabe der Satiresendung ZDF Magazin Royal im Jahr 2022 erschienene Äußerungen beanstandet. Im Ergebnis, so das Gericht, handele es sich bei vier von fünf streitgegenständlichen Aussagen um mehrdeutige unwahre Tatsachenbehauptungen, deren Verbreitung das Gericht dem ZDF untersagte. Die beantragte Geldentschädigung aber wurde dem Kläger nicht zugesprochen.
A. Ursprüngliche ZDF Magazin Royal Sendung
Seinen Anfang nahm der Rechtsstreit im Fernsehen. In einer Ausgabe des Satiremagazins ZDF Magazin Royal aus dem Jahr 2022 hatte Böhmermann Schönbohm zum Thema einer Sendung gemacht. Der Moderator hatte die Frage aufgeworfen, ob dem Ex-Chef des Bundesministeriums für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) eine Nähe zu russischen Akteuren nachgesagt werden könne und er deshalb ein Sicherheitsrisiko darstelle.
Böhmermann entschlüsselte in der Sendung schrittweise die Grundlagen des gegen Schönbohm gerichteten Vorwurfs. Vor seiner Tätigkeit als BSI-Präsident war Schönbohm Leiter und Gründer des Cybersicherheitsrates e.V. gewesen, einem Lobbyverein, der lediglich durch den Zusatz „e.V.“ von dem gleichnamigen Rat unter dem Dach des BSI selbst abzugrenzen ist. Mitglied des Vereins ist das Unternehmen Protelion GmbH, das unter anderem Sicherheitssoftware für Handys von Regierungsmitgliedern entwickelt. Dabei handelt es sich nach Böhmermanns Recherche um ein Tochterunternehmen der russischen Firma Infotecs, deren Gründer ehemaliges KGB-Mitglied ist und die mit dem russischen Geheimdienst zusammenarbeitet.
Abgegeben hatte Schönbohm die Leitung des Vereins im Jahr 2016. Sein Nachfolger: Hans-Wilhelm Dünn, der sich in einem Interview mit dem Rundfunk Berlin-Brandenburg (rbb) wenig später offen zu Kontakten zu russischen Nachrichtendienstkreisen bekannte. Das BSI äußerte sich gegenüber Böhmermann mit der Aussage, Schönbohm habe während seiner Leitung des Vereins solche Kontakte „nicht bewusst“ gepflegt. Gemeinsam mit dieser Stellungnahme veröffentlichte Böhmermann in der Sendung einen Social Media-Post, der Schönbohm gemeinsam mit dem Cybersicherheitsrat e.V. und Protelion zeigte.
Reaktion des Bundesinnenministeriums
Bundesinnenministerin Nancy Faeser untersagte Schönbohm kurze Zeit nach Ausstrahlung der Sendung die Führung der Amtsgeschäfte und versetzte ihn. Ihre Begründung: das Vertrauen der Öffentlichkeit in das Amt des BSI-Präsidenten sei beschädigt worden. Recherchen des Ministeriums, ob die Vorwürfe gegen Schönbohm in der Sache tatsächlich berechtigt waren, begannen erst nach dessen Versetzung. Schönbohm selbst hatte den Anstoß dazu gegeben, Klage gegen das Verbot der Dienstgeschäfte eingereicht und damit ein Disziplinarverfahren initiiert.
Vor dem Verwaltungsgericht Köln ist eine Klage auf Schadensersatz anhängig, mit der Schönbohm die Verletzung von Fürsorgepflichten durch seinen Dienstherrn wegen Mobbings bemängelt. Nach seiner Versetzung wurde Schönbohm anschließend bei Beibehaltung seiner früheren Bezüge zum Präsident der Bundesakademie für öffentliche Verwaltung und zudem zum Sonderbeauftragten für die Modernisierung der Fortbildungslandschaft des Bundes ernannt.
B. Die Entscheidung des LG München
Gerichtet war die Klage vor dem LG München gegen das ZDF, das für die Sendung ZDF Magazin Royale redaktionell verantwortlich ist. Im Kern der rechtlichen Auseinandersetzung stand die Frage, ob einzelne Äußerungen in der ZDF-Sendung nicht den Anforderungen an die presserechtliche Sorgfalt entsprechen und der Sender deshalb zur Unterlassung und Zahlung einer Geldentschädigung verpflichtet werden kann. Das Gericht hatte unzulässige unwahre Tatsachenbehauptungen von solchen Äußerungen abzugrenzen, von der Meinungsfreiheit nach Artikel 5 Grundgesetz (GG) geschützt sind.
- Unwahre Tatsachenbehauptungen?
Es ging zunächst um den in der Sendung geäußerten Vorwurf, Arne Schönbohm stehe in Kontakt zu Nachrichtendiensten aus Russland. Jedenfalls der Eindruck eines solchen bewussten Kontakts sei, so Schönbohm, durch die Sendung erweckt worden. Konkret äußerte Böhmermann in seiner Sendung: “In seiner Zeit als Präsident des Vereins ‘Cyber-Sicherheitsrat Deutschland e.V.’ stand Herr Schönbohm nicht bewusst in Kontakt mit Nachrichtendiensten aus Russland oder anderen Ländern. Ne klar nicht bewusst, wie denn sonst? Unbewusst, oder was?” und weiter “Und zweite Frage an Dich: Floppy der Disketten-Clown, wenn dir Kontakte zum russischen Nachrichtendienst nicht bewusst sind, warum sind deinen weirden Vereinsmitgründern mit der Räuberpistole diese Kontakte so bewusst?“
Außerdem wurden die nachfolgenden Äußerungen auf der Website des ZDF veröffentlicht: ”Schönbohm steht wegen möglicher Kontakte zu russischen Geheimdienstkreisen über den umstrittenen Verein ‚Cyber-Sicherheitsrat Deutschland‘ in der Kritik“ und „Er soll Kontakte zu russischen Geheimdienstkreisen gehabt haben“. Das LG München verneinte zwar, dass es sich bei den Äußerungen um reine unwahre Tatsachenbehauptungen gehandelt habe, die dem Beweis zugänglich sind.
Wohl aber befand das Gericht, dass der Beitrag mehrdeutige Tatsachenbehauptungen enthalte, die das Gericht mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des ehemaligen BSI-Präsidenten in Abwägung bringen musste. Im Ergebnis habe die Persönlichkeitsrechtsverletzung zulasten Schönbohms überwogen. Denn laut Gericht handelte es sich bei den von Böhmermann geäußerten Fragen nicht um ergebnisoffen gestellte Fragen, die von Elementen des Dafürhaltens und der Stellungnahme geprägt gewesen seien. Vielmehr habe der Moderator darauf beharrt, dass Schönbohm entsprechende bewusste Kontakte gepflegt habe, obwohl das BSI bewusste Kontakte in seiner Erwiderung ausgeschlossen hatte. Böhmermanns Fragesatz „Wie denn sonst…?“ stelle sich in seinem Kern als unwahre Tatsachenbehauptung dar.
Jedenfalls sei eine solche Deutungsvariante nicht fernliegend. Für die Abgrenzung von Meinungsäußerungen und Tatsachenbehauptungen ist stets das Verständnis eines unvoreingenommenen Durchschnittspublikums maßgeblich. So argumentierte auch das LG München mit der medialen Rezeption der Sendung – verschiedene Zeitungen hatten mitunter über die „bewussten Kontakte“ Schönbohms berichtet.
- Eine Meinungsäußerung bleibt Meinungsäußerung
Hinsichtlich der fünften gegenständlichen Äußerung „Gefahr der Cybersicherheit durch Chef der Cybersicherheit“ entschied das LG, es handele sich um eine noch hinzunehmende Meinungsäußerung. Auch den von Schönbohm angestrebten Ausgleich durch Geldentschädigung in Höhe von 100.000€ lehnte das Landgericht ab. Nicht nur komme eine Geldentschädigung bei mehrdeutigen Aussagen grundsätzlich nicht in Betracht. Auch habe Schönbohm es versäumt, sich früher gegen die Äußerungen zu wehren – etwa durch einen rechtzeitigen Unterlassungsanspruch oder einen Anspruch auf Richtigstellung in einer Folgesendung des ZDF Magazin Royal. Stattdessen hatte Schönbohm ganze 11 Monate mit der Klage gewartet. Eine Geldentschädigung stehe nur nach Ausschöpfung aller anderen Abwehrmöglichkeiten als ultima ratio zur Verfügung.
Schönbohm prüft nun, in Berufung zu gehen. Über etwaige Absichten des ZDF ist noch nichts bekannt.
Fazit
Das LG München hat eine harte Hand bewiesen. Die Einstufung der genannten Äußerungen Böhmermanns zu vermeintlichen Kontakten Schönbohms zu russischen Geheimdiensten hätte mit guten Argumenten auch anders ausfallen können. Denn der Eindruck, der dadurch bei unbefangenen Adressaten entstanden ist, war nicht aus jeder Perspektive zwingend. Dies gilt insbesondere in Anbetracht der besonderen Rolle, die das ZDF Magazin Royale im öffentlich-rechtlichen Fernsehen einnimmt. Regelmäßige Zuschauer dürften mit dem Grenzgang zwischen zulässiger Satirefreiheit und unzulässiger Meinungsäußerung, den Böhmermann jede Woche aufs Neue versucht, vertraut sein.
Umso wichtiger ist es allerdings, dass diese Grenzen nur strapaziert und nicht überschritten werden. Die Satiresendung verzeichnet jede Woche hohe Einschaltquoten und hat eine große Zuschauerschaft, die den Ergebnissen der investigativen Recherchen viel Vertrauen entgegenbringen. Dieses Alleinstellungsmerkmal des ZDF Magazin Royal muss legitimierbar bleiben und unabhängigen Überprüfungen standhalten. Ein Kratzer im Lack des Sendungsimages kann vielleicht etwas dazu beitragen, dass bei dem Wahrheitsgehalt der mitunter rufgefährdenden Sendungsinhalte noch etwas genauer hingeschaut wird.