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Der BGH hat entschieden, dass die Eintragung eines Kunstwerkes in die Lost Art-Datenbank keine Eigentumsbeeinträchtigung gem. § 1004 BGB darstellt und der Eigentümer daher nicht Löschung des Eintrags verlangen kann.

§ 1004 BGB ist eine Allzweckwaffe, die in vielen Rechtsgebieten eine Rolle spielt. Sie gibt Eigentümern (und in analoger Anwendung auch den Inhabern anderer absoluter Rechte) Ansprüche gegen sog. Störer auf Beseitigung und Unterlassungen von Rechtsbeeinträchtigungen.

Seit langer Zeit ist aber umstritten, was eigentlich alles als Eigentumsbeeinträchtigung im Sinne dieser Norm zählt. Hackt jemand meinen Stuhl zu Kleinholz, ist ziemlich klar, dass da jemand mein Eigentum an diesem beeinträchtigt. Danach hört die Klarheit aber bereits auf. Liegt eine Beeinträchtigung beispielsweise auch vor, wenn jemand ein Gebäude neben meinem Grundstück baut und mir damit Sonnenlicht entzieht? Wie steht es, wenn jemand ein Bordell zwei Häuser weiter einrichtet und ich daher die Wohnungen in meinem Gebäude vielleicht nicht mehr so teuer vermieten kann?

Mit Urteil vom 21.7.2023 hat der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe nun im Kunstrecht für mehr Klarheit in diesem Bereich gesorgt und geurteilt, dass der Eintrag einer Suchmeldung von Kulturgut in der sog. Lost Art-Datenbank keine Eigentumsbeeinträchtigung i.S.d. § 1004 BGB darstellt und daher keinen Anspruch des gegenwärtigen Eigentümers gegen den Veranlasser der Meldung auf Beantragung der Löschung begründet.

Was war passiert?

Die von einer Stiftung mit Sitz in Magdeburg betriebene Lost Art-Datenbank dokumentiert Kulturgüter, die insbesondere jüdischen Eigentümern aufgrund der Verfolgung durch den Nationalsozialismus entzogen wurden, oder für die ein derartiger Verlust nicht auszuschließen ist. Mithilfe der Veröffentlichung sollen frühere Eigentümer bzw. deren Erben mit heutigen Besitzern zusammengeführt und beim Finden einer gerechten und fairen Lösung über den Verbleib des Kulturgutes unterstützt werden.

In dem Verfahren vor dem BGH ging es um das Gemälde „Kalabrische Küste“ des Malers Andreas Achenbach (1815 – 1910).

„Kalabrische Küste“ von Andreas Achenbach (1861)

Der Kläger erwarb dieses 1999 im Rahmen einer Kunstauktion beim Auktionshaus „Phillips“ in London. 17 Jahre später wurde auf Veranlassung der Beklagten, den Erben des jüdischen Kunsthändlers Max Stern, eine Suchmeldung für das Gemälde bei der Lost Art-Datenbank eingetragen (Lost Art-ID 533378). Dieser wurde im September 1937 vom NS-Regime endgültig gezwungen, seine Galerie samt Besitz an den dazugehörigen Werken aufzugeben. Der kanadische Trust, der seinen Nachlass verwaltet, hatte in Kanada auch eine Fahndung nach dem Gemälde durch Interpol veranlasst.

Gegen Fahndung und Eintragung wandte sich nun der Kläger, da er in dem Eintrag eine Berühmung des Eigentums an dem Bild, dass er als das seinige ansieht, erblickt. Eine Eigentumsberühmung gegenüber Dritten ist anerkanntermaßen eine Eigentumsbeeinträchtigung, da sie die Gefahr birgt, dass diese vom Berühmenden gutgläubig Eigentum nach §§ 932 ff. BGB erwerben.

Die Entscheidung des BGH

Vor dem Landgericht und dem Oberlandesgericht blieb er jedoch erfolglos. Nun hat der BGH auch die Revision zurückgewiesen und zwar mit der folgenden Begründung:

Zunächst stellte der BGH fest, dass in der Suchmeldung des Gemäldes auf der Internetseite der Lost Art-Datenbank und der Fahndung keine Anmaßung des gegenwärtigen Eigentums zu erblicken sei. Denn beides basiere lediglich auf dem (unstreitigen) früher bestehenden Eigentum des Galeristen Max Stern an dem Bild und den Umständen des Verlustes des Besitzes. Damit treffe die Eintragung keine Aussage über die gegenwärtige Eigentumslage.

Zweck der Veröffentlichung auf der Internetseite der Lost Art-Datenbank sei es vielmehr, die früheren Eigentümer bzw. deren Erben sowie die heutigen Besitzer eines Kulturgutes zusammen zu bringen und diese bei der Erarbeitung einer gerechten und fairen Lösung im Sinne der Washingtoner Erklärung aus dem Jahr 1998 über den Umgang mit während der NS-Zeit abhanden gekommenen Kunstwerken zu unterstützen.

Mit der Interpol-Meldung verhalte es sich nicht anders, weil lediglich das Abhandenkommen des Gemäldes während der Herrschaft der Nationalsozialisten gemeldet worden sei. Auch mit dieser Meldung sei keine Aussage darüber verbunden, dass sich die Beklagten nach heutiger Rechtslage als Eigentümer des Gemäldes ansähen und darstellten.

Auch die hilfsweise begehrte Löschung des Datenbankeintrags könne nicht verlangt werden, da die Suchmeldung auf wahren Tatsachen beruhe. Die Veröffentlichung der Suchmeldung in der Lost Art-Datenbank mache lediglich öffentlich, was aufgrund der bekannten Umstände des Verkaufs ohnehin gem. § 44 S. 1 Nr. 1 KGSG vermutet würde, nämlich, dass der Entzug des Werkes NS-verfolgungsbedingt erfolgt sei.  Auch die Verfügungsbefugnis des Klägers sei rechtlich nicht beeinträchtigt. Dass der Kunstmarkt von in der Lost Art-Datenbank eingetragenen Werken lieber die Finger lasse, sei allenfalls eine tatsächliche Konsequenz, die bei § 1004 BGB aber nicht relevant sein könne.