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Das Anbieten von Geldspielen im Internet wurde in einer Allgemeinverfügung der interkantonalen Geldspielaufsicht nationalen Beschränkungen in Form von Netzsperren unterstellt. Ausländische Anbieter von Geldspielen können sich mit den Netzsperren nicht mehr der Aufsicht durch die schweizerischen Behörden entziehen. Da die Sperrung von Websites auch weiterführende Folgen wie Overblocking und die Besserstellung von Schweizer Anbieter haben kann, ist fraglich, ob sie im Rahmen der Verhältnismässigkeit eingeführt werden durften oder zu unterbleiben haben.

Die Lotterie- und Wettkommission Comlot, die neu interkantonale Geldspielaufsicht (Gespa) genannt wird, veröffentlichte eine Allgemeinverfügung gestützt auf den Art. 86 Abs. 1-4 des Bundesgesetz über Geldspiele (Geldspielgesetz, BGS) vom 29. September 2017 (Stand am 1. Januar 2021, SR 935.51). Darin wurde verordnet, dass jegliche Zugänge zu nicht bewilligten Spielangeboten von den Fernmeldedienstanbieterinnen gesperrt werden müssen. Eine aktuelle Sperrliste wird jeweils auf der Website der Kommission veröffentlicht. Da in der Schweiz das Anbieten von Geldspielen aus dem Ausland verboten ist, unterstehen die Fernmeldeanbieter der Pflicht, den Zugang zu solchen Spielen zu verhindern. Daraufhin wurden die Angebote von diversen Anbietern, welche von Malta aus operieren, per DNS-Blocking, dem Sperren des Domain Name System, in der Schweiz blockiert.

 

Besagte Gesellschaften haben daraufhin Beschwerde vor Bundesgericht erhoben und rügten die Verfassungsmässigkeit der Netzsperren. Die Beschwerdeführer machten in Bezug auf die Netzsperre geltend, dass diese insbesondere gegen die Wirtschaftsfreiheit nach Art. 27 und Art. 94 der Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 (Stand am 13. Februar 2022, SR 101, hiernach BV genannt) verstösst, willkürlich im Sinne von Art. 9 BV sei sowie auch gegen den Grundsatz der Verhältnismässigkeit (Art. 5 Abs. 2 BV) verstosse. Die Netzsperren beabsichtigen gemäss den Beschwerdeführern einen Schutz der Schweizer Anbietern vor ausländischer Konkurrenz, was unzulässig und demnach auch verfassungswidrig sei (siehe dazu Urteil des BGer vom 18. Mai 2022, 2C_336/2021 E. 4.1). Die Einschränkung eines Grundrechts durch den Staat benötigt grundsätzlich nach Art. 36 BV immer eine gesetzliche Grundlage, ein öffentliches Interesse wie auch die Einhaltung der Verhältnismässigkeit und die Wahrung des Kerngehalts.

 

Die Umsetzung der Netzsperre kann auf verschiedene Arten erfolgen. Zunächst kann mittels einer DNS-Sperre dafür gesorgt werden, dass sich die Ziffernkombination der IP-Adresse nicht wie erforderlich auflöst, sodass die Website nicht angezeigt wird. Der Nutzer wird zu einer anderen Website umgeleitet, die ihn über die Gründe der Netzsperre informiert. Eine weitere Möglichkeit ist die IP-Sperre, die nicht nur die sog. Uniform Resource Locator (URL) sperrt, sondern auch die IP-Adresse der Website. Dabei ist es möglich, dass mehrere Adressen gesperrt werden als zulässig wäre, weil auf dem Server mehrere Websites hinterlegt sein können, die alle von der Sperrung betroffen sind. Die dritte Variante ist die sog. Deep-Packet-Inspection, womit der unverschlüsselte Internetverkehr überwacht werden kann, da Datenpakete nach bestimmten Schlüsselbegriffen durchsucht werden. Dies kann dazu führen, dass der Internetverkehr beschränkt wird, was wiederum problematisch ist bezüglich Fernmeldegeheimnis.

 

Anwendbarkeit von Art. 190 BV

Bundesgesetze und Völkerrecht sind für das Bundesgericht massgebend, d.h. Bundesgesetze müssen vom Bundesgericht angewendet werden. Art. 190 BV statuiert ein Anwendungsgebot zugunsten von Bundesgesetzen. Der Artikel beinhaltet jedoch kein Prüfungsverbot, weshalb die Verfassungsmässigkeit eines fraglichen Gesetzes zwar überprüft werden kann, es aber auch bei einem Verstoss gegen die Bundesverfassung angewendet werden muss. Das Bundesgericht kann – sollte es feststellen, dass ein Bundesgesetz gegen die Verfassung verstösst – einzig eine Handlungsempfehlung an den Gesetzgeber abgeben, in der er ihn darauf aufmerksam macht, dass die Regelung des Gesetzes aufgrund ihrer Verfassungswidrigkeit anzupassen sei. Das Bundesgericht hält fest, dass die Netzsperren gemäss Art. 86 BGS keine verfassungswidrige Regelung darstellen. Zusätzlich hat der Gesetzgeber die Regelung erlassen, obwohl er Kenntnis von den sich stellenden Problemen hatte.

 

Wirtschaftsfreiheit:

Im Rahmen der Wirtschaftsfreiheit wurde vom Beschwerdeführer im zitiertem Urteil geltend gemacht, dass die Netzsperren bloss zum Schutz einheimischer Anbieter seien und diese wirtschaftlich besserstellen sollen als die Konkurrenz aus dem Ausland.

Das Bundesgericht begegnete dem und stellte klar, dass die Wirtschaftsfreiheit im Bereich der Geldspiele eben gerade nicht oder nur beschränkt gilt. Geldspiele sind in der Schweiz ohne entsprechende Konzession oder Bewilligung verboten. Der Staat hat dabei in Art. 106 BV i.V.m. Art. 94 BV von der Kompetenz Gebrauch gemacht, die Wirtschaftsfreiheit im Glücksspiel durch die Bundesverfassung zu beschränken um ein Konzessionssystem zu erschaffen. Die Ratio dahinter bildet das Interesse, die öffentliche Ordnung und Sicherheit von den Gefahren der Spielsucht, Manipulation und Geldwäscherei etc. zu schützen und diese unter Kontrolle zu halten.

 

Somit ist die Tätigkeit als Betreiber von Glücksspielen usw. weitgehend der Wirtschaftsfreiheit entzogen. Insbesondere lässt sich aus der Wirtschaftsfreiheit kein Anrecht für eine ausländische Gesellschaft ableiten, eine in der Schweiz ohne Konzession oder Bewilligung verbotene Tätigkeit auszuüben. Es besteht auch kein Rechtsanspruch auf die Ausstellung einer Konzession. Diesem Kontroll- und Aufsichtsbedürfnis welche eine Konzession mit sich bringt, sind ausländische Online-Anbieter entzogen und sind nach Art. 22 Abs. 1 lit. a BGS e contrario bspw. nicht zur Bewilligung für Grossspiele zugelassen.

 

Auch nach Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) ist es soweit legitim und vom Rahmen der Dienst- und Niederlassungsfreiheit der EU gedeckt, das Glücksspiel besonderen nationalen Beschränkungen zu unterwerfen und ein Konzessionssystem einzusetzen. (siehe EuGH-Urteil vom 12. September 2013 C-660/11 und C-8/12 Biasci u.a.). Allerdings sind die Mitgliedstaaten dazu verpflichtet die Konzessionen auch für Anbieter mit Sitz in anderen Mitgliedstaaten in einem fairen Verfahren zugänglich zu machen und das zusammenhängende Vergabeverfahren unparteiisch und transparent durchzuführen. Die Mitgliedstaate können die Ziele der eigenen Geldspielpolitik festlegen und auch das Schutzniveau definieren, solange die getroffenen Massnahmen die Voraussetzung der Verhältnismässigkeit erfüllen.

 

Allerdings hat das EuGH auch klargemacht, dass es mit Unionsrecht vereinbar ist, in einem Land Online-Gewinnspiele eines in einem anderen Land ansässigen Anbieters zu verbieten, falls dieser keine Niederlassung im Land der Ausübung hat. Der EuGH begründet dies mit den erhöhten Gefahren, die vom Online Glücksspiel ausgehen. (vgl. das EuGH-Urteil vom 3. Juni 2010 C-258/08 Ladbrokes Betting&Gaming Ltd.). Somit entspricht die Meinung betreffend die Glücks- und Geldspiele des Bundesgerichts auch jener des EuGH. Auch wenn die Schweiz die Dienstleistungs- und Niederlassungsfreiheit nur teilweise übernommen haben und Geldspiele von den bilateralen Verträgen ausgenommen sind, ist dient die Rechtsprechung des EuGH jedoch als Orientierungshilfe zur Verfassungsmässigkeit solcher Einschränkungen der Wirtschaftsfreiheit.

 

Verhältnismässigkeit der DNS-Netzsperre:

Art. 86 Abs. 1 und 2 BGS besagen, dass der Zugang zu nicht bewilligten Online-Geldspielen gesperrt werden muss, sofern die Angebote in der Schweiz nicht bewilligt sind und wenn die Veranstalterin ihren Sitz bzw. Wohnsitz im Ausland hat oder wenn dieser vom Anbieter zu verschleiern versuchen,  deren Geldspiele jedoch von der Schweiz aus aufrufbar sind. Angebote, welche laut diesem Gesetz gesperrt werden müssen, kommen auf eine Liste welche die Fernmeldedienstanbieter dann jeweils zur Sperrung kommuniziert werden. Die Netzsperre muss verhältnismässig sein. Die Beschwerdeführer – also die Anbieter von Geldspielen mit Sitz im Ausland – machen vor Bundesgericht geltend, dass die DNS-Netzsperre unverhältnismässig sei.

 

Damit eine Massnahme verhältnismässig ist, bedeutet gemäss dem Urteil des BGer vom 18. Mai 2022, 2C_336/2021 E. 8.2.1, dass sie «für das Erreichen des im öffentlichen oder privaten Interesse liegenden Ziels geeignet und erforderlich ist und sich für die Betroffenen in Anbetracht der Schwere der damit verbundenen Belastungen als zumutbar erweist.»

 

In den hier diskutierten Fällen wurde die technische Lösung der DNS-Sperre benutzt, um die Websites von den Anbietern von Geldspielen ohne Bewilligung zu sperren. Dabei kann es jedoch vorkommen, dass weitere Dienste, welche über die selbe Domain laufen, ebenfalls blockiert werden, auch wenn Sie nichts direkt mit dem zusperrenden Geldspiel zu tun haben (sog. «Overblocking»). Dieser Nebeneffekt ist von Art. 83 ff. BGS nicht vorgesehen. Die Rüge der Beschwerdeführerinnen richtete sich aufgrund dessen auch auf die Verhältnismässigkeit, welche bei solchen Sperren nicht gegeben sein soll.

 

Die Verhältnismässigkeit erfordert grundsätzlich jeweils die Geeignetheit, die Erforderlichkeit und die Verhältnismässigkeit im engeren Sinne der Massnahme. Bei Letzterem wird die Einschränkung für den Betroffenen in eine Abwägung mit dem Nutzen für das öffentliche Interesse hinter der Massnahme in einer sogenannten Zweck-Mittel-Relation gesetzt. Bei der Geeignetheit und der Erforderlichkeit wird darauf geschaut, dass die Massnahme an sich dem Zweck des öffentlichen Interesses dient und das mildeste Mittel in sachlicher, räumlicher, zeitlicher und personeller Hinsicht in Relation zum Nutzen darstellt.

 

Die Netzsperre vermag nicht jeden Zugriff auf die Website zu verhindern, da Umgehungsmöglichkeiten durchaus bestehen. Der Gesetzgeber qualifizierte jedoch die DNS-Sperrung als eine geeignete Methode, da sie aktuell die «einfachste und angemessenste Lösung für das Sperren nicht bewilligter Spiel-Internetseiten» darstellt. Es kann jedoch gemäss Ansicht des Bundesrates und dem Gesetzgeber davon ausgegangen werden, dass diese Massnahme die Mehrheit der Spieler davon abhalten wird, die Websites aufzurufen, weshalb die Sperre entgegen den Ansichten der Beschwerdeführer dennoch die angestrebte Wirkung erfüllen.

 

Die Massnahme der Netzsperre ist gemäss Bundesgericht erforderlich, weil es keine geeigneten Alternativen gibt, die genauso wirksam sind wie die DNS-Sperre. Ausserdem sei die Zugangssperre auch zumutbar, weil ein öffentliches Interesse am Schutz vor exzessivem Spiel und anderen Gefahren bezogen auf Spiele. Ein weiteres öffentliches Interesse ist auch die Sicherstellung von Transparenz bei der Spielabwicklung. Gemäss Bundesgericht kann mit Art. 86 Abs. 2 BGS auch ein Overblocking gerechtfertigt werden, weil dieser Nachteil durch geeignete Massnahmen wie z.B. Geoblocking oder einem und einem zumutbaren Aufwand vermieden werden kann.

 

Wie bereits erwähnt, ist das öffentliche Interesse hinter der Konzessionierung und dem damit verbundenen Entzug des Glücksspiels von der Wirtschaftsfreiheit, der Schutz der öffentlichen Ordnung und Sicherheit vor den Gefahren der Spielsucht, Spielmanipulation und Geldwäscherei welchen der Staat durch Kontrolle und Aufsicht entgegenwirken will. Das öffentliche Interesse hinter der gesetzlichen Netzsperre richtet sich wiederum um dieses Konzessions- und Bewilligungssystem zu schützen und die Wirksamkeit zu garantieren. Die Massnahme der DNS-Sperre wird insgesamt als zumutbar angesehen und basiert auf einer genügenden rechtlichen Grundlage.

 

Aufgrund dessen wurde die Verhältnismässigkeit der Netzsperren vom Bundesgericht bejaht und festgestellt, dass keine weitere Verletzung von Bundesrecht ersichtlich sei. Daher wurde auf den Vorwurf der Willkür erst gar nicht eingegangen.

Quellen: