Wirft man einen Blick in das Programm der Berlinale, die Kino oder Streamingcharts fällt schnell auf, Portraits über reelle Personen in Form eines Spielfilms erfreuen sich wachsender Beliebtheit. Nicht ganz trivial ist jedoch die Frage zu beantworten – Unter welchen Voraussetzungen darf eine Person portraitiert werden?
Voraussetzungen eines Spielfilm-Portrait
I. Zustimmung
Wie es die Juristen gerne festhalten, ist grundsätzlich, die Zustimmung der abgebildeten Person erforderlich die im Rahmen eines Werkes abgebildet werden soll.
22 KunstUrhG besagt, dass die Abbildung einer Person, einschließlich ihrer Verfilmung, nur mit deren Einwilligung zulässig ist. Dass die abgebildeten Personen von Schauspielern verkörpern werden, ist laut Bundesgerichtshof (BGH) (GRUR 2000, 715 Rn. 21 – „Der blaue Engel“) unerheblich, da die §§ 22, 23 KunstUrhG gelten, solange die Person noch erkennbar ist (Specht in: Dreier/Schulze, § 22 KunstUrhG, Rn. 2). Darüber hinaus führt der BGH aus, dass es für die Betroffenheit einer Person ausreicht, wenn einige Adressaten sie identifizieren können (BGH NJW 2009, 3576). Zudem ist es für die Anwendbarkeit des KunstUrhG unerheblich, ob Namen, Orte und die Zeit des Geschehens geändert wurden (Eick-meier/Eickmeier, „Die rechtlichen Grenzen des Doku-Dramas“, ZUM 1998, 1 (3)), solange eine Person identifizierbar bleibt.
Da das Risiko einer Identifizierbarkeit, zumindest von einem eingegrenzten Adressatenkreis, fast immer verbleibt, ist grundsätzlich von der Bedürftigkeit einer Zustimmung gem. §22 KunstUrhG auszugehen. Denn ansonsten besteht die Möglichkeit, dass die Person, die rechtswidrig abgebildet wird einen Schadensersatzanspruch, einen Anspruch auf Unterlassung nach § 1004 Abs. 1 S. 1 BGB sowie einen Anspruch auf Herausgabe des durch die Veröffentlichung Erlangten (z.B. Nutzungsentschädigung in Höhe der üblichen Lizenzgebühr) nach § 812 Abs. 1 Alt 2 BGB, geltend machen könnte.
II. Person der Zeitgeschichte
Rechtlich relevant ist jedoch auch die Frage, ob Ereignisse, die tatsächlich stattgefunden haben und die Lebens- und Charakterbilder der Beteiligten dokumentieren oder festhalten, verfilmt werden dürfen. Denn dann benötigt es die Zustimmung nicht grundsätzlich mehr.
Zum Bereich der Zeitgeschichte gehören nach der gängigen Definition gemäß § 23 KunstUrhG alle Phänomene im Leben der abgebildeten Person, die von der Öffentlichkeit wahrgenommen werden, ihre Aufmerksamkeit erregen und Gegenstand der Anteilnahme oder Neugier breiter Kreise sind. Der BGH nimmt bei der Prüfung, abweichend von der traditionellen Einordnung in absolute und relative Personen der Zeitgeschichte, eine einzelfallbezogene Abwägung der kollidierenden Grundrechte vor (BGH GRUR 2011, 259 Rn. 14. – „Rosenball von Monaco“; BGH GRUR 2009, 86 Rn. 12 – „Gesundheitszustand von Prinz Ernst August“). Maßgebend sind bei der Abwägung das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Abgebildeten und die Kunstfreiheit (Art. 5 Abs. 1 und 3) zugunsten des Filmherstellers.
Generell stellen die Gerichte fest, dass das Interesse des Betroffenen gegenüber dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit zurücktreten muss, je größer das öffentliche Interesse an der Information ist. Demnach kann im Umkehrschluss nur eine schwerwiegende Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts nicht durch die Kunstfreiheit gerechtfertigt werden. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR 2014, 284, Rn. 46) hat als relevante Abwägungskriterien folgende definiert:
Den Beitrag zu einer Debatte von allgemeinem Interesse, der Bekanntheitsgrad und der Gegenstand der Berichterstattung, das frühere Verhalten der abgebildeten Person, der Inhalt, die Form und die Wirkung der Veröffentlichung sowie die Umstände, unter denen die Aufnahmen gemacht wurden.
III. Ausnahme der Ausnahme
Kommt man zu dem Ergebnis, das Ereignis dem Bereich der Zeitgeschichte zuzuordnen, ist die Darstellung in diesem Zusammenhang dennoch nicht unbegrenzt möglich. Vielmehr gilt hier die Einschränkung des § 23 Abs. 2 KunstUrhG entsprechend. Demnach ist die Darstellung unzulässig, wenn dadurch ein berechtigtes Interesse der abgebildeten Person aus der Zeitgeschichte verletzt wird.
1. Die Richtigkeit der filmischen Darstellung
Etwaige Grenzen der Kunstfreiheit liegen in der Genauigkeit der Darstellung. Grundsätzlich haben die betroffenen Personen ein Recht darauf, vor einer verzerrten Darstellung geschützt zu werden. Problematisch sind daher regelmäßig Darstellungen, die den Eindruck einer wahrheitsgetreuen Darstellung der Geschichte und der betroffenen Personen zu vermitteln suchen, tatsächlich aber nicht der Realität entsprechen.
Bei Spielfilmen, selbst wenn dieser auf einer wahren Geschichte beruht und gut recherchiert wurde, wird regelmäßig eine Fiktionalitätsvermutung des Dargestellten geschaffen, bedeutet der Inhalt gilt grundsätzlich als fiktiv, da dies ein gängiges Mittel der künstlerischen Darstellung ist.
Vor diesem Hintergrund ist es nicht erforderlich, dass Spielfilme historisch korrekt sind, da an sie nicht der Anspruch, eine wahrheitsgetreue Darstellung der Ereignisse zu sein besteht. Bei Einblicken in das soziale Umfeld, den Alltag und die persönlichen Gespräche der Filmfiguren erwartet der Zuschauer keine wahrheitsgetreue Wiedergabe, da solche Inhalte oft nicht dokumentiert und damit notwendigerweise erfunden sind.
Besteht aus kunstspezifischer Betrachtung die Fiktionalitätsvermutung kann das Argument der Verzerrung nicht zu einer Ausnahme der Ausnahme gemäß § 23 Abs. 2 KunstUrhG führen.
2. Darstellung von Intimität und Privatsphäre
Je näher Darstellungen an den Bereich der Menschenwürde (Art. 1 I GG) heranreichen, desto eher unterliegen sie dem Abbildungsverbot des § 23 Abs. 2 KunstUrhG. Das bedeutet, dass die Kunstfreiheit eingeschränkt wird, wenn die Intimsphäre betroffen ist. Damit sind die innersten Gedanken und Gefühle eines Menschen gemeint, insbesondere der Sexualbereich, Nacktheit und unter Umständen auch Krankheiten. Hintergrund ist, dass in diesem Intimbereich ein Wahrheitsbeweis nicht zumutbar ist und es für eine schwerwiegende Verletzung ausreicht, dass der Betrachter sich einbildet, zu sehen, was wirklich geschehen ist.
Auch hier bedarf es jedoch immer einer Einzelfallabwägung, da beispielsweise allein die Darstellung eines gesundheitlichen Leidens oder einer sexuellen Beziehung noch nicht in rechtswidriger Weise die Intimsphäre stören muss.
Kurzum
- Besteht eine Zustimmung der abgebildeten Person, macht es das Leben des für Produzenten und Regisseure deutlich leichter
- Ohne Zustimmung der abgebildeten Person können Bereich der Zeitgeschichte dargestellt werden
- Bei der Abwägung zwischen Verletzung des Persönlichkeitsrechts und der Kunstfreiheit bedarf einer kunstspezifischen Betrachtung;
- Je stärker das „Abbild“ vom „Urbild“ abweicht, desto mehr tritt die Wahrung der Kunstfreiheit in den Vordergrund;
- Bei erzählenden Kunstformen entsteht eine „ästhetische Realität“ und „wirklichere Wirklichkeit“, wodurch sich eine Vermutung der Fiktionalität ergibt, auch wenn reale Personen erkennbar sind;
- Es gibt kein absolutes Verfügungsrecht des Betroffenen, nicht Vorbild einer Figur in einem künstlerischen Werk zu werden.