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Seit dem 1. Januar 2023 müssen Unternehmen die Pflichten aus dem Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) umsetzen. Viele der betroffenen Unternehmen hinken dieser Aufgabe jedoch hinterher. Dies geht jedenfalls aus einem Bericht der Tagesschau hervor, der sich auf eine Studie des Bundesverbandes Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik (BME) stützt. Danach gaben gerade einmal vier Prozent der befragten Unternehmen an, dass sie gut auf die Pflichten des LkSG vorbereitet seien. Ganze 70 % sahen sich dagegen mittelmäßig bis schlecht aufgestellt. Im Angesicht der jahrelangen Debatte vor Inkrafttreten des Lieferkettengesetzes und den hohen Bußgeldern sind dies alarmierende Zahlen. Nicht ganz unschuldig an dieser Situation ist zumindest auch die zuständige Aufsichtsbehörde BAFA. Denn das Gesetz bietet aufgrund des breiten Anwendungsbereichs an vielen Stellen Spielraum für Interpretation. Eine erste Handreichung zur Risikoanalyse wurde von der BAFA erst Ende August 2022 veröffentlicht, nur vier Monate vor Inkrafttreten des Gesetzes.

Der Beitrag verschafft einen Überblick, welche Pflichten mit dem Lieferkettengesetz verbunden sind und zeigt auf, an welchen Punkten Verträge und Allgemeine Geschäftsbedingungen angepasst werden müssen.

Schutz von Mensch und Umwelt

Mit dem Lieferkettengesetz sollen Menschenrechte in globalen Lieferketten umgesetzt und die Umwelt besser vor Zerstörung geschützt werden. Das Gesetz wurde angestoßen, da freiwillige Selbstverpflichtungen von Unternehmen in der Vergangenheit die menschenrechtlichen und umweltbezogenen Probleme in Lieferketten nicht ausreichend bekämpft haben. Der Fokus des Lieferkettengesetzes liegt daher auf den Unternehmen des globalen Westens am Ende der Lieferkette. Diese sollen ihre wirtschaftliche Übermacht dazu einsetzen, die Menschenrechts- und Umweltschutzstandards entlang ihrer Lieferkette zu verbessern und Sklaverei, wirtschaftliche Ausbeutung, Kinderarbeit, Ungleichbehandlung am Arbeitsplatz, Kontamination von Boden, Luft und Wasser oder Landraub zu bekämpfen.  Dies ist aus rechtlicher Sicht ein Paradigmenwechsel der Verantwortlichkeit von Unternehmen für Handlungen Dritter – die zuvor für ohne eigenes Verschulden nicht für Verstöße gegen Menschenrechts- und Umweltschutzstandards in der Lieferkette zur Verantwortung gezogen werden konnten.

Unternehmen ab 3000 Mitarbeiter*innen

Betroffen sind Unternehmen mit Sitz in Deutschland und mindestens 3000 Arbeitnehmer*innen im Inland. Dies beutet jedoch nicht, dass sich alle anderen Unternehmen zurücklehnen können. Denn ab dem 01.01.2024 liegt die Eingriffsschwelle bei 1000 Beschäftigten. Zudem werden auch Unternehmen, die unter dieser Schwelle liegen, die Auswirkungen des Lieferkettengesetzes zu spüren bekommen. Denn sofern diese selbst Teil einer Lieferkette sind, werden sie von ihren Vertragspartner*innen zur Einhaltung der gesetzlichen Anforderungen verpflichtet. Das Lieferkettengesetz wirkt also nicht nur direkt, sondern auch mittelbar.

8 Millionen Euro Geldbuße

Wer gegen die Pflichten aus dem Lieferkettengesetz verstößt, begeht eine Ordnungswidrigkeit. Je nach Schwere des Verstoßes bewegt sich die Geldbuße zwischen 100.000 und 8 Millionen Euro. Für Unternehmen mit einem durchschnittlichen Jahresumsatz von mehr als 400 Millionen Euro kann das Bußgeld sogar 2 % des Jahresumsatzes betragen. Hier drohen also empfindliche Strafen, weshalb die Umsetzung der Pflichten nicht vernachlässigt werden sollte. Darüber hinaus besteht für im Rahmen der gewillkürten Prozessstandschaft die Möglichkeit für Gewerkschaften oder NGO’s, die Rechte von Arbeitnehmer*innen wahrzunehmen und Unternehmen auf Schadensersatz zu verklagen. Hierdurch können auch Beschäftigte in einer Fabrik in Brasilien ihre Rechte gegenüber einem Unternehmen mit Sitz in Deutschland geltend machen, wenn sie für einen Zulieferer des Unternehmens arbeiten.

Grundsatzerklärung und Jahresbericht

Kontrolliert werden die Pflichten durch das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA). Um die Kontrolle zu ermöglichen müssen Unternehmen eine Grundsatzerklärung zur Menschenrechtsstrategie verfassen und einen Jahresbericht erstellen. Durch die Menschenrechtsstrategie muss erklärt werden, mit welchem Verfahren die Pflichten eingehalten, welche Risiken festgestellt und welche Erwartungen gegenüber Beschäftigten und Zulieferern bestehen. Wichtig ist zu dokumentieren, ob und wie die Sorgfaltspflichten erfüllt werden. Der Jahresbericht muss eine detaillierte Auswertung dieser Pflichten enthalten und sowohl auf der Website veröffentlicht, als auch beim BAFA eingereicht werden.

Was ist eine Lieferkette?

Unternehmen unterliegen den Pflichten des Gesetzes, wenn ihre Lieferkette betroffen ist. Dabei umfasst der Begriff der Lieferkette alle Schritte im In- und Ausland, die zur Herstellung der Produkte und zur Erbringung der Dienstleistungen des Unternehmens erforderlich sind. Dies reicht von der Gewinnung der Rohstoffe bis zur Lieferung an den Endkunden. Das Gesetz nimmt dabei sowohl den eigenen Geschäftsbereich des Unternehmens als auch den des unmittelbaren und mittelbaren Zulieferers in den Blick und knüpft diese Bereiche an unterschiedlich hohe Pflichten. Insgesamt liegt dem Gesetz ein weiter Anwendungsbereich zu Grunde. Umfasst sein können auf der einen Seite die Plantagen zur Gewinnung von Ressourcen für Papier-, Textil- oder Lebensmittelherstellung in Südamerika, die Programmiererin in Indien oder Call-Center auf den Philippinen. Auf der anderen Seite aber auch der Hydraulikspezialist in Hessen.

Bemühenspflicht und Angemessenheit

Die Bemühenspflicht ist zwar im Gesetzt nicht normiert, geht aber bereits aus dem Regierungsentwurf hervor. Anders als bei einer Erfolgspflicht folgt aus der Verletzung menschenrechts- oder umweltbezogener Pflichten nicht zwingend der Verstoß gegen die Bemühenspflicht. Im Umkehrschluss kann aber auch ein Verstoß vorliegen, obwohl Mensch oder Umwelt tatsächlich nicht geschädigt wurden. Der Bewertung, ob ein Verstoß vorliegt, liegt das Kriterium der Angemessenheit zugrunde. Danach werden Art und Umfang der Geschäftstätigkeit, das Einflussvermögen auf den tatsächlichen Verursacher, die Schwere der Verletzung und die Art des tatsächlichen Verursachungsbeitrags berücksichtigt. Von keinem Unternehmen darf jedoch etwas rechtlich und tatsächlich Unmögliches verlangt werden.

Risikoanalyse

Betroffene Unternehmen müssen im Rahmen ihres Risikomanagements jedes Jahr eine angemessene Risikoanalyse in Bezug auf die menschenrechts- und umweltbezogenen Pflichten durchführen. Die Analyse ist zunächst auf die Untersuchung des eigenen Geschäftsbereichs und die direkten Zulieferer beschränkt. Ändert sich das Risiko in der Lieferkette dadurch, dass neue Produkte eingeführt oder neuen Geschäftsfelder erschlossen werden, muss die Risikoanalyse auch anlassbezogen durchgeführt werden. Die Beschränkung auf den eigenen Geschäftsbereich und direkte Zulieferer entfällt dann, wenn Unternehmen versuchen, die Pflichten des Lieferkettengesetzes zu umgehen oder tatsächliche Anhaltspunkte für eine Verletzung der Pflichten vorliegen. So soll vermieden werden, dass Unternehmen für den Zweck Einkaufsgesellschaften gründen, um selbst nur noch die Einkaufsgesellschaft als direkten Zulieferer auszuweisen und somit den Pflichten des Lieferkettengesetzes zu entgehen. Bei Verstößen von mittelbaren Zulieferern müssen Unternehmen jedoch erst handeln, wenn tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen, die eine Verletzung einer menschenrechts- oder umweltbezogenen Pflicht möglich erscheinen lässt. Hier ist für die Zukunft offen, wie detailliert die Anhaltspunkte sein müssen, um die Pflichten des Lieferkettengesetzes auszulösen. Es ist davon auszugehen, dass der Stellenwert der Berichte von Organisationen wie Amnesty International oder Greenpeace steigen wird.

Präventionsmaßnahmen

Werden Risiken festgestellt, müssen unverzüglich Präventionsmaßnahmen ergriffen werden. Das Gesetz enthält eine beispielhafte Aufzählung, wonach Unternehmen ihre Menschenrechtsstrategie umsetzen, geeignete Beschaffungsstrategien entwickeln und einführen sowie Schulungen und risikobasierte Kontrollmaßnahmen durchführen müssen. Die Maßnahmen sind wirksam, wenn sie menschenrechtliche und umweltbezogene Risiken erkennen und Verletzungen verhindern, beenden oder zumindest minimieren. Diese Formulierung ist Ausprägung des Bemühensgrundsatzes und zeigt, dass nicht jeder Verstoß zwingend abgestellt werden muss.

Risikomanagement und Abhilfe

Als weiteren Aspekt des Risikomanagements müssen Unternehmen ein Beschwerdeverfahren einrichten. Hierfür können interne oder externe Prozesse aufgesetzt werden. Wichtig ist, dass das Verfahren Whistleblowing durch Betroffene oder andere Hinweisgeber*innen ermöglicht. Wie genau das Verfahren abläuft, regelt das Gesetz nicht, Unternehmen müssen aber eine schriftliche Verfahrensordnung veröffentlichen. Problematisch ist, dass das Beschwerdeverfahren für potenziell Beteiligte zugänglich sein muss. Insbesondere in Drittländern wird dies Unternehmen vor Schwierigkeiten stellen. Denn ein in deutscher Sprache gefasster Hinweis auf der Website des Unternehmens wird nicht dazu führen, dass eine Fabrikmitarbeiterin im Ausland am Beschwerdeverfahren teilnimmt. Hier müssen Unternehmen Lösungen entwickeln, um Betroffene am Ort des Einsatzes über das Verfahren zu informieren.

Abhilfe

Stellt ein Unternehmen fest, dass menschenrechts- oder umweltbezogene Pflichten verletzt wurden, muss es Abhilfemaßnahmen ergreifen. Auch für diese Maßnahmen gibt das Gesetz einen abgestuften Sorgfaltsmaßstab aus Verhinderung, Beendigung und Minimierung vor. Pflichtverletzungen im eigenen Geschäftsbereich im Inland müssen unverzüglich beendet werden. Dagegen müssen Abhilfemaßnahmen bei Verletzungen im eigenen Geschäftsbereich im Ausland und bei konzernangehörigen Unternehmen nur in der Regel zur Beendigung führen. Gegenüber unmittelbaren Zulieferern muss ein Konzept zur Beendigung oder Minimierung der Verletzung mit einem konkreten Zeitplan erstellt werden. Den Abbruch der Geschäftsbeziehung führt der Gesetzestext nicht als zwingende Konsequenz, sondern als Ultima Ratio auf. Nur im Fall, dass die Verletzung der geschützten Rechtsposition sehr schwerwiegend, das Abhilfekonzept wirkungslos geblieben ist, keine milderen Mittel zur Verfügung stehen und eine weitergehende Einflussnahme aussichtslos erscheint, ist der Abbruch geboten. Keine zwingenden Abhilfemaßnahmen sind dagegen bei Verstößen von mittelbaren Zulieferern vorgesehen. Dies war bereits in der Entstehungsgeschichte Gegenstand von erheblicher Kritik, denn gerade bei den mittelbaren Zulieferern finden die gravierendsten Rechtsverletzungen statt.

Blick in die Schweiz und die EU

Anders als in Deutschland gibt es in der Schweiz und der EU (noch) kein eigenes Lieferkettengesetz. Dennoch müssen hinsichtlich Umweltschutz und Sozialstandards eine Reihe von Reportingpflichten erfüllt werden. Diesem Thema und dem damit verbundenen Anpassungsbedarf für Lieferantenverträge widmen wir uns in einem ausführlichen Beitrag hier.

Wie können Verträge und AGB angepasst werden?

Als wichtige Maßnahme zur Erfüllung der Pflichten aus dem Lieferkettengesetz müssen Unternehmen bestehende Verträge und Allgemeine Geschäftsbedingungen anpassen. Folgende Punkte sollten dabei berücksichtigt werden:

  • Verpflichtung von unmittelbaren Zulieferern, dass diese die von der Geschäftsleitung des Unternehmens verlangten menschenrechtsbezogenen und umweltbezogenen Erwartungen einhält.
  • Verpflichtung von unmittelbaren Zulieferern, dass diese die Erwartungen entlang der Lieferkette adressieren ihre unmittelbaren Zulieferer vertraglich zur Einhaltung verpflichten.
  • Verpflichtungen von unmittelbaren Zulieferern zur Teilnahme an vom Unternehmen durchgeführten Schulungen und Weiterbildungen.
  • Vereinbarung von angemessenen vertraglichen Kontrollmechanismen einschließlich risikobasierter Durchführung gegenüber unmittelbaren Zulieferern, um die Einhaltung der Menschenrechtsstrategie zu überprüfen.
  • Vereinbarung eines Weisungsrechts gegenüber unmittelbaren Zulieferern, um weitere Präventions- und Abhilfemaßnahmen festzulegen und durchzuführen.

Fazit

Das deutsche Lieferkettengesetz enthält eine Vielzahl von neuen Pflichten, deren konkrete Anwendung und Zweckmäßigkeit noch auf den Prüfstand gestellt werden muss. Für Unternehmen kommt es aktuell nicht darauf an, jede Konstellation bis ins letzte Detail zu durchdenken, sondern die in diesem Beitrag aufgezeigten Basics umzusetzen, um Bußgelder zu vermeiden.

Sofern Sie weiteren Input zu dem Thema wünschen, können Sie hier das Webinar mit dem Titel „Das neue Lieferkettengesetz – Pflichten. Haftung. Prävention.“ anschauen. Gerne beraten wir Sie auch bei konkreten Fragen zur Umsetzung der gesetzlichen Pflichten aus dem LkSG.