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In seinem Urteil vom 22.09.2022 stellt das Bundesarbeitsgericht fest, dass Arbeitnehmer:innen ein Schadensersatzanspruch zustehen kann bei arbeitgeberseitigen Verstößen gegen das Nachweisgesetz (NachweisG), falls der/die Arbeitnehmer:in durch seine/ihre dadurch entstandene Unkenntnis Ausschlussfristen versäumt hat. (BAG, Urteil vom 22.09.2022, Az.: 8 AZR 4/21)

Hintergrund:

Ein Küster hatte vor dem Arbeitsgericht Düsseldorf gegen seinen ehemaligen Arbeitgeber Klage auf ausstehende Vergütung aufgrund einer falschen Eingruppierung in die Besoldungsgruppe erhoben. Ausweislich der kirchlichen Arbeits- und Vergütungsordnung (KAVO) zwischen den Parteien untersteht der Vergütungsanspruch jedoch einer Ausschlussfrist. Diese Frist hatte der Kläger versäumt, sodass die Beklagte der Auffassung war, dass kein Anspruch auf Vergütung mehr gegen sie bestünde. Der Kläger hielt dagegen, dass er keine Kenntnis über die vereinbarte Ausschlussfrist hatte und somit der Vergütungsanspruch nicht erloschen sei.

Die Entscheidung:

Das Gericht hat festgestellt, dass der Vergütungsanspruch des Klägers gegen die Beklagte aufgrund der vereinbarten Ausschlussfrist erloschen ist. Die Unkenntnis einer Partei über eine Ausschlussfrist hat keine Unwirksamkeit der Frist zur Folge. Es kann jedoch ein Schadensersatzanspruch bestehen, wenn die Unkenntnis darauf beruht, dass der/die Arbeitgeber:in seiner/ihrer Nachweispflicht aus § 2 Absatz 1 Satz 1 NachwG nicht nachgekommen ist. Arbeitgeber:innen haben die Pflicht zum Nachweis der Ausschlussfrist spätestens innerhalb eines Monats nach Beginn des Arbeitsverhältnisses.

Entscheidend ist, dass das unterlassene Nachweisen der Ausschlussfrist durch den/die Arbeitgeber:in kausal für das Versäumen der Ausschlussfrist war. Es ist dann anzunehmen, dass bei Kenntnis des/der Arbeitnehmers:in die Ausschlussfrist durch diese/n eingehalten worden wäre. Dies gilt jedoch nur für Ansprüche, die dem/der Arbeitnehmer:in bekannt sind. Nur dann ist nach Aussage des Gerichts davon auszugehen, dass wäre der/die Arbeitgeber:in seiner/ihrer Nachweispflicht nachgekommen, der/die Arbeitnehmer:in seinen/ihren Anspruch vor Ablauf der Ausschlussfrist durchgesetzt hätte.

Im vorliegenden Fall war das Versäumnis des Arbeitgebers seiner Nachweispflicht aus § 2 Absatz 1 Satz 1 NachwG nachzukommen jedoch nicht kausal für den Verfall der Vergütungsansprüche. Selbst wenn der Arbeitgeber seiner Nachweispflicht nachgekommen wäre, hätte der Arbeitnehmer die Frist versäumt, da er keine Kenntnis über den Vergütungsanspruch hatte. Weist der/die Arbeitgeber:in eine Ausschlussfrist nicht nach, ist grundsätzlich zu vermuten, dass der/die Arbeitnehmer:in die Frist im Falle eines Hinweises beachtet hätte. Die Vermutung aufklärungsgemäßen Verhaltens reicht allerdings nicht so weit, dass angenommen werden kann, der/die Arbeitnehmer:in hätte ihm/ihr nicht bekannte Ansprüche rechtzeitig vor Ablauf der Ausschlussfrist geltend gemacht. Denn Ansprüche, die dem/der Arbeitnehmer:in nicht bekannt sind, hätte diese/r auch in Kenntnis der Ausschlussfrist nicht rechtzeitig geltend machen können.

Der Anspruch des/der Arbeitnehmers:in besteht in der Höhe des durch den/die Arbeitgeber:in kausal verursachten Schadens. Erlischt also ein Vergütungsanspruch des/der Arbeitnehmers:in besteht der Schadenersatzanspruch in Höhe des erloschenen Vergütungsanpruchs, soweit dieser nur wegen der Versäumung der Ausschlussfrist erloschen ist und bei gesetzmäßigem Nachweis seitens des/der Arbeitgebers:in nicht untergegangen wäre.

Fazit:

Durch das Urteil wird deutlich, dass bei Versäumnis der Nachweispflicht dies über eine etwaige Verhängung eines Bußgeldes hinaus Folgen für Arbeitgeber:innen haben kann. Daher sollten Arbeitgeber:innen ihrer Nachweispflicht nachkommen, um nicht etwaigen Schadensersatzklagen ausgesetzt zu sein. Der/Die Arbeitgeber:in sollte überprüfen, ob sie mit den im Unternehmen verwendeten Arbeitsvertragsmustern den Anforderungen der Nachweispflicht genügen. Sollte dies nicht der Fall sein, ist zu empfehlen, die Verträge entsprechend zu überarbeiten. Für bestehende Arbeitsverträge besteht die Möglichkeit für Arbeitgeber:innen ihrer Nachweispflicht zu genügen, indem er/sie dem/der Arbeitnehmer:in ein informatorisches Schriftstück aushändigt, das die wesentlichen Vertragsbedingungen enthält, soweit diese im Arbeitsvertrag noch nicht verschriftlicht wurden.