Prognoseentscheidungen der Behörden bei Mietwagenunternehmen stellen einen Eingriff in die Berufsfreiheit nach Art. 12 GG dar. Daher reicht es nicht aus, dass die Behörde bloße Zweifel oder Verdachtsmomente anführt.
Die zuständigen Behörden haben vor Erteilung einer Genehmigung für Mietwagenunternehmen (für die etwa UBER, Bolt oder Bliq die Plattform bieten) eine Prognose darüber anzustellen, wie zuverlässig der Unternehmer ist. Um dies beurteilen zu können, lassen sich die Behörden u. a. Übersichten über die finanzielle Leistungsfähigkeit des Unternehmens oder Gründungskalkulationen vorlegen. So weit, so gut. Denn die Prüfung der finanziellen Leistungsfähigkeit und die Überprüfung der Zuverlässigkeit des Unternehmers ist gesetzliche Vorgabe:
Die Genehmigung darf nur erteilt werden, wenn
- die Sicherheit und die Leistungsfähigkeit des Betriebs gewährleistet sind,
- keine Tatsachen vorliegen, die die Unzuverlässigkeit des Antragstellers als Unternehmer oder der für die Führung der Geschäfte bestellten Personen dartun,
Zu Konflikten mit dem Grundrecht auf Berufsfreiheit kommt es aber dann, wenn die Behörde anhand von Finanzübersichten und prognostizierten Ein- und Ausgaben zu dem Schluss kommt, dass das Unternehmen – nach Ansicht der Behörde – wahrscheinlich nicht genug Einnahmen erzielen werde und somit nicht die nötige Zuverlässigkeit besitze. In vielen Fällen geht die Behörde mit ihrem Blick in die Glaskugel sogar noch weiter. Seitens der Behörden wird nicht selten unterstellt, dass
„es nicht ausgeschlossen sei, dass das Unternehmen aufgrund fehlender finanzieller Leistungsfähigkeit künftig gegen arbeits- und sozialrechtliche Vorschriften verstoßen oder ihre abgabenrechtlichen Pflichten nicht ordnungsgemäß erfüllen werde“,
oder
„Ebenso ergeben sich Zweifel, ob die arbeits- oder sozialrechtlichen Pflichten, insbesondere der Vorschriften über die Lenk- und Ruhezeiten des Fahrpersonals eingehalten werden können“.
Aber wie verträgt sich eine solche Prognoseentscheidung eigentlich mit dem Grundrecht auf Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG?
Das Grundrecht der Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG schützt sowohl die freie Berufswahl als auch die Ausübung des Berufs. Eine Entscheidung, die eine Genehmigung verweigert, hat faktisch die gleiche Wirkung wie ein Berufsverbot. Solche Eingriffe dürfen grundsätzlich nur vorgenommen werden, wenn sie zum Schutz überragend wichtiger Gemeinschaftsgüter erforderlich sind. In concreto bedeutet dies, dass die Behörde besonders hohe Anforderungen an die Begründung und Rechtfertigung der Entscheidung stellen muss.
Das Oberverwaltungsgericht Münster hat in seinem Beschluss vom 30.4.2008 (Az. 13 A 8/07) klargestellt, dass Prognoseentscheidungen, die in das Grundrecht auf Berufsfreiheit eingreifen, nur dann zulässig sind, wenn sie auf fundierte Tatsachengrundlagen gestützt werden und nicht lediglich auf bloße Zweifel oder Vermutungen basieren.
„Nach diesen Kriterien und unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck sowie der Zielrichtung der einschlägigen Bestimmungen ist die prognostische Einschätzung, der Kläger sei als Unternehmer unzuverlässig i. S. d. § 13 Abs. 1 Satz 1 PBefG, nach Auffassung des Senats nicht gerechtfertigt. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Versagung einer Genehmigung (hier für den Betrieb einer Taxe) ebenso wie ein Berufsverbot tief in das Recht der freien Berufswahl und zugleich in die private und familiäre Existenz eingreift und solche Einschränkungen verfassungsrechtlich nur zulässig sind, wenn und solange sie zum Schutz besonders wichtiger Gemeinschaftsgüter notwendig sind.“
Die Rechtsprechung fordert daher bei der Prüfung der Zuverlässigkeit einen strengen Maßstab.
Ein solcher strenger Maßstab ist dabei nicht nur reine Rechtsfortbildung, sondern ergibt sich auch bereits aus dem Wortlaut des § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 d) PBZugV:
„Anhaltspunkte für die Unzuverlässigkeit des Unternehmers oder der für die Führung der Geschäfte bestellten Person sind insbesondere schwere Verstöße gegen die abgabenrechtlichen Pflichten, die sich aus unternehmerischer Tätigkeit ergeben“.
Demnach muss feststehen, dass schwere Verstöße gegen abgabenrechtliche Pflichten begangen wurden. Ein bloßer Verdacht oder allgemeine Zweifel reichten hierbei nicht aus. So sieht es auch das Verwaltungsgericht Stuttgart in seinem Urteil vom 27.2.2019 (Az. 8 K 10743/18):
„Da die Versagung einer Genehmigung ebenso wie ein Berufsverbot tief in das Recht der freien Berufswahl und zugleich in die private und familiäre Existenz eingreift und solche Einschränkungen verfassungsrechtlich nur zulässig sind, wenn und solange sie zum Schutz besonders wichtiger Gemeinschaftsgüter notwendig sind.“
Die Versagung von Genehmigungen zur Ausübung eines Mietwagengewerbes zur Personenbeförderung im Rahmen behördlicher Prognoseentscheidungen mit der Begründung, weil wohl vermutlich gegen abgaberechtliche Vorschriften verstoßen werde oder weil ein prognostizierter Gewinn nicht ausreichend sei, um die finanzielle Leistungsfähigkeit sicherzustellen ist rechtswidrig und mit dem Recht auf Berufsfreiheit aus Art. 12 GG nicht zu vereinbaren.