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Der BGH hat in seinem Urteil vom 23.5.2023 über Auslistungsbegehren gegen den Internet-Suchdienst von Google entschieden, dass der Betreiber der Suchmaschine verpflichtet ist einem Auslistungsantrag stattzugeben, wenn der Antragsteller nachweist, dass die in dem aufgelisteten Inhalt enthaltenen Informationen offensichtlich unrichtig sind. (BGH, Urteil vom 23.5.2023, Az.: VI ZR 476/18; Pressemitteilung des BGH vom 23.5.2023 https://www.bundesgerichtshof.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2023/2023084.html)

I. Hintergrund

1. Sachverhalt

Dem Urteil liegt ein Rechtsstreit über Auslistungsbegehren gegen den Internet-Suchdienst von Google zugrunde. Der Kläger ist für verschiedene Gesellschaften, die Finanzdienstleistungen anbieten, in verantwortlicher Position tätig oder an ihnen beteiligt. Bei der Klägerin handelt es sich um seine Lebensgefährtin und Prokuristin einer dieser Gesellschaften. Die Kläger wehren sich gegen mehrere Artikel, wovon eines auch Fotos der Kläger enthielt, die auf der Webseite eines US-amerikanischen Unternehmens erschienen sind und sich kritisch mit dem Anlagenmodell einzelner dieser Gesellschaften beschäftigen. Ziel des Unternehmens sei es nach eigenen Angaben, durch aktive Aufklärung und Transparenz nachhaltig zur Betrugsprävention in Wirtschaft und Gesellschaft beizutragen“. Über das Geschäftsmodell der Betreiberin der Webseite wurde seinerseits kritisch berichtet, u.a. mit dem Vorwurf, sie versuche, Unternehmen zu erpressen, indem sie zunächst negative Berichte veröffentliche und danach anbiete, gegen ein sog. Schutzgeld die Berichte zu löschen bzw. die negative Berichterstattung zu verhindern. Die Kläger machen geltend, ebenfalls erpresst worden zu sein. Sie begehren von der Beklagten als der Verantwortlichen für die Internetsuchmaschine „Google“, es zu unterlassen, die genannten Artikel bei der Suche nach ihren Namen und den Namen verschiedener Gesellschaften in der Ergebnisliste nachzuweisen und die Fotos von ihnen als Vorschaubilder („thumbnails“) anzuzeigen. Die Beklagte habe ihrerseits erklärt, die Wahrheit der in den verlinkten Inhalten aufgestellten Behauptungen nicht beurteilen zu können.

Zu der Entscheidung des BGH liegt die Begründung noch nicht vor.

2. Prozessverlauf

Zunächst hatte das LG Köln die Klage abgewiesen (LG Köln, Urteil vom 22.11.2017, Az.: 28 O 492/15) und auch die daraufhin folgende Berufung blieb ohne Erfolg (OLG Köln, Urteil vom 8.11.2018, Az.: 15 U 178/17). In der Folgezeit hatte der BGH das Verfahren mit Beschluss vom 27.7.2020 (BGH, Beschluss vom 27.7.2020, Az.: VI ZR 476/18) zunächst ausgesetzt und dem EuGH zwei Fragen zur Auslegung von Art. 17 Abs. 1 DSGVO zur Vorabentscheidung vorgelegt.  Der EuGH beantwortete diese Fragen mit Urteil vom 8.12.2022 (EuGH, Urteil vom 8.12.2022, Az.: C-460/20).

Nach Auffassung des EuGH hänge die Auslistung zunächst nicht davon ab, dass die Frage der Richtigkeit des aufgelisteten Inhalts im Rahmen eines von dieser Person gegen den Inhalteanbieter eingelegten Rechtsbehelfs einer zumindest vorläufigen Klärung zugeführt worden ist. Vielmehr sei der Betreiber der Suchmaschine verpflichtet einem Auslistungsantrag stattzugeben, wenn die eine Auslistung begehrende Person relevante und hinreichende Nachweise vorlege, die ihren Antrag zu stützen vermögen und belegen, dass die in dem aufgelisteten Inhalt enthaltenen Informationen offensichtlich unrichtig seien oder zumindest ein für diesen gesamten Inhalt nicht unbedeutender Teil dieser Informationen offensichtlich unrichtig sei.

Hinsichtlich der Vorschaubilder sei dem Informationswert dieser Fotos – unabhängig vom Kontext ihrer Veröffentlichung auf der Internetseite, der sie entnommen sind, aber unter Berücksichtigung jedes Textelements, das mit der Anzeige dieser Fotos in den Suchmaschinen unmittelbar einhergeht und Aufschluss über den Informationswert dieser Fotos geben kann – Rechnung zu tragen.

II. Die Entscheidung des BGH

Nach Beantwortung der Fragen durch den EuGH setzte der BGH die mündliche Verhandlung fort. Im Ergebnis war die Revision nur teilweise erfolgreich. Bezüglich der beanstandeten Verweise auf die genannten Artikel habe der BGH die klagabweisenden Entscheidungen der Vorinstanzen bestätigt. Nach Auffassung des BGH fehle es bei einem Artikel bereits an dem notwendigen Bezug zu der Person des Klägers. In Bezug auf die beiden anderen Artikel sollen die Kläger gegenüber der Beklagten den erforderlichen Nachweis darüber, dass die dort enthaltenen Informationen offensichtlich unrichtig sind, nicht erbracht haben.  In Bezug auf die Vorschaubilder hatte die Revision der Kläger hingegen Erfolg. Der BGH verpflichtete die Beklagte zur Auslistung der Vorschaubilder in der beanstandeten Form. Die Anzeige der für sich genommen nicht aussagekräftigen Fotos der Kläger als Vorschaubilder ohne jeden Kontext sei nicht gerechtfertigt.