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Der BGH hat am 18.06.2025 (Az. I ZR 82/24) ein Urteil zur Auskunftspflicht des entgeltlichen Lizenznehmers gegenüber dem Urheber nach § 32d UrhG erlassen. Dabei betont der BGH, dass der Entfall der Auskunftspflicht wegen eines „nachrangigen Beitrags“ maßgeblich von der werblichen Bedeutung des Werks für den Produktabsatz abhängt.

Sachverhalt

Der Kläger – ein Berufsfotograf – fotografierte am 29. Juli 2011 im Auftrag der Beklagten deren Geschäftsführerin. Für das gesamte Shooting stellte er 180 € in Rechnung. Die Beklagte schnitt aus einem der Bilder ein Portrait aus, ergänzte Namen und Unterschrift der Geschäftsführerin und brachte das Motiv auf die Verpackungen von circa 25 Produktkategorien ihrer Nahrungsergänzungsmittel an, die sie sowohl im eigenen Online-Shop als auch über einen Teleshopping-Sender und weitere Händler vertrieb. Nach Darstellung des Fotografen war die Aufnahme ursprünglich lediglich für einen Trainingsplan gedacht; eine extensive Nutzung auf Verpackungen sei bei Vertragsschluss nicht absehbar gewesen.

Seit 2016 forderte der Kläger deshalb gestützt auf § 32a UrhG (angemessene Nachvergütung) sowie § 32d UrhG (jährliche Auskunft) detaillierte Angaben zu sämtlichen Verwertungen, um seine Honorarforderung neu berechnen zu können.

Rechtliche Maßstäbe

  • 32d UrhG verpflichtet den Verwerter, dem Urheber mindestens einmal jährlich über Art, Umfang, Erträge und Vorteile der Werknutzung Auskunft zu erteilen. Die Auskunftspflicht entfällt allerdings, wenn der Beitrag des Urhebers lediglich „nachrangig“ ist (§ 32d Abs. 2 Nr. 1 UrhG). Das ist der Fall, wenn der Beitrag des Urhebers den Gesamteindruck eines Werkes oder die Beschaffenheit eines Produktes oder einer Dienstleistung wenig prägt, etwa weil er nicht zum typischen Inhalt eines Werkes, eines Produktes oder einer Dienstleistung gehört. Ein solcher Ausschluss greift jedoch nicht, wenn der Urheber konkrete Anhaltspunkte für eine notwendige Vertragsanpassung nach § 32 a UrhG darlegt.
  • 32a UrhG verleiht dem Urheber einen Anspruch auf weitere angemessene Beteiligung durch Vertragsanpassung, wenn die vereinbarte Vergütung nachträglich unverhältnismäßig niedrig im Vergleich zu den Erträgen des Verwerters steht. Zur Feststellung dieses Missverhältnisses sind zunächst Vergütung und Erträge zu ermitteln und sodann die ex-post-angemessene Vergütung anhand des tatsächlichen Nutzungsumfangs zu bestimmen. Eine unverhältnismäßig niedrige Vergütung ist in der Regel anzunehmen, wenn die vereinbarte Vergütung weniger als die Hälfte der angemessenen Vergütung betragen würde.

Der BGH bestätigte den Auskunftsanspruch. Das Portraitfoto stelle insbesondere keinen nachrangigen Beitrag gemäß § 32d Abs. 2 Nr. 1 UrhG dar, weil es die Wiedererkennbarkeit der gesamten Produktlinie prägt und als Marketinginstrument absatzrelevant ist. Die Produkte würden unter anderem im Teleshopping von der abgebildeten Geschäftsführerin selbst präsentiert; das Bild ermögliche den Zuschauern eine direkte visuelle Verbindung zwischen Person und Produkt. Ökonomisch bedeutsam sei zudem, dass das Foto auf 25 bis 23 Produktkategorien in verschiedenen Webshops auftauche – ein großflächiger Einsatz, der eine bloß untergeordnete Leistung ausschließe.

Im Hinblick auf einen möglichen Nachvergütungsanspruch gemäß § 32 a UrhG hielt der Senat die Annahme einer Unverhältnismäßigkeit der Vergütung für plausibel. Ein einzelnes Produktfoto werde im Stock-Markt bereits mit ca. 80 € bewertet; bezogen auf tausendfache Verpackungsnutzung übersteige der objektive Wert die gezahlten 180 € um ein Vielfaches. Daraus folgt auch ein Auskunftsanspruch nach § 32 d UrhG.

Praxishinweis

Werden Fotos – insbesondere Personenbilder – später in größerem Umfang oder zu zentralen Werbezwecken eingesetzt, eröffnet § 32d UrhG den Urhebern ein starkes Instrument, jährlich Transparenz über die Nutzung zu verlangen. Ein „nachrangiger Beitrag“ liegt kaum vor, wenn das Bild den Wiedererkennungswert eines ganzen Produktsortiments prägt. Kreative sollten in Lizenzverträgen eindeutige Nutzungszwecke, -wege und eine Nachvergütungsklausel festschreiben, um Streit zu vermeiden.

Hersteller und Händler, die Fotos von Personen oder Testimonials auf Verpackungen, Websites oder im Teleshopping einsetzen, sollten Lizenzvereinbarungen sorgfältig dokumentieren und regelmäßig evaluieren. Eine Einmalvergütung im niedrigen dreistelligen Bereich birgt ein erhebliches Nachvergütungsrisiko, wenn das Bild verkaufsfördernd wirkt. Zudem ist es ratsam, Auskunftssysteme einzurichten, um den jährlichen Transparenzpflichten nachzukommen und ungerechtfertigte Prozesskosten zu vermeiden.

Mit diesem Urteil rückt der BGH die ökonomische Funktion kreativer Beiträge ins Zentrum. Wer ein Bild zum Aushängeschild seiner Produkte macht, muss nicht nur angemessen zahlen, sondern auch offenlegen, wie stark es sich auszahlt.