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Die Diskussion um einen Mindesttarif für Fahrten mit Plattformen wie Uber oder Bolt nimmt in Berlin zunehmend an Fahrt auf. Während die Einführung eines solchen Tarifs auf den ersten Blick nach einem Rückschlag für die Mietwagenbranche klingt, könnte sie auch neue Chancen eröffnen.

Hintergrund ist das Personenbeförderungsgesetz (PBefG), das strenge Voraussetzungen für die Einführung eines Mindesttarifs vorsieht. § 51a PBefG erlaubt einen Mindesttarif nur, wenn dies zum Schutz des öffentlichen Verkehrsinteresses erforderlich ist. Doch was bedeutet das konkret für die Mietwagenbranche?

Bereits erste Urteile zu diesem Thema zeigen, dass die Umsetzung von Mindesttarifen rechtlich problematisch sein kann. So urteilte das VG Leipzig Ende 2024 (Urteil vom 15.11.2024, Az. 1 K 311/23), dass die Einführung eines Mindesttarifs in der Stadt Leipzig in rechtswidriger Weise erfolgte. So wollte die Stadt Leipzig für Mietwagen einen Mindesttarif einführen, der über denen von Taxis lag. Hierin sah das VG Leipzig ganz klar eine Benachteiligung, für die es keinen sachlichen Grund gibt.

Nun prüft der Berliner Senat derzeit die Einführung eines Mindesttarifs für Mietwagenunternehmen.

Was sich auf dem ersten Blick nach einem großen Schock für die Mietwagen-Branche anhört, birgt aber auch Chancen.

Denn sollte ein Mindesttarif eingeführt werden, stellt sich zwangsläufig die Frage, worin dann überhaupt noch der Unterschied zwischen Taxi- und Mietwagenunternehmen bestünde. Müsste in diesem Fall nicht eine vollständige Gleichstellung beider Branchen erfolgen?

Ein Blick in die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) aus dem Jahr 2018 liefert hierzu eine klare Richtung:

„Danach dient die gesetzliche Abgrenzung der Berufsbilder des Mietwagen- und Taxiunternehmers dem Schutz der Existenz- und Funktionsfähigkeit des Taxenverkehrs, an dem ein wichtiges Interesse der Allgemeinheit besteht. […]“
Mietwagen seien im Gegensatz zu Taxen nicht an festgelegte Tarife gebunden, sondern könnten das Beförderungsentgelt frei vereinbaren
(BGH, Urteil vom 13.12.2018 – I ZR 3/16)

Der Bundesgerichtshof vertritt somit die Auffassung, dass der wesentliche Unterschied zwischen Taxis und Mietwagen in der freien Vereinbarkeit von Beförderungsentgelten liegt und sich somit die Privilegierung von Taxis rechtfertige.

Wird nun ein Mindesttarif eingeführt, entfällt genau dieses Unterscheidungsmerkmal. Die Grenze zwischen Taxis und Mietwagenunternehmen verschwimmt. Damit stellt sich die Frage, ob die bestehende Benachteiligung für Mietwagenunternehmer, insbesondere die Rückkehrpflicht nach § 49 PBefG, noch gerechtfertigt ist. Konkret: ist § 49 Abs. 4 S. 3 PBefG überhaupt noch verfassungskonform?

Nach geltendem Recht dürfen Mietwagenunternehmen wegen der Rückkehrpflicht nach § 49 Abs. 4 S. 3 PBefG nach einem abgeschlossenen Auftrag auf dem Rückweg keine Fahrgäste aufnehmen. Stattdessen müssen sie ohne Passagiere zu ihrem Ausgangspunkt oder zu einem vorgesehenen Abstellort zurückkehren. Eine Ausnahme besteht nur, wenn bereits vorab ein neuer Auftrag eingeht.

„Nach Ausführung des Beförderungsauftrags hat der Mietwagen unverzüglich zum Betriebssitz zurückzukehren, es sei denn, er hat vor der Fahrt von seinem Betriebssitz oder der Wohnung oder während der Fahrt einen neuen Beförderungsauftrag erhalten.“
(§ 49 Abs. 4 S. 3 PBefG)

Auch mit Blick auf die aktuelle Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) steht diese Regelung zunehmend unter Druck. In seinem Urteil vom 8.6.2023 (C-50/21 – „Prestige and Limousine”) hat der EuGH klargestellt, dass eine Ungleichbehandlung von Mietwagen- und Taxiunternehmen nicht ohne weiteres zulässig ist. Zumindest rein wirtschaftliche Argumente und der Schutz der Taxi-Branche reichen nicht aus, um eine Ungleichbehandlung zu rechtfertigen.

Der Mindesttarif wirft zwar überwiegend einen großen Schatten auf, bietet jedoch zugleich die Chance, die bereits ohnehin brüchige Mauer der Ungleichbehandlung zwischen Taxi- und Mietwagenunternehmen endgültig zu durchbrechen. Angesichts der genannten Urteile bleiben dem Gesetzgeber wohl nur noch wenige Auswege, um die bestehende Differenzierungen aufrechtzuerhalten.