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Mit Urteil vom 07.11.2024 hat das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg (Az. 17 Sa 2/24) entschieden, dass Bezeichnungen in einer Stellenanzeige wie „Digital Native“, „Teambuddy“ oder „dynamisch“ eine Altersdiskriminierung darstellen können.

Hintergrund

Im April 2023 schrieb ein Handelsunternehmen auf zahlreichen Internetplattformen eine Stelle aus, in dessen Stellenausschreibung es unter der Überschrift „WIR LIEBEN“ u. a. wie folgt hieß:

„Als Digital Native fühlst Du Dich in der Welt der Social Media, der Datengetriebenen PR, des Bewegtbilds und allen gängigen Programmen für DTP, CMS, Gestaltung und redaktionelles Arbeiten zu Hause. Du bist ein absoluter Teambuddy…“

Unter der Überschrift „WIR BIETEN“ schrieb das Handelsunternehmen:

„Miss dich mit interessanten und herausfordernden Aufgaben in einem dynamischen Team mit attraktiver Vergütung und Chancen zur beruflichen Entwicklung“.

Auf diese Stelle bewarb sich ein im Jahr 1972 geborener Diplom-Wirtschaftsjurist. Nachdem ihm das Unternehmen eine Absage erteilte, machte der Bewerber einen Entschädigungsanspruch in Höhe von 37.500 €, was fünf Monatsgehältern entspricht, erfolglos geltend.

Daraufhin erhob er vor dem Arbeitsgericht Heilbronn Klage auf Zahlung einer Entschädigung in dieser Höhe. Der Kläger ist der Auffassung, dass die Ablehnung seiner Bewerbung auf einer Benachteiligung wegen seines Alters beruhe. Die Beklagte habe mit dem Anforderungsprofil ihrer Stellenausschreibung, die nach „Digital Natives“ (dt.: „digitale Ureinwohner“) suche, gegen § 11 AGG verstoßen. Unter „Digital Native“ falle die Generation, die von Kindesalter an in der digitalen Welt, also mit Computern und Internet, aufgewachsen sei. Dazu zähle die Altersgruppe ab dem Jahrgang 1980 und er somit nicht. Durch den Begriff „Digital Native“ in der Stellenausschreibung habe die Beklagte direkt auf das Merkmal „Alter“ abgestellt und ihn somit diskriminiert.

Die Beklagte beantragte, die Klage abzuweisen, da der Kläger bereits keine ausreichenden Indizien für eine unmittelbare Benachteiligung i.S.d. § 3 Abs. 1 AGG dargelegt habe. Zudem sei der Kläger für die ausgeschriebene Position als Sachbearbeiter überqualifiziert. Das Alter des Klägers habe keine Rolle gespielt, zumal der Begriff der „Digital Native“ wissenschaftlich nicht streng definiert sei. Die Stellenausschreibung habe nur zum Ausdruck gebracht, welche Eigenschaften gesucht werden und nicht, dass die Beklagte einen „Digital Native“ an sich suche.

Das ArbG Heilbronn  hatte der Klage teilweise stattgegeben und die Beklagte zur Zahlung einer Entschädigung in Höhe von 7.500 € nebst Zinsen verurteilt.

Die Beklagte legte daraufhin Berufung beim LAG Baden-Württemberg ein.

Die Entscheidung des LAG

Das LAG Baden-Württemberg ist der Auffassung des Arbeitsgerichtes Heilbronn gefolgt und hat die Berufung der Beklagten überwiegend zurückgewiesen: Dem Kläger stehe ein Entschädigungsanspruch gem. § 15 Abs. 2 AGG zu, weil er wegen seines Alters und somit wegen eines Grundes gem. § 1 AGG nach §§ 7 Abs. 1, 11 AGG unmittelbar benachteiligt wurde.

Das LAG nimmt an, dass der Kläger ausreichend Indizien vorgetragen habe, die eine unzulässige Benachteiligung wegen seines Alters vermuten lassen. Anknüpfungspunkt dafür ist die Stellenausschreibung: Das Kriterium „Digital Native“ knüpfe nach Auffassung der Berufungskammer unmittelbar an das Alter der Bewerber an. Dieser Begriff sei ursprünglich von Marc Prensky im Jahr 2001 geprägt worden, um die Generation von Menschen zu beschreiben, die mit digitalen Technologien aufgewachsen ist und sie der Generation der sog. „Digital Immigrants“ gegenüberzustellen – also jener, die nicht mit diesen Technologien groß geworden ist. Neben Mark Prensky wird auch vom Duden und Wikipedia bei der Definition des Begriffs nicht auf besondere Fähigkeiten abgestellt, sondern vor allem darauf, dass „Digital Natives“ von Kindesbeinen an mit der digitalen Welt vertraut sind, weil sie dort hinein geboren wurden. Ein Generationsbezug könne dem Begriff daher nicht abgesprochen werden. Der 1972 geborene Kläger sei daher nicht zu den „Digital Natives“ zu zählen.

Zudem spreche auch die Bezeichnung in der Ausschreibung „Teambuddy“ dafür, dass sich die Stellenanzeige an jüngere Bewerber richtet. Auch sei die Bezeichnung „dynamisch“ eine Eigenschaft, die eher jüngeren als älteren Menschen zugeschrieben werde. Die Ansprache sowie die verwendeten Adjektive würden sich aus Sicht eines objektiven Lesers des Stellenprofils, dessen Verständnis maßgeblich sei, eher an jüngere als an ältere Bewerber richten.

Die Bemühungen der Beklagten, die nach § 22 AGG bestehende Vermutung einer unmittelbaren Benachteiligung des Klägers wegen seines Alters zu widerlegen, blieben erfolglos.

In Übereinstimmung mit dem Arbeitsgericht hielt die Kammer unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls eine Entschädigung in Höhe von 7.500 € nebst Zinsen für angemessen.

Praxishinweis

Bei der Durchführung eines Bewerbungsprozesses sollten grundsätzlich das Vorgehen sowie die Auswahlmerkmale protokolliert werden. Eine lückenlose Dokumentation ist geeignet, die Vermutung zu widerlegen, ein Bewerber sei wegen eines Grundes nach § 1 AGG benachteiligt worden.

Eine sorgfältige Formulierung von Stellenanzeigen ist entscheidend für ein rechtssicheres und faires Auswahlverfahren. Begriffe wie „Digital Native“, „Teambuddy“ oder „dynamisch“ wirken auf den ersten Blick modern und ansprechend, können jedoch unbewusst stereotype Altersbilder bedienen und damit eine Diskriminierung darstellen. Arbeitgeber sollten bei der Erstellung von Stellenprofilen daher darauf achten, neutrale Formulierungen zu verwenden, die sich auf fachliche Kompetenzen und objektive Anforderungen beziehen.

Idealerweise wird jede Anzeige vor Veröffentlichung auf AGG-Konformität geprüft – im Zweifel auch juristisch.