Mit Urteil vom 23.10.2025 hat das BAG entschieden, dass eine Arbeitnehmerin im Rahmen einer Equal Pay-Klage zum Vergleich auch das Gehalt eines männlichen Spitzenverdieners heranziehen kann und nicht die Medianentgelte entscheidend sind. Damit schärft das BAG den Rechtsschutz bei Entgeltgleichheitsklagen spürbar.
Hintergrund
Die Klägerin fordert von ihrer Arbeitgeberin eine rückwirkende finanzielle Gleichstellung mit männlichen Kollegen, basierend auf Angaben eines Entgelttransparenz-Dashboards im Intranet des beklagten Unternehmens. Sie argumentiert, dass das Einkommen der männlichen Vergleichspersonen über dem Medianentgelt der männlichen Kollegen auf derselben Hierarchieebene liege. Die Arbeitgeberin erwiderte, dass die Vergleichspersonen nicht die gleiche Arbeit verrichteten und die Entgeltunterschiede auf Leistungsmängeln der Klägerin beruhten, weshalb diese auch unterhalb des Medianentgelts der weiblichen Vergleichsgruppe vergütet werde.
Das Landesarbeitsgericht wies die Klage ab, da die Klägerin keine ausreichenden Beweise für eine geschlechtsbedingte Benachteiligung vorlegte. Zugesprochen wurde der Klägerin allerdings eine Anpassung an das Medianentgelt der männlichen Vergleichsgruppe.
Die Entscheidung des BAG
Das BAG stimmt der vorinstanzlichen Entscheidung des LAG nicht zu und hebt diese teilweise auf:
Für die Vermutung einer Entgeltbenachteiligung wegen des Geschlechts reiche es aus, wenn eine Beschäftigte darlegt, dass ein einzelner männlicher Kollege in vergleichbarer Position für gleiche oder gleichwertige Arbeit ein höheres Entgelt erhält. Eine „überwiegende Wahrscheinlichkeit“ für eine geschlechtsbedingte Benachteiligung sei, anders als es das LAG annimmt, gerade nicht erforderlich. Dabei spiele die Größe der Vergleichsgruppe für das Eingreifen der Vermutungswirkung keine Rolle.
Es genüge die Benennung eines einzelnen, besser vergüteten Vergleichskollegen, um die Beweislastumkehr des § 22 AGG auszulösen, was dazu führt, dass Arbeitgeber substantiiert darlegen und beweisen müssen, dass sachliche, geschlechtsneutrale Gründe die Entgeltdifferenz rechtfertigen.
Das Verfahren wurde an das LAG zurückverwiesen, um zu prüfen, ob der Arbeitgeber die Vermutung der geschlechtsbedingten Entgeltbenachteiligung entkräften kann.
Handlungsempfehlung: Entgeltstruktur überprüfen!
Der Prüfungsdruck auf Arbeitgeber steigt durch die Entscheidung des BAG erheblich. Entgeltstrukturen und Differenzierungsgründe sollten in jedem Falle lückenlos und klar dokumentiert, konsistent angewandt und im Streitfall überzeugend darstellbar sein. Auch führt die Ausweitung der Vergleichsebene dazu, dass Arbeitgeber nicht wie bisher nur die Median- oder Durchschnittsentgelte zu berücksichtigen haben, sondern jeder direkte Vergleich zu einzelnen Arbeitnehmern möglich ist (sog. Paarvergleich).
Umso wichtiger ist es daher objektive Kriterien für Grundgehälter und auch für variable Bestandteile zu definieren (z. B. Anforderungsniveau, Verantwortungsumfang, Qualifikation, Berufserfahrung, individuelle Zielerreichung) und umzusetzen. Dabei ist festzulegen wie diese Kriterien gemessen und gewichtet werden. Nur so kann es Arbeitgebern gelingen, ihre Entscheidung im Rahmen der Beweislastumkehr zu rechtfertigen.