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Wer haftet eigentlich, wenn ein urheberrechtlich geschütztes Werk widerrechtlich auf einer Online-Plattform hochgeladen wird? Der Generalanwalt Saugmandsgaard Øe ist der Meinung, dass der Betreiber einer Online-Plattform nicht unmittelbar für widerrechtlich hochgeladene Werke haften soll. Dies wurde am 16. Juli 2020 in der Pressemitteilung Nr. 96/20 des Gerichtshofes der Europäischen Union veröffentlicht.

Im Jahr 2019 trat die Richtlinie 2019/790 über das Urheberrecht und die verwandten Schutzrechte im digitalen Binnenmarkt in Kraft.[1] Diese soll vor allem dem Schutz der Urheberrechte dienen. Unter anderem verpflichtet sie die Betreiber von Plattformen dazu, dass die Plattform-Nutzer die Zustimmung der Rechtsinhaber von hochgeladenen Werken einholen. Um diesen Schutz zu gewährleisten, haben die Mitgliedstaaten bis zum 7. Juni 2021 für deren Umsetzung ins nationale Recht zu sorgen.

 

[1]      Richtlinie (EU) 2019/790 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. April 2019 über das Urheberrecht und die verwandten Schutzrechte im digitalen Binnenmarkt und zur Änderung der Richtlinien 96/9/EG und 2001/29/EG

Zurzeit befinden sich zwei Fälle beim Bundesgerichtshof (BGH) in Deutschland. Dabei handelt es sich einerseits um den Fall (Rs. C-682/18), wo der Musikproduzent, Frank Peterson gegen YouTube und deren Muttergesellschaft Google vorgeht. Der Grund dafür ist, dass YouTube-Nutzer ohne seine Erlaubnis, mehrere seiner Tonträger hochgeladen haben. Der zweite Fall (Rs. C-683/18) betrifft die Verlagsgruppe Elsevier sowie die Sharehosting-Plattform Uploaded. Auf dieser Plattform wurden nämlich verschiedene Werke, an denen Elsevier über die ausschliesslichen Rechte verfügt, ohne ihre Erlaubnis hochgeladen. Nun hat der Bundesgerichtshof für diese Rechtssachen mehrere Fragen zur Vorabentscheidung beim Gerichtshof der Europäischen Union vorgebracht. Dies geschah, weil die genannte Richtlinie 2019/790 noch nicht anwendbar ist und es einer Klärung der Haftung nach den noch geltenden Richtlinien 2000/31 über den elektronischen Geschäftsverkehr [2], 2001/29 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft [3] und 2004/48 zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums [4] bedarf.

 

[2]      Richtlinie 2000/31/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt

[3]      Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft

[4]      Richtlinie (EU) 2004/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums

Generalanwalt Saugmandsgaard Øe unterbringt dem Gerichtshof der Europäischen Union den unabhängigen Entscheidungsvorschlag, dass Online-Plattformen wie YouTube oder Uploaded nicht unmittelbar für widerrechtlich veröffentlichte Inhalte durch Nutzer haften. Er ist nämlich der Ansicht, dass es sich zwar um eine öffentliche Wiedergabe im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29 handle, jedoch die Vornahme nicht etwa durch YouTube oder Cyando, sondern den Nutzer selber erfolge. Das Hochladen der Inhalte geschehe sodann automatisch und deshalb könne nur der Nutzer primär für widerrechtliche Inhalte belangt werden. Eine Sekundärhaftung beinhaltet diese Richtlinie nicht, diese richtet sich nach dem nationalen Recht der Mitgliedstaaten, weshalb vorliegend auch diese wegfällt.

Eine weitere Möglichkeit für die Haftungsbefreiung der Betreiber von Online-Plattformen sieht Art. 14 der Richtlinie 2000/31 vor. Diese Befreiung gilt nämlich für Betreiber von Plattformen, welche Dateien im Auftrag der Nutzer speichern. Dafür müssen jedoch zwei Kriterien erfüllt sein. Erstens darf gemäss Art. 14 Abs. 1 lit. a der Richtlinie 2000/31 der Betreiber über keine tatsächliche Kenntnis der rechtswidrigen Tätigkeit oder Information verfügen und betreffend die Schadenersatzansprüche dürfen keine offensichtlichen Tatsachen oder Umstände in Bezug auf die Tätigkeit oder Information vorhanden gewesen sein. Zweitens muss der Betreiber laut Art. 14 Abs. 1 lit. b der Richtlinie 2000/31 sofort bei Bekanntwerden dieser Tatsachen tätig werden und diese Information entfernen oder den Zugang dazu verhindern. Die Massnahme des Entfernens des Inhaltes respektive der Sperrung des Zugangs zum Inhalt darf nur angewendet werden, wenn es sich tatsächlich um einen rechtswidrigen Inhalt handelt. Ansonsten könnten die Betreiber von Online-Plattformen wahllos Inhalte unzugänglich machen und würden dadurch die Rolle eines Schiedsrichters übernehmen.

Allgemein haben die Mitgliedstaaten für die Sicherstellung gewisser Rechtsbehelfe zu Gunsten der Rechtsinhaber zu sorgen. Ein solcher ist laut Art. 11 der Richtlinie 2004/48, dass der Rechtsinhaber eine gerichtliche Anordnung verlangen kann, wo die weitere Verletzung seines Rechtes dem Betreiber der Online-Plattform untersagt wird. Weiter muss laut Art. 13 derselben Richtlinie die Möglichkeit zur Anforderung eines möglichen Schadenersatzes dem Rechtsinhaber zustehen.

Schlussendlich kann gesagt werden, dass dies die wichtigsten Erkenntnisse des Generalanwalts Saugmandsgaard Øe für die aktuell geltenden Richtlinien sind. Diese Auffassung ist jedoch nicht bindend für den Gerichtshof. Deshalb bleibt nun abzuwarten, wie der Europäische Gerichtshof vorliegend entscheiden wird.

 

Quelle: Pressemitteilung Nr. 96/20 des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 16. Juli 2020