Parmesan, Champagner, Serranoschinken. All diese Bezeichnungen genießen in der EU als besondere Herkunftsangaben rechtlichen Schutz. Was dabei der Unterschied zwischen „g.g.A.“, „g.U.“ und „g.t.S.“ ist und warum es im Frieden von Versailles „Champagnerparagraphen“ gab, erfahrt ihr hier.
Nicht nur Franzosen, sondern auch allgemein europäische IP-Rechtler dürften einen Schluckauf kriegen, wenn ein Amerikaner einen Schaumwein aus Kalifornien als „Champagner“ bezeichnet. Warum?
Champagner darf sich nur Schaumwein aus der in Ostfrankreich gelegenen Region Champagne nennen. Auch darf „Parmaschinken“ und „Parmesan“ nur aus Nord- und Mittelitalien, „Feta“ nur aus Griechenland kommen. In Deutschland genießen beispielsweise Spreewälder Gurken oder Thüringer Leberwurst Schutz. Aber wie genau funktionieren diese geschützten geografischen Herkunftssangaben?
Was sind die geschützten geografischen Herkunftsangaben und was ist ihr Zweck?
Geschützte Ursprungsbezeichnungen (g.U.), geschützte geographische Angaben (g.g.A.) und garantiert traditionelle Spezialitäten (g.t.S.) sind ein Ausnahmefall im Bereich der Immaterialgüterrechte. Im Gegensatz zum Marken-, Patent- oder Gebrauchsmusterschutz schützen g.U. und g.g.A und g.t.S. nicht einen bestimmten Erzeuger, sondern generell Erzeuger von Erzeugnissen aus einem bestimmten geographischen Gebiet.
Zwar dienen sie auch einem Herkunftshinweis. Sie kennzeichnen aber nicht die Herkunft von Waren oder Dienstleistungen aus einem konkreten Betrieb (wie das Markenrecht), sondern deren geographische Herkunft. Profiteure sollen europäische Landwirtschaftsbetriebe und die Verbraucher sein, die sich auf eine bestimmte Herkunft und Qualität verlassen können sollen. Die Kennzeichen verkörpern nämlich einen kollektiven Goodwill, der allen berechtigten Unternehmen gemeinsam zusteht. Geographischen Herkunftsangaben kommt vielfach eine erhebliche wirtschaftliche Bedeutung zu, wie sich z. B. auch an dem Weltruf der Bezeichnung „Made in Germany“ zeigt.
Von Champagner- und Käseverträgen
Das ganze geht – wie so oft im Bereich des Geistigen Eigentums – auf die Europäische Union (EU) zurück. Diese führte seit 1992 ein System zum Schutz und zur Förderung traditioneller und regionaler Lebensmittelerzeugnisse durch das oben erwähnte dreiteilige Kennzeichenordnung ein.
Das Konzept hat aber eine längere Tradition. Im Friedensvertrag von Versailles gab es bereits zwei „Champagnerparagraphen“ (Art. 274 f. des FVV), die dem Deutschen Reich verboten, irreführende Herkunftszeichnungen aus alliierten Staaten zu verwenden (so „Cognac“ für Weinbrand und „Champagner“ für Sekt). Aber auch die internationale Zusammenarbeit auf diesem Gebiet ist traditionsreich: Österreich, Dänemark, Frankreich, Italien, Norwegen, Schweden und die Schweiz schloßen bereits 1951 die Konvention von Stresa, die erste völkerrechtliche Vereinbarung über Käsenamen.
Welche Bezeichnungen gibt es?
Das Zeichen“g.U.“ garantiert, dass die Erzeugung, Verarbeitung und Zubereitung eines Erzeugnisses in einem bestimmten geografischen Gebiet nach einem anerkannten und festgelegten Verfahren erfolgt ist. Sämtliche Produktionsschritte müssen also in dem betreffenden Gebiet stattfinden. Beispiel ist der Allgäuer Bergkäse.
Das Siegel „g.g.A.“ soll eine Verbindung der landwirtschaftlichen Erzeugnisse und Lebensmittel mit dem Herkunftsgebiet dokumentieren, wobei nur einer der Produktionsschritte – also Erzeugung, Verarbeitung oder Zubereitung – im Herkunftsgebiet durchlaufen worden sein muss. Die für die Herstellung verwendeten Produkte dürfen hingegen aus einer anderen Region stammen kann. Beispiel hierfür ist der Lübecker Marzipan.
Die Bezeichnung mit „g.t.S.“ bezeiht sich im Gegensatz zu den beiden anderen Zeichen nicht auf den geografischen Ursprung. Vielmehr wird die traditionelle Zusammensetzung eines Produkts oder ein traditionelles Verfahren hervorgehoben. Als Beispiel hierfür kann der Serrano-Schinken herhalten.
So sieht das ganze dann in der Realität aus.
Und wie funktioniert das rechtlich?
Diese Kennzeichen sind in den §§ 126 ff. MarkenG und in der VO (EU) 1151/2012 (die sog. Qualitätsregelungen-VO) normiert. Sie sind in Deutschland im MarkenG geregelt, weil sie ganz ähnlich wie (Gewährleistungs-)Marken funktionieren: alle Betriebe, die bestimmte Anforderungen (an Herkunft und ggf. auch Qualität) erfüllen haben das ausschließliche Recht, die Bezeichnung zu führen. Dritten kann vom Inhaber der Angaben die Benutzung verboten werden. Gegebenenfalls kann dieser auch Ersatz von erlittenen Schäden verlangt. Inhaberin der Bezeichnung „Champagner“ ist z.B. das Syndicat Général des Vignerons de la Champagne in Epernay, Frankreich.
Kehrseite dieser kollektiven Ausrichtung ist auch, das solche Herkunftsangaben nicht als Marken geschützt werden dürfen (vgl. § 8 Abs. 2 Nr. 9 MarkenG und § 8 Abs. 1 Nr. 10 und Nr. 11 MarkenG für traditionelle Bezeichnungen von Weinen oder anderen Spezialitäten). Insbesondere der Wein hat eine eigene Regelung erhalten. Daher ist Weinrecht ein echtes eigenes Rechtsgebiet (in dem es nicht nur um Glyphosat geht). Die EU ist in diesem Gebiet traditionell besonders aktiv gewesen.
Die Anbieter von Waren oder Dienstleistungen, die nicht aus dem geographisch benannten Ort stammen, dürfen keine geographische Herkunftsangabe gem. § 127 MarkenG verwenden, wenn die Benutzung derartiger Ortsnamen, Gebietsangaben oder Länderbezeichnungen in den angesprochenen Verkehrskreise die Gefahr der Irreführung über die geographische Herkunft hervorrufen kann. Das ist beispielsweise bei „Himalaya“-Salz der Fall. Dieses kommt zum Großteil gar nicht vom „Dach der Welt“, sondern aus Pakistan.
Die Angaben sind gem. § 127 Abs. 3 MarkenG auch gegen Rufausbeutung und -beeinträchtigung geschützt, wenn sie eine besondere Reputation haben. So hat der Bundesgerichtshof (BGH) bereits einmal entschieden, dass das Mineralwasser „Perrier“ (aus Frankreich) sich nicht ein „Champagner unter den Mineralwassern“ nennen darf.
Fazit
Die geschützten Angaben können also extrem praktisch sein, für andere Marktteilnehmer aber auch lästig. Einen Sinn für Verbraucher haben sie in jedem Fall. Als Hersteller von Wein, Spirituosen, Agrarerzeugnissen oder anderen Lebensmitteln lohnt sich deshalb der Blick in die EU-Datenbank „eAmbrosia“, in der die geschützten Bezeichnungen gesammelt sind und die anwaltliche Beratung bei komplizierteren Fragen. Als besondere Immaterialgüterrechte sind geschützte Ursprungsbezeichnungen und geschützte geographische Angaben Teil unserer alltäglichen Beratungspraxis im Bereich des Geistigen Eigentums.