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Bei Rechtsverletzungen im Internet sehen sich Rechteinhaber oft dem Problem gegenüber, den Verantwortlichen nicht ausfindig machen zu können. Stattdessen ist es eine naheliegende Alternative, gegen den Betreiber der Plattform, auf der die rechtswidrigen Inhalte eingestellt wurden, vorzugehen, um die Rechtsverletzung effektiv zu unterbinden. Der Betreiber hat die Verletzung zwar unter Umständen nicht selbst begangen, aber dennoch durch die Bereitstellung des Mediums mittelbar dazu beigetragen.

Beispiele für solche Rechtsverletzungen sind Urheberrechtsverletzungen auf Youtube, Markenrechtsverletzungen auf eBay, Hatespeech auf Social-Media-Plattformen, rechtsverletzende Suchvorschläge bei Google. Andererseits stellen diese Plattformen von der Rechtsordnung gebilligte und sozialerhebliche Geschäftsmodelle dar, deren Umsetzung durch überhöhte Kontrollpflichten und Haftungsrisiken gefährdet wäre.

Angesichts einer klaren Tendenz der Gesetzgebung und Rechtsprechung zur verstärkten Inanspruchnahme von Plattformen, sehen sich diese jedoch immer mehr dem Problem erhöhter und oft nicht klar eingrenzbarer Pflichten gegenüber. Ab wann haftet der Plattformbetreiber für fremde Rechtsverletzungen? Welche Pflichten treffen ihn und wie kann er Haftungsrisiken vorbeugen? An diese Problematik der mittelbaren Haftung für Rechtsverstöße Dritter im Internet setzt die von der Rechtsprechung entwickelte Rechtsfigur der Störerhaftung an.

Unterscheidung zwischen eigenen und fremden Inhalten

Für die Beantwortung der Haftungsfrage ist zunächst zu unterscheiden, ob es sich bei der Plattform um Content- oder Hostprovider handelt. Für eigene rechtsverletzende Inhalte haftet der sogenannte Contentprovider grundsätzlich uneingeschränkt als Täter nach den allgemeinen Gesetzen auf Schadensersatz, Unterlassung und Auskunft. Hostprovider wie Händlerplattformen, Foren und soziale Netzwerke, die lediglich fremde Inhalte speichern und zur Nutzung bereitstellen, genießen hingegen die Haftungsprivilegien der §§ 7 bis 10 TMG.

Etwas anderes gilt hier aber, sobald der Provider sich fremde Informationen zu eigen macht, indem er seine neutrale Stellung als Host verlässt und eine aktive Rolle einnimmt, die ihm Kenntnis von bestimmten Daten oder Kontrolle darüber verschafft (EuGH, Urteil v. 12.07.2011, Az. C-324/09 – L’Oréal/eBay). Beispiel hierfür ist ein aktives Werben des Betreibers für Verkaufsangebote. Dann wird der Plattformbetreiber so behandelt, als habe er den Inhalt selbst zur Verfügung gestellt. Selbstverständlich weisen viele Plattformen sowohl Hosting- als auch Content-Elemente auf, sodass immer der Einzelfall betrachtet und dabei auf den Verständnishorizont des verständigen Internetnutzers abgestellt werden muss.

Haftungsprivileg des Hostproviders

Liegt ein Zueigenmachen der Inhalte auf der Plattform nicht vor, bleibt es bei der Privilegierung und der Hostprovider haftet nach § 10 TMG nicht für fremde Informationen, solange er keine Kenntnis von Rechtsverstößen hat und diese nicht offensichtlich sind. D.h. er unterliegt keiner Pflicht, jegliche auf der Plattform eingestellte Inhalte auf mögliche Rechtsverletzungen anlasslos zu untersuchen. Diese Haftungsprivilegierung regelt jedoch nur die Schadensersatzhaftung, sodass Beseitigungs- und Unterlassungsansprüche hiervon nicht erfasst sind. Im Hinblick auf Letztere finden die von der Rspr. entwickelten allgemeinen Grundsätze zur Störerhaftung Anwendung.

Die Grundsätze der Störerhaftung

Störer ist laut der Rechtsprechung, wer ohne Täter oder Teilnehmer zu sein, in irgendeiner Weise willentlich und adäquat kausal zur Verletzung des absoluten Rechts beigetragen hat (BGH, Urteil v. 11.03.2004, Az. I ZR 304/01 – Internet-Versteigerung; BGH, Urteil v. 22.07.2010, Az. I ZR 139/08 – Kinderhochstühle im Internet). Im Gegensatz zu Täterhaftung haftet der Störer nur auf Beseitigung und Unterlassung. Da die Störerhaftung nicht über Gebühr auf Dritte erstreckt werden darf, haftet er außerdem nur dann, wenn es ihm rechtlich und tatsächlich möglich und zumutbar ist, die mittelbare Rechtsverletzung zu verhindern und er zumutbare Prüfpflichten verletzt hat.

Es ist dem Plattformbetreiber demnach grundsätzlich nicht zumutbar, jedes fremde Angebot vor Veröffentlichung im Internet anlasslos auf eine mögliche Rechtsverletzung hin zu überprüfen, wenn ansonsten sein von der Rechtsordnung gebilligtes Geschäftsmodell gefährdet oder die Tätigkeit unverhältnismäßig erschwert wäre. Er ist vielmehr verpflichtet, rechtswidrige Inhalte zu beseitigen, sobald er Kenntnis von dem Verstoß erlangt („Notice-and-Take-Down-Prinzip“) und sodann weitere gleichartige Rechtsverletzungen zu verhindern. Kommt er dieser Verpflichtung nach, hat er keine weitergehende Haftung für diesen Rechtsverstoß zu befürchten.

Dabei ist wichtig zu erkennen, dass bei der erstmaligen Kenntniserlangung von einer Rechtsverletzung noch keine vollendete Verletzung vorliegt, die eine Wiederholungsgefahr im Sinne eines Unterlassungsanspruchs begründen könnte. Nach Erlangung der Kenntnis von der Rechtsverletzung entsteht zunächst eine Prüf- und Handlungspflicht des Betreibers. Und erst die Verletzung dieser Pflicht zur Beseitigung und Verhinderung weiterer derartiger Verstöße begründet einen Unterlassungsanspruch.

Konkreter Hinweis auf eine klare Rechtsverletzung

Für den an den Plattformbetreiber gerichteten Hinweis auf die Rechtsverletzung gelten jedoch strenge Anforderungen. Nach der Rechtsprechung muss für das Entstehen einer Prüfpflicht der Hinweis so konkret gefasst sein, dass der Plattformbetreiber die Rechtsverletzung offenkundig oder unschwer, d. h. ohne eingehende rechtliche oder tatsächliche Prüfung erkennen kann (BGH, Urteil v. 17.08.2011, Az. I ZR 57/09 – Stiftparfüm; Urteil v. 11.03.2004, Az. I ZR 304/01 – Internet-Versteigerung I; Urteil v. 19.04.2007, Az. I ZR 35/04 – Internet-Versteigerung II; Urteil v. 22.07.2010, Az. I ZR 139/08 – Kinderhochstühle im Internet).

Der Provider muss somit in die Lage versetzt werden, aus der Vielzahl der Inhalte auf seiner Plattform die klare Rechtsverletzung zu identifizieren. Erforderlich ist daher zum Beispiel für eine geltend gemachte Urheberrechtsverletzung neben der genauen Bezeichnung des beanstandeten Angebots auch die Mitteilung der Urheberschaft des Verletzten (BGH, Urteil v. 29.04.2010, Az. I ZR 69/08 – Vorschaubilder). Größere Plattformen stellen für diesen Zweck den Nutzern eigens Programme zur Verfügung, mit deren Hilfe sie einfach Rechtsverletzungen melden können.

Umfang der Prüfpflichten von Plattformen

Nachdem ein konkreter Hinweis erfolgt ist, hängt das Ausmaß des insoweit vom Betreiber zu erwartenden Prüfungsaufwands von den Umständen des Einzelfalls ab, insbesondere vom Gewicht der angezeigten Rechtsverletzungen auf der einen und den Erkenntnismöglichkeiten des Betreibers auf der anderen Seite. Erfüllt die Plattform eine von der Rechtsordnung gebilligte und gesellschaftlich erwünschte Funktion, darf der von dem Provider zu erbringende Prüfungsaufwand das Geschäftsmodell weder wirtschaftlich gefährden noch unverhältnismäßig erschweren. Rein reaktive Prüfpflichten überschreiten in der Regel nicht die Grenze der Zumutbarkeit.

Ein Beleg der Rechteinhabers für die Rechtsverletzung ist zwar grundsätzlich nicht erforderlich, kann jedoch unter Umständen von dem Provider verlangt werden, wenn dieser berechtigte Zweifel am Bestehen eines Schutzrechts oder der Befugnis zur Geltendmachung hat. Wird zum Beispiel anders als bei der Geltendmachung von Markenverletzungen die Verletzung von Persönlichkeitsrechten behauptet, lässt sich eine Rechtsverletzung in der Regel nicht ohne Weiteres feststellen, da dies eine Abwägung erfordert. Erlangt der Hostprovider einen Hinweis, ein Nutzerbeitrag verletze Persönlichkeitsrechte und ist die Beanstandung so konkret gefasst, dass der Rechtsverstoß unschwer bejaht werden kann, so ist eine Ermittlung und Bewertung des gesamten Sachverhalts unter Berücksichtigung etwaiger Stellungnahmen des für den Beitrag Verantwortlichen erforderlich (BGH, Urteil v. 01.03.2016, Az. VI ZR 34/15 – Ärztebewertungsportal III).

Haftung im Wettbewerbsrecht

Im Immaterialgüterrecht und im Wettbewerbsrecht werden mittelbare Rechtsverletzungen inzwischen durch unterschiedliche Ansätze behandelt. Im Wettbewerbsrecht wurde die Haftung für Rechtsverletzungen Dritter früher auch über das Institut der Störerhaftung behandelt. Mit den Entscheidungen „Jugendgefährdende Medien bei eBay“ (BGH, Urteil v. 12.07.2007, Az. I ZR 18/04) und „Kinderhochstühle im Internet“(s.o.) setzte der BGH der Störerhaftung in diesem Bereich jedoch ein Ende und stützt eine Haftung auf die Verletzung sogenannter wettbewerbsrechtlicher Verkehrspflichten. Im Urheber-, Marken- und Äußerungsrecht wird hingegen weiterhin an der Störerhaftung festgehalten, auch wenn hier eine deutliche Tendenz weg von der Störer- hin zur Täterhaftung zu erkennen ist. Im Wettbewerbsrecht liegt nun eine täterschaftliche (!) Haftung vor, wenn der Provider durch sein Handeln im geschäftlichen Verkehr zurechenbar die Gefahr eröffnet, dass Dritte durch das Wettbewerbsrecht geschützte Interessen von Marktteilnehmern verletzen und er diese Gefahr nicht im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren begrenzt.

Doch was heißt das nun? Wurden hiermit einer schärferen Providerhaftung Tür und Tor geöffnet? Diese Verkehrspflichten bedeuten jedoch nichts anderes als Prüfpflichten, deren Umfang sich wiederum nach den Grundsätzen der Störerhaftung richtet. Auf Tatbestandseben gibt es folglich keinen Unterschied zur Störerhaftung, jedoch kann der Verletzer einer solchen Verkehrspflicht als Täter (anders als bei der Störerhaftung) nun auch auf Schadensersatz haften.

Zentrale Frage sind und bleiben die Prüfpflichten

Es bleibt festzuhalten, dass – ob nun Störerhaftung oder nicht – sich die Haftung der Plattformen immer um die Frage zumutbarer Prüfpflichten dreht. Die Grundsätze der Rechtsprechung zu diesen Prüfpflichten müssen in den unterschiedlichsten Anwendungsbereichen rund um Online-Dienste angewandt werden und auf den konkreten Fall angepasst werden. Ein Gefühl von Rechtssicherheit kann sich daher bislang kaum einstellen. Die Anwendungsfälle sind vielfältig:

  • Foren, Bewertungsportale, soziale Netzwerke
  • Upload-Plattformen für Videos
  • Hyperlinks
  • Suchmaschinen (Suchergebnisse, Autocomplete-Funktion)
  • Sharehoster, Filesharing
  • WLAN-Betreiber

In all diesen Fällen kann sich die Frage nach einer mittelbaren Haftung des Betreibers und demnach nach den ihm auferlegten Prüfpflichten stellen.

Klare Tendenz zur verstärkten Inanspruchnahme von Plattformen

In der Praxis zeichnet sich bereits seit einiger Zeit eine Tendenz weg von der Störerhaftung hin zur stärkeren Inanspruchnahme von Plattformbetreibern ab. Sei es, indem Sachverhalte zunehmend einer täterschaftlichen Haftung zugeordnet werden, sei es durch die Verabschiedung der Störerhaftung im Wettbewerbsrecht und bei WLAN-Betreibern oder durch die Intensivierung der auferlegten Prüfpflichten.

Diese Tendenz spitzte sich in letzter Zeit weiter zu und zeigte sich deutlich durch das gesteigerte Interesse der EU-Kommission an der Regulierung von Plattformen, insbesondere solcher mit großer Marktmacht. So wurden in jüngster Vergangenheit mehrere EU-Regelwerke verabschiedet, die an der Regulierung und Verantwortlichkeit von Online-Diensten ansetzen. Darunter auch, um nur ein paar zu nennen, die Urheberrechtsrichtlinie (EU) 2019/790 und der Digital Service Act, welcher sich an Online-Provider richtet und neben der Schaffung von Transparenz für VerbraucherInnen die Bekämpfung illegaler Inhalte im Internet zum Ziel hat.

So soll danach zwar weiterhin an dem bereits genannten Notice-and-Take-Down-Verfahren festgehalten werden. Insbesondere die „großen“ Host-Provider müssen die Meldung illegaler Inhalte künftig aber durch die Bereitstellung entsprechender Tools für Rechteinhaber erleichtern. Dabei wird auch der Einsatz von sog. „trusted flaggers“, die Inhalte häufig und zuverlässig melden, betont. Zudem soll auf Online-Plattformen transparent werden, ob die abrufbaren Inhalte und Waren von Anbietern und nicht dem Betreiber selbst angeboten werden, da letzterer ansonsten selbst haftet. Diese Regelung knüpft also an das Thema des Zueigenmachens an.

Im Zuge der Umsetzung der EU-Urheberrechtsreform traten im letzten Jahr zudem Regelungen zu Upload-Filtern in Kraft, die großen Upload-Plattformen wie youtube, facebook und TikTok auftragen, die hochgeladenen Inhalte auf Urheberrechtsverletzungen automatisiert zu filtern. Hier weicht die bisherige Grenze zu proaktiven Prüfpflichten deutlich auf und erhöht die Anforderungen für Plattformen um einer Haftung zu entgehen. Kleineren Plattformen wird man solche Filtereinrichtungen zumutbarerweise nicht abverlangen können. Offen bleibt aber die Frage, wer nun tatsächlich betroffen ist. Daher wird die Rspr. in Zukunft damit beschäftigt sein, zu prüfen, welche Plattformen unter diese Pflicht fallen und welche nicht.

Was können Plattformbetreiber konkret tun?

Kleineren Plattformen kann die Einrichtung von Filtersystemen bislang nicht zugemutet werden. Gleichwohl sollten ein paar Punkte beachtet werden, um einer Haftung zu entgehen:

  • Jedenfalls sobald ein konkreter Hinweis auf eine klare Rechtsverletzung ergeht, entstehen Prüf- und ggf. Handlungspflichten des Betreibers (Notice-and-take-down)
  • Zudem müssen ab diesem Zeitpunkt zumutbare und wirksame Vorkehrungen gegen weitere gleichartige Verstöße getroffen werden
  • Die Plattform den Nutzern die technischen Voraussetzungen bieten, damit diese ihrerseits die Möglichkeit haben, gesetzlichen Verpflichtungen (z.B. Impressumspflichten für Händlern; Angabe der Unternehmereigenschaft) nachzukommen und sie sollte Hinweise an die Plattformnutzer auf gesetzliche Vorgaben enthalten

Ausblick

Im Ergebnis bleibt festzuhalten, dass die „Störerhaftung im Internet“ ein Thema ist, das sich ständig weiterentwickelt und dessen Grenzen nach und nach aufweichen. Im Zentrum der Frage der Plattformhaftung stehen die zumutbaren Prüfpflichten, die den Betreibern auferlegt werden und stets für den Einzelfall bestimmt werden müssen.

Es zeichnet sich in der Gesetzgebung und Rechtsprechung eine klare Tendenz zur verstärkten Inanspruchnahme von Online-Plattformen ab als Reaktion auf die veränderten Kräfteverhältnisse. Stellschraube ist dabei die Intensivierung der Prüfpflichten und damit teilweise auch deren Vorverlagerung in den proaktiven Bereich. Klar ist, dass es jedenfalls für große Plattformen zukünftig immer schwerer werden wird, sich auf eine reine Störerrolle zurückzuziehen. Diese sehen sich erhöhten Prüfpflichten und Haftungsrisiken gegenüber, die zu bewerkstelligen sind. Welche Plattformen wo einzuordnen sind und wie die Einzelfälle aussehen, bleibt jedoch offen und wird die Rechtsprechung auch in Zukunft beschäftigen.