Das oberste italienische Gericht hat einen interessanten Fall zu der Frage entschieden, wann ein Urheber Dritten verbieten darf, ein Werk, dass er nachweislich geschaffen hat, als von ihm stammend zu bezeichnen.
Das oberste italienische Gericht hat einen interessanten Fall zu der Frage entschieden, wann ein Urheber Dritten verbieten darf, ein Werk, dass er nachweislich geschaffen hat, auch als von ihm stammend zu bezeichnen.
Im vorliegenden Fall geht es um das Objekt „The Serpents“ des Künstlers Jeff Koons (Edition von 3, 1988) aus dessen Serie „Banality“. Das Objekt wurde im Jahr seiner Schaffung erstmalig auf einer von der Galerie Max Hetzler organisierten Kunstschau in Köln gezeigt, wo es als Koons-Original beworben wurde. Später fand das Werk seinen Weg über Mailand nach Italien, wo der Kunstsammler Franco Garrone es schließlich erwarb. Da er beabsichtigte, die Skulptur zu verkaufen, fragte er bei Koons insgesamt dreimal innerhalb von 12 Jahren ein Echtheitszertifikat an – stets erfolglos. 2014 fiel ein weiterer Versuch, das Objekt zu verkaufen, ins Wasser, als ein Kaufinteressent sich ebenfalls bei dem US-amerikanischen Künstler der Echtheit der Schlangen vergewissern wollte und die Antwort bekam, dass es sich bei ihnen um „einen unzufriedenstellenden Prototyp“ handele, der „hätte vernichtet werden sollen und der daher keine authorisierte oder authentische Arbeit Jeff Koons'“ sei.
Garrone hatte genug. Durch die 25 Jahre andauernde Weigerung, sich öffentlich zu seiner Urheberschaft zu bekennen, sei der Wert der „Serpents“ geschmälert worden. Schließlich stellt die Urheberschaft eines Werkes den maßgeblichen Faktor seiner Wertberechnung dar. Der italienische Sammler verlangte also Ersatz des entgangenen Gewinns und klagte sich seit 2016 vom Tribunale di Milano durch alle Instanzen hoch bis zum Italienischen Obersten Kassationsgerichtshof (Corte Suprema di Cassazione) in Rom.
Der Kassationsgerichtshof fällte Anfang August sein Urteil (Az. 23935/2023), welches eine interessante Rechtsfrage behandelt: wann haben Kunstschaffende das Recht, die Zuschreibung eines Werkes als von Ihnen geschaffen zu verweigern, auch, wenn es tatsächlich von ihnen stammt? Im Zusammenhang war auch die Frage zu klären, ob das Recht auf Veröffentlichung verletzt war.
Rechtliche Würdigung des Kassationsgerichtshofs
Nach italienischem Recht hat der Urheber das ausschließliche Recht, sein Werk zu veröffentlichen. Diese (ungeschrieben: erste) Veröffentlichung bedeutet die erstmalige Vornahme einer Verwertungshandlung des Werks. Der Kassationsgerichtshof stellte fest, dass dies nicht notwendigerweise den Erstverkauf bedeuten müsste (so Koons‘ Ansicht), sondern, dass auch die öffentliche Zurschaustellung eines Werks genügen könnte. In der Tat wäre dies die typische Verwertungsform für ein Werk wie eine Skulptur. Die öffentliche Zurschaustellung würde auch von einer Gewinnerzielungsabsicht getragen werden, unabhängig davon, ob ein Verkauf zustande kommt, da das Ziel darin besteht, einen Künstler und sein Werk zu fördern. Daher verletzte der Verkaufsversuch unter Bezeichnung der Urheberschaft Koons‘ dieses Recht nicht. Auch wies das Gericht darauf hin, dass Koons bestätigt hatte, dass er die Skulptur zumindest als Prototyp geschaffen hatte.
Daher wies der Kassationsgerichtshof Jeff Koons‘ Rechtsmittel zurück und bestätigte die Entscheidung des Appellationsgerichts Mailand, welches Garrone in zweiter Instanz Recht gegeben hatte. Die zweite Instanz hatte Garrone den begehrten Schadenersatzanspruch mit der Begründung zuerkannt, dass das Urheberpersönlichkeitsrecht vor allem dazu da sei, die Ehre des Urhebers vor Schaden zu bewahren. Das Recht, nicht als Urheber genannt zu werden, fände jedoch jedenfalls ab der ersten Verwertung des Werkes seine Grenzen in den schützenswerten Interessen Dritter und des Rechtsverkehrs. In dieser Konstellation überwiege das Interesse des Kunsthändlers über das Recht des Urhebers.
Wie ist es in Deutschland?
Die Rechte bzgl. der (Nicht-)Zuschreibung eines Werkes gehören zum Urheberpersönlichkeitsrecht (§§ 12 ff. UrhG) beziehungsweise zum sogenannten Allgemeinen Persönlichkeitsrecht (sog. APR, abgeleitet Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG). Das APR gewährleistet die personale und soziale Identität sowie die individuelle Entfaltung eines jeden Menschen. Das Urheberpersönlichkeitsrecht ist (anders als die Verwertungsrechte) nicht europarechtlich harmonisiert und ist damit in den meisten Ländern relativ unterschiedlich geregelt. Einen gewissen Mindestschutz kann man lediglich aus Art. 6bis der Revidierten Berner Übereinkunft (RBÜ) ableiten, wonach der Urheber das Recht hat, gegen jeden vorzugehen, der ihm seine Urheberschaft streitig macht oder das Werk beeinträchtigt.
Das Recht, als Urheber eines urheberrechtlich geschützen Werkes anerkannt zu werden, ist in § 13 UrhG normiert, das Recht auf Erstveröffentlichung in § 12 Abs. 1 UrhG.In § 13 Satz 2 UrhG ist auch geregelt, dass der Urheber entscheiden kann, ob und wenn ja, wie das Werk mit einer Urheberbezeichnung zu versehen ist.
Das Recht, die Zuschreibung eines Werkes zu verbieten, hat nach deutscher Rechtsprechung jedoch eine geteilte Grundlage. Das Recht, kein fremdes Werk zugeschrieben zu bekommen (das sog. droit de non-paternité), ist nicht urheberrechtlicher Natur, sondern gehört zum durch das APR gewährleisteten Recht auf Selbstdarstellung in der Öffentlichkeit. Demgegenüber wird das Recht auf Distanzierung von einem eigenen Werk (und damit das Recht, zu verbieten, als Urheber eines Werkes genannt zu werden, welches man tatsächlich geschaffen hat) auf eine erweiternde Auslegung von § 13 Satz 2 UrhG gestützt. Nach § 107 Abs. 1 UrhG ist das Anbringen einer ungewollten Urheberbezeichnung sogar strafbar!
Weil aber kein berechtigtes Interesse daran besteht, dass Dritte die wahre Tatsache, Urheber eines Werkes zu sein, nicht kundmachen, besteht kein Anspruch eines Urhebers gegen Dritte, außerhalb der Werkverwertung diese Tatsache zu publizieren. Ein Anspruch auf Bekennung zu einem Werk zwar nicht. Wenn ein Urheber aber wahrheitswidrig seine Urheberschaft verneint, kann ein Anspruch innerhalb von Vertragsbeziehungen aus §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB, mit Dritten aus § 826 BGB wg. vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung in Betracht kommen.