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Die Axel Springer SE klagte gegen die Betreiber des Adblockers „AdBlock Plus“ wegen Verletzung von Urheberrechten durch das Browser-Plugin. Das OLG Hamburg hat nun entschieden, dass diese Ansprüche unberechtigt sind (Urt. v. 24.8.2023 – 5 U 20/22).

In nun zweiter Instanz hat das OLG Hamburg bestätigt, dass in dem Angebot eines Werbeblockers keine Verletzung der Urheberrechte von Webseitenbetreibern liegt. Gegenstand der Klage war das Angebot „AdBlock Plus“ des Herstellers Eyeo, in dem die Axel Springer SE einer Verletzung ihrer Urheberrechte an mehreren Webseiten sah.

Wie funktioniert der „AdBlock Plus“?

Bei „AdBlock Plus“ handelt es sich um ein kostenlos herunterladbares Plugin, welches mit Filterlisten arbeitet, um die Anzeige von Webseitenwerbung auf den Endgeräten der Nutzer zu verhindern. Diese länderspezifischen sog. Blacklists enthalten unter anderem spezifische Serverpfade bestimmter Online-Anbieter und deren AdServer. Außerdem enthalten sie globale Dateimerkmale, mit denen eine Mehrzahl von Seiteninhalten aufgrund von Gemeinsamkeiten im Pfad- und Dateinamen blockiert werden können. Dies führt dazu, dass die entsprechende Werbung dem Benutzer des Plugins nicht angezeigt wird, wenn die entsprechende Werbung nicht in einer sog. Whitelist eingetragen ist. Diese fungiert quasi als Opt-out aus der Blockade.

Prozessgeschichte

Im Jahr 2016 kam es dazu, dass bei einer der Seiten des Springer Verlages bei eingeschaltetem AdBlock außer Werbung auch bestimmte redaktionelle Elemente nicht angezeigt wurden, da ein Filterbefehl der Filterliste „Easylist Germany“ auch diese Inhalte ausblendete. Der Verlag entschied sich gegen das Plugin vorzugehen.

Nachdem er in einem vor dem LG Köln angestrengten, auf Wettbewerbsrecht gestützten, Verfahren (welches 2018 bis zum BGH ging) unterlag, wechselte der Axel Springer Verlag die Strategie. Diesmal wurde das Urheberrecht gezückt und als Arena die Gerichte in Hamburg gewählt.

Das Verlagshaus argumentierte, dass es sich bei der Programmierung ihrer Webseiten aufgrund der enthaltenen Steuerungselemente insgesamt um ein urheberrechtlich geschütztes Computerprogramm im Sinne des § 69a Abs. 1 UrhG handele, an denen ihr die ausschließlichen Nutzungsrechte zustünden. Die Funktionsweise des Adblockers führe zu unberechtigten Vervielfältigungen (§ 69c Nr. 1 UrhG) sowie Umarbeitungen (§ 69c Nr. 2 UrhG) von Teilen dieses Computerprogramms. Deshalb machte die Axel Springer SE Unterlassungs- und Auskunftsansprüche zur Vorbereitung von Schadenersatzansprüchen vor dem LG Hamburg geltend.

Nachdem  die Klägerin dort in erster Instanz unterlag, verfolgte sie ihr Begehren im Berufungsverfahren fort. Wie schon das Landgericht zuvor, wies nun auch das OLG Hamburg die Ansprüche als unbegründet zurück.

Liegt überhaupt ein Schutzgegenstand vor?

Hierbei konstatierte das Gericht, dass bereits im Grundsatz zweifelhaft sei, ob der Klägerin überhaupt ein Nutzungsrecht an einem urheberrechtlich geschützten Schutzgegenstand in Form der Webseite zustünde.

Neben der Eigenschaft als Computerprogramm bedarf es für die urheberrechtliche Schutzfähigkeit der Programmierung einer Webseite auch einer Beurteilung, inwieweit das erstellte Programm keine ganz einfache handwerklich-technische Gestaltung aufweist. Moderne Webseiten bestünden aus einer Vielzahl von technisch voneinander klar abgegrenzten Einzelelementen, wie Bildern, Texten, Grafiken, Videos und ggf. auch im HTML-Dokument enthaltener Software wie JavaScript-Applets oder PHP-Code. Das Gericht war dabei der Auffassung, dass beim Einsatz von solchen Softwarebestandteilen im HTML-Dokument bei der Webseite jedenfalls dann nicht von einem schutzfähigen Computerprogramm auszugehen sei, wenn diese Softwarebestandteile nicht prägend für den Quellcode der Webseite sind. Schon aus diesem Grund sei ein Eingriff in einen Programmschutz durch Werbeblockersoftware häufig nicht gegeben.

Außerdem sei der Schutz auch deshalb zweifelhaft, weil die Webseite durch Dritte aufgrund von größtenteils nicht von der Klägerin oder der von ihr beauftragten Webgestaltern stammenden JavaScripts und PHP-Passagen entwickelt wurde, die von Drittunternehmen geschaffen und auch in einer Vielzahl anderer Webseiten verwendet worden seien.

Adblocker führt weder zu verbotener Kopie noch Umgestaltung

Diese Punkte lies das OLG jedoch offen, da der „AdBlocker Plus“ jedenfalls zu keiner unberechtigten Vervielfältigungs- oder Umgestaltungshandlung nach § 69c UrhG führe:

Soweit beim Abruf der Webseiten die HTML-Dateien und weitere Elemente in den Arbeitsspeicher der Nutzer geladen werden, erfolge dies mit der Einwilligung der Klägerin. Wer eine Webseite bereitstellt, erkläre sich damit einverstanden, dass die entsprechenden Programme von den Servern des Betreibers abgerufen und im Arbeitsspeicher des Nutzers abgespeichert werden.

Auch die Webseitennutzer, die einen Adblocker verwendeten, seien deshalb zur Speicherung der Dateien berechtigt. Es sei im Rahmen von schlichten Einwilligungen unerheblich, ob ein etwaiger Vorbehalt in Bezug auf Abweichungen vom intendierten Programmablauf der Webseite (z.B. aus § 69d Abs. 1 oder § 44a UrhG) bestehe.

Da die Nutzung des AdBlocker den Programmablauf lediglich durch externe Befehle beeinflusst, ohne eine  Veränderung der Programmsubstanz oder Herstellung einer abgeänderten Vervielfältigung vorzunehmen, liegt nach Auffassung des OLG auch keine verbotene Programmumarbeitung vor. Die Nutzung stellte daher vielmehr eine individuelle Konfiguration des Programms und damit als zustimmungsfreie bestimmungsgemäße Benutzung der Webseite i. S. d. § 69d Abs. 1 UrhG dar.

Ferner ergebe sich nichts anderes aus der Überlegung, dass eine unberechtigte Vervielfältigung (§ 16 Abs. 1 UrhG) der Webseitengestaltung nach § 2 UrhG vorliegen könnte. Die Klägerin sei nicht den Anforderungen an die konkrete Darlegung der Schutzfähigkeit der Oberflächengestaltung der Webseite nachgekommen. Es handelte sich in allen Fällen um einen – wenn auch handwerklich gut gemachten – klassischen Webseitenaufbau, bei dem die einzelnen Elemente (wie Text, Bilder, Filme, interaktive Elemente, integrierte Inhalte Dritter, weiterführende Links und Werbung) untereinander platziert werden und außerdem weiterführende Links sowie Werbung vorrangig am rechten Rand erscheinen.

Unabhängig davon sei nach Auffassung des Gerichts ein denkbarer Eingriff in das Vervielfältigungsrecht jedenfalls aufgrund der schlichten Einwilligung der Klägerin gerechtfertigt, die aus dem Angebot der Webseite folge. Auch die mögliche Umgestaltung sei nicht verboten, da, wie sich aus §§ 3, 23 Abs. 1 S. 1 UrhG ergibt, die bloße Herstellung einer Bearbeitung noch keine Verletzung des Urheberrechts darstellt.

Ausblick

Nicht nur für die Anbieter von Werbeblocker, sondern auch für viele Webseitennutzer dürfte die Entscheidung des OLG Hamburg erfreulich sein; so können Werbeblocker weiterhin angeboten und genutzt werden. Webseitenbetreiber und insbesondere Nachrichtenanbieter werden daher weiterhin vermehrt auf Bezahlmodelle zur Eigenfinanzierung setzen.

Es ist jedoch stark damit zu rechnen, dass das Verfahren noch in die dritte Runde geht, da dass das Gericht die Revision zum BGH zugelassen hat. Dieser hat kürzlich dem EuGH zwei Fragen zum Schutz und zur Umarbeitung von Computerprogrammen vorgelegt (wir berichteten), deren Entscheidung eine Neubewertung des Verfahrens mit Blick auf das Erfordernis einer einheitlichen Rechtsprechung rechtfertigen könnte.