Das LG Trier hat in einem von HÄRTING Rechtsanwälte erstrittenen Urteil vom 12.5.2023 – 7 HK O 2/23 zu zwei Fragen Stellung genommen, die sich um gesetzliche Informations- und Kennzeichnungspflichten beim Vertrieb von Futtermitteln drehen. Zum einen nahm das Gericht eine Abgrenzung zwischen Verstößen gegen gesetzliche Kennzeichnungspflichten im elektronischen Geschäftsverkehr gemäß § 13 Abs. 4 UWG und Pflichtanagaben auf der physischen Verpackung vor. Zum anderen stufte es zwei konkrete Verstöße als im Sinne des § 3a UWG nicht spürbare Rechtsbrüche ein.
(Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Die Klägerin hat bereits Berufung eingelegt.)
Hintergrund
Ausgangspunkt des Rechtsstreits war eine wettbewerbsrechtliche Abmahnung von Verstößen gegen die Futtermittelverkehrsverordnung (EG) Nr. 767/2009 (im Folgenden: „FMVV“). Es wurden gesundheitsbezogene Angaben sowie Kennzeichnungsanforderungen bemängelt. Aus prozessökonomischen Gründen unterwarf sich die Beklagte hinsichtlich der gesundheitsbezogenen Angaben, so dass sich die gerichtliche Streitigkeit nur noch um vier Kennzeichnungspflichten drehte.
Zu Kennzeichnungspflichten im elektronischen Geschäftsverkehr gemäß §§ 13 Abs. 4, 13a Abs. 2 UWG
a) Vorwurf der Klägerin
Hinsichtlich der ersten beiden Punkte wurde der Beklagten vorgeworfen, sie habe ihr Produkt fälschlicherweise als Ergänzungsfuttermittel bezeichnet, obwohl es sich lediglich um ein Einzelfuttermittel nach Art. 15 a) i.V.m. Art 3 g) FMVV handele. Auch würden obligatorische Angaben für Einzelfuttermittel aus Pflanzen gemäß Art. 16 Abs. 1 b) i.V.m. Anhang V des FMVV fehlen. Beide Verstöße seien sowohl online als auch auf der Verpackung begangen worden.
b) Einwand der Beklagten
Hiergegen erhoben wir für die Beklagte den Einwand des Rechtsmissbrauchs mit der Begründung, die Klägerin habe unzulässige Forderungen gestellt. Die Klägerin hätte unserer Auffassung nach weder Abmahnkosten (vgl. § 13 Abs. 4 Nr. 1 UWG) noch eine strafbewehrte Unterwerfung (vgl. § 13a Abs. 2 UWG) fordern dürfen, weil es sich um Verstöße handelte, die gemäß § 13 Abs. 4 Nr. 1 UWG im elektronischen Geschäftsverkehr begangen wurden. Hierbei ist es unerheblich, dass die Angaben auch auf der physischen Verpackung fehlten, denn die Verstöße wurden zunächst online festgestellt.
c) Entscheidung des LG Trier
Das Gericht wies den Rechtsmissbrauchseinwand zurück und begründetet dies damit, dass schon keine Verstöße im elektronischen Geschäftsverkehr im Sinne des § 13 Abs. 4 Nr. 1 UWG vorlägen. Bei den streitgegenständlichen Pflichtangaben handele es sich um solche, die sich nach Art. 14 FMVV primär auf der physischen Produktverpackung befinden müssten und dort auch gefehlt hätten. Nur auf Grund einer Verweisungsnorm, hier Art. 11 Abs. 3 FMVV, habe darüber hinaus die zusätzliche Verpflichtung bestanden, diese Angaben auch im Onlineangebot vorzuhalten. In solch einem Fall läge kein im elektronischen Geschäftsverkehrs nach § 13 Abs. 4 Nr. 1 UWG begangener Verstoß vor. Es sei daher zulässig gewesen, dass die Klägerin bei ihrer Abmahnung sowohl den Ersatz von Abmahnkosten, als auch eine strafbewehrte Unterlassung gefordert habe.
Zur Spürbarkeit im Sinne des § 3a UWG
a) Vorwurf der Klägerin
Hinsichtlich der beiden anderen Vorwürfe hatte die Beklagte auf der Produktverpackung zum einen ein taggenaues Mindesthaltbarkeitsdatum (im Folgenden „MHD“), statt einer Kennnummer (bzw. Chargennummer) gemäß Art. 15 d) FMVV, und zum anderen die URL ihrer Webseite, statt einer Telefonnummer oder eines anderen geeigneten Kommunikationsmittels (z.B. E-Mail) gemäß Art. 19 FMVV, angegeben.
b) Einwand der Beklagten
Wir vertraten für die Beklagte die Ansicht, dass die beiden Verstöße nicht gemäß § 3a UWG spürbar seien. Wir stützten uns hierbei zusätzlich auf die Einschätzung der zuständigen Behörde, die zuvor gegenüber der Beklagten sowohl die Angabe eines MHD, als auch die die Webseitenangabe als im Sinne der streitgegenständlichen FMVV-Normen ausreichend eingestuft hatte.
c) Entscheidung des LG Trier
Diesmal gab das Gericht der Beklagten Recht und wies die Klageanträge mangels Spürbarkeit im Sinne des § 3a UWG ab. Hinsichtlich der fehlenden Kennnummer stellte das Gericht fest:
„Sinn und Zweck von § 15d FMVV ist nach Erwägungsgrund 17 FMVV die Rückverfolgbarkeit und Kontrollzwecke. Diese Erwägungen sind aber auch bei der Angabe des Mindesthaltbarkeitsdatums ausreichend gesichert. Dafür spricht insbesondere der Vergleich zum Lebensmittelrecht, in dem die Angabe der Kennnummer oder der Partie entbehrlich ist, wenn das Mindesthaltbarkeitsdatum angegeben ist. Das Verhalten des Unternehmers vermag den Durchschnittsverbraucher oder andere Marktteilnehmer also nicht davon abzuhalten, die Vor- und Nachteile einer geschäftlichen Entscheidung zu erkennen, abzuwägen und eine „effektive Wahl“ zu treffen.“
Zur Webseitenangabe führte das Gericht aus:
„Es ist für einen Durchschnittsverbraucher – aus denen auch die Kammer besteht, weswegen sie diese Frage aus eigener Anschauung beurteilen kann – eine Leichtigkeit, durch Eingabe der Homepage in den Internetbrowser die Emailadresse der Beklagten, ein kostenfreies Kommunikationsmittel, zu ermitteln, sodass der Verstoß keine erhebliche Schwere und letztlich auch keine Spürbarkeit aufweist.“
Fazit
Die Argumente des LG Trier zum Vorliegen von Verstöße gegen Informations- und Kennzeichnungspflichten im elektronischen Geschäftsverkehr oder in Telemedien gemäß §§ 13 Abs. 4 Nr. 1, 13 a Abs. 2 UWG lassen sich auf wettbewerbsrechtliche Abmahnung anderer Branchen, insbesondere auf den Onlinehandel von vorverpackten Lebensmittel, übertragen.
Gerade Verstöße gegen Informationspflichten des Art. 9 Abs. 1 VO (EU) Nr. 1169/2011 (im Folgenden: „LMIV“) werden häufig abgemahnt. Nach Art. 12 Abs. 2 LMIV sind diese Pflichtangaben direkt auf der Verpackung bzw. Etikett anzubringen. Wenn vorverpackte Lebensmittel online (bzw. im Fernabsatz) zum Verkauf angeboten werden, müssen diese Informationen zusätzlich auch dort zur Verfügung gestellt werden (vgl. Art. 14 Abs. 1 a) LMIV).
Nach der Logik des LG Triers kann es sich bei online festgestellte Verstöße gegen Informationspflichten des Art. 9 Abs. 1 LMIV grundsätzlich nicht um Verstöße gemäß §§ 13 Abs. 4, 13 a Abs. 2 UWG handeln. Mitbewerber dürften daher solche Rechtsbrüche ohne zu zögern abmahnen und dabei sowohl Abmahnkosten, als auch eine strafbewehrte Unterlassungserklärung fordern.