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Durch das Jahressteuergesetz 2022 (JStG) hat sich zum 01.01.2023 das Umsatzsteuergesetz, insbesondere im Hinblick auf Solarmodule für Photovoltaikanlagen einschließlich deren wesentlicher Komponenten und Speicher, geändert. Der sog. Nullsteuersatz wurde eingeführt. Dieser bewirkt – bei Vorliegen der Voraussetzungen – eine Steuerermäßigung von 19% MwSt. auf 0% MwSt..

Um keine Abmahnung zu riskieren, empfiehlt sich infolgedessen für Vertreiber von Photovoltaikanlagen eine Überprüfung der bisherigen Preisdarstellung in ihrem Online-Shop und u. U. eine Überarbeitung der eigenen AGB.

I. Rechtsgrundlage

Die Steuerermäßigung auf null ergibt sich aus § 12 Abs. 3 Nr. 1 UStG. Danach ermäßigt sich die Umsatzsteuer für Solarmodule und deren wesentliche Komponenten und der Speicher auf 0%, sofern der Kunde selbst Betreiber einer Photovoltaikanlage ist und die Photovoltaikanlage entweder

  • auf oder in der Nähe von Privatwohnungen, Wohnungen oder öffentlichen und anderen Gebäuden, die dem Gemeinwohl dienen, installiert wird

oder

  • die installierte Bruttoleistung der Photovoltaikanlage laut Marktstammdatenregister (MaStR) nicht mehr als 30 Kilowatt (peak) beträgt oder betragen wird.

II. Was bedeutet das konkret?

1. Voraussetzungen

Grundsätzlich begünstigt sind demnach Solarmodule für den Betrieb einer Photovoltaikanlage, wesentliche Komponenten und deren Speicher, die vom Unternehmer zum Kauf angeboten werden. Nicht umfasst sind Leasing- und Mietobjekte.

  • Keine wesentlichen Komponenten sind Zubehör, wie insbesondere Schrauben und Kabel, aber auch Stromverbraucher für den neu erzeugten Strom. Hierfür ist weiterhin der Regelsteuersatz von 19% einschlägig.

Eine weitere Voraussetzung für die Inanspruchnahme der Steuerermäßigung ist, dass der Erwerber selbst Betreiber der vertragsgegenständlichen Anlage ist.

Darüber hinaus muss die Photovoltaikanlage entweder an einem privilegierten Ort installiert werden oder die Vermutungsregelung greifen, wonach die Voraussetzungen einer Begünstigung als erfüllt gelten, wenn die installierte Bruttoleistung der Solaranlage nicht mehr als 30 kW (peak) beträgt oder betragen wird.

  • Wichtig für die Beurteilung der Bruttoleistung ist, dass diese einheitsbezogen zu prüfen ist. Bei einer nachträglichen Erweiterung einer Solarmodulanlage ist die Leistung der bestehenden Einheit mit der Erweiterung zu addieren und damit ggf. der Regelsteuersatz von 19% einschlägig.

2. Nachweispflicht trifft Unternehmer

Die Nachweispflicht der Erfüllung der Tatbestandsvoraussetzungen zur Anwendung des Nullsteuersatzes trifft den Unternehmer.

Damit der Unternehmer seiner Nachweispflicht hinsichtlich der kundenseitig zu erfüllenden Voraussetzungen nachkommt, ist es ausreichend, wenn der Kunde dem Unternehmer erklärt, dass er selbst Betreiber der Anlage ist und diese an einem privilegierten Ort installiert bzw. die Vermutungsregelung greift.

Eine solche Erklärung des Erwerbers kann auch im Rahmen der vertraglichen Vereinbarung (bspw. AGB) erfolgen. Die Integration einer entsprechenden „Betreibererklärung“ in die eigenen AGB des Unternehmers ist anzuraten. Daran anknüpfend ist sicherzustellen, dass die AGB gem. § 305 Abs. 2 BGB wirksam in den Vertrag miteinbezogen werden.

III. Anforderungen an die Preisdarstellung

Die rechtlichen Anforderungen an die Preisdarstellung in Online-Shops, insbesondere hinsichtlich der Mehrwertsteuerangaben, unterliegen der Preisangabenverordnung (PAngV) und den allgemeinen Vorgaben des Wettbewerbsrecht (Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, UWG).

Das sich aus dem Zusammenspiel der PAngV und dem UWG ergebende Prinzip der Preiswahrheit und Preisklarheit macht aus Transparenzgründen an gegebener Stelle eine Information darüber erforderlich, welche Umstände zur Anwendbarkeit des Nullsteuersatzes führen.

1. Angabe des Gesamtpreises

Gemäß § 3 Abs. 1, § 6 Abs. 1 Nr. 1 PAngV muss bei Internetangeboten gegenüber Verbrauchern der Gesamtpreis angegeben werden sowie, dass der für die Ware geforderte Preis die Umsatzsteuer enthält. Die Information erfolgt in der Praxis regelmäßig durch den Hinweis „inkl. MwSt.“ in unmittelbarer Nähe zur Preisangabe.

Bei einem Solarmodul für eine Photovoltaikanlage, wesentlichen Komponenten und Speichern, die die gesetzlichen Anforderungen erfüllen, reduziert sich der Regelsteuersatz von 19% auf 0%. Die Mehrwertsteuer entfällt aber nicht grundsätzlich. Es bleibt daher bei der Hinweispflicht, dass der angebotene Preis auf der Steuerermäßigung infolge des Nullsteuersatzes beruht.

2. Keinen falschen Eindruck erwecken

Gemäß § 3 Abs. 1, 3 UWG i.V.m. Anhang Nr. 10 und § 5 Abs. 1, 2 Nr. 2. UWG sind insbesondere solche unlauteren geschäftlichen Handlungen unzulässig, die entweder eine gesetzliche Verpflichtungen als Besonderheit eines Angebots darstellen und dadurch der Eindruck erweckt wird, dass es sich um ein besonderes unabhängig von der Gesetzeslage bestehendes reizvolles Angebot handelt, oder wenn Angaben gemacht werden, die dazu führen, dass der Verbraucher annimmt, es läge ein besonderer Preisvorteil vor.

Bespiele:

  • Eine Werbung mit der Aussage, dass für Solarmodule nur in diesem Shop exklusiv 0% Mehrwertsteuer anfallen würde, ist somit unzulässig.
  • Ebenfalls irreführend könnte eine Werbung sein, wenn die Mehrwertsteuersenkung grundsätzlich uneingeschränkt für jeden behauptet wird, da diese gerade nur unter bestimmten Voraussetzungen greift oder behauptet wird, der Preis wäre exklusive Mehrwertsteuer.

IV. Aktuelle Rechtsprechung

Dass weiterhin Rechtsunsicherheiten im Umgang mit der Kennzeichnung bestehen, zeigen unter anderem die folgenden Urteile:

  • LG Gießen

Das LG Gießen, Beschluss vom 24.03.2023 – Az. 8 O 3/23, setzte sich kürzlich mit der Preisangabe eines Photovoltaikhändlers auf der Plattform Google Shopping auseinander, wobei sich aus der Anzeige auf Google Shopping selbst nicht erkennen ließ, dass es sich um den umsatzsteuerermäßigten Preis handelt. Das LG nahm vorliegend einen Ausnahmefall an und entschied infolge einer Interessenabwägung, dass die Preisangabe der Anzeige nicht gegen die Preisangabenverordnung verstoße und auch nicht irreführend oder unlauter wäre.

Das Gericht führte aus, dass auf einer Plattform, wie hier Google Shopping, zwar nicht deshalb eine rechtswidrige Preisangabe gemacht werden dürfe, weil eine anderweitige Umsetzung technisch nicht möglich sei. In einem solchen Fall müsse vielmehr auf die Nutzung der Plattform verzichtet werden.

Die Anzeige leitete aber auf das entsprechende Angebot im eigenen Online-Shop des Unternehmers weiter. In diesem Online-Shop hatte der Unternehmer neben dem Angebot bei der Preisangabe einen Link mit dem Text „Befreiung von der USt.“ platziert. Daneben befand sich ein weiterer Link, welcher darüber informierte, dass der Artikel die Voraussetzungen des § 12 Abs. 3 UStG für die Steuerermäßigung erfüllt. Wiederum ein weiterer Link führte dann durch einen Klick zum Wortlaut des § 12 Abs. 3 UStG.

Die Preisangabe des Unternehmers entspreche deshalb den gesetzlich vorgegebenen Anforderungen:

„Zwar verpflichtet § 3 Abs. 1 PAngV Unternehmer, die Waren gegenüber Verbrauchern anbieten, zur Angabe des Gesamtpreises. Lässt sich ein Gesamtpreis aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalles nicht im Voraus einheitlich berechnen, ist vom Gesamtpreiserfordernis eine Ausnahme zu machen (vgl. BGH WRP 2016, 581, Rn. 24). Ein solcher Ausnahmefall liegt hier vor.“

Dieser Ausnahmefall wurde damit begründet, dass

  • eine Vielzahl der interessierten Käufer der Photovoltaikanlagen von der Umsatzsteuerermäßigung betroffen sind und für diese nur der 0%-Preis von Interesse ist.
  • von der Angabe des Preises inkl. 19% ebenso eine irreführende Wirkung ausgehen kann, da ein höherer als der letztlich zu zahlende Preis suggeriert wird.
  • der Förderungszweck, durch den Kauf von Photovoltaikanlagen durch erneuerbare Energien zum Klimaschutz beizutragen, durch die Angabe des 0%-Preises und Hinweis auf die Steuerermäßigung gezielt Rechnung getragen werden soll.

Die aufgezeigten Gründe fielen in der Interessenabwägung schwerer ins Gewicht, als eine durch die Preisangabe etwaig erzielte Anlockwirkung im Einzelfall. Dies gelte umso mehr, da der Unternehmer in seinem Online-Shop verständlich vor der finalen Kaufentscheidung des Interessenten über die Einzelheiten der Umsatzsteuerermäßigung informiert hat.

 

 

Anders dahingegen entschieden kürzlich sowohl das LG Koblenz in seinem Urteil zum einstweiligen Verfügungsverfahren vom 12.05.2023 – 4 HK O 7/23 als auch das OLG Schleswig in seinem Urteil (über eine Beschwerde gegen die Entscheidung des LG Itzehoe) vom 15.06.2023 – 6 W 9/23. Beide befassten sich in zwei separaten Fällen ebenfalls mit Google Shopping Anzeigen von Photovoltaikanlagen und deren Zubehör und kamen jeweils übereinstimmend zum selben Ergebnis:

Der in einer Google-Anzeige angegebene Preis für einen Bestandteil einer Photovoltaikanlage verstößt gegen das Gebot der Preisklarheit und Preiswahrheit, wenn nicht erkennbar ist, dass er 0% Umsatzsteuer enthält und an welche Bedingungen dieser Umsatzsteuersatz geknüpft ist.

 

  • LG Koblenz

Die Anzeige des Beklagten warb für eine Kombination aus einem Speichermedium und einem Wechselrichter für Photovoltaikanlagen und gab in dieser den Nettopreis, das heißt den Gesamtpreis mit 0 % MwSt. an, ohne die Anwendung des Nullsteuersatzes zu benennen oder auf Voraussetzungen des § 12 Abs. 3 UStG hinzuweisen. Erst mit Anklicken des Angebots führte dieses auf die Internetseite des Beklagten, auf der in einem Sternchen-Hinweis auf die Norm hingewiesen wurde. Die durch die mangelnde Aufklärung am Google Shopping Angebot erzeugte Irreführung über eine vermeintliche Berechtigung zur Inanspruchnahme des Nullsteuersatzes, täuscht darüber hinweg, dass daran Voraussetzungen geknüpft sind. Die an den Nullsteuersatz gekoppelten „Hürden“ nicht zu benennen, ermöglicht eine grundsätzliche Lockwirkung des Blickfangs. Der vernünftige Betrachter geht davon aus, dass dieser Preis mit der üblichen 19% MwSt. ausgezeichnet ist und erscheint demnach besonders günstig.

Dass es sich bei Interessenten für Photovoltaikanlagen um über die Anwendungsvoraussetzungen des Nullsteuersatzes informierte Betrachter handele, lässt sich entgegen des Beklagtenvorbringens auch nicht dadurch herleiten, dass bei dieser Kaufentscheidung hohe Investitionskosten im Raum stehen. Ein Allgemeinwissen über die Voraussetzungen für Steuerermäßigungen kann dem angesprochenen Verkehrskreis nicht unterstellt werden. Es fehlt der aufklärende Hinweis, der am Blickfang teilhat.

Die 4. Kammer für Handelssachen des LG Koblenz setzt sich außerdem klar in Widerspruch mit der Entscheidung des LG Gießen:

„Die Kammer vermag sich der Rechtsansicht des Landgerichts Gießen, dass der Anlockeffekt hier angesichts der von der Regierung durch die Steuerbefreiung beabsichtigten Förderung des Absatzes von Photovoltaikanlagen aus Klimaschutzgründen hingenommen werden müsse, nicht anzuschließen. Denn die durch die Preisangabe ohne Hinweis auf den 0 %-Steuersatz und dessen Voraussetzungen verursachte Wettbewerbsverzerrung und Irreführung der angesprochenen Verkehrskreise lässt sich dadurch verhindern, dass in der Werbung über die Preisgestaltung transparent aufgeklärt wird.“

 

  • OLG Schleswig

Auch hier wies die beanstandete Google Shopping Anzeige eines Photovoltaikhändlers den Nettopreis, also den Endpreis bei 0% MwSt. aus, ohne darauf hinzuweisen, dass der Preis besagte 0% Umsatzsteuer enthält und an welche Bedingungen dieser Steuersatz geknüpft ist. Durch die fehlende Aufklärung über die Bedingungen, unter denen der angegebene Preis gilt, wird beim angesprochenen Verkehrskreis ein Irrtum erzeugt und gegen das Gebot der Preisklarheit und Preiswahrheit verstoßen.

Dem Vorbringen, dass sich die Anzeige ausschließlich an Verbraucher richte, die stets der Regelung über den Nullsteuersatz unterfallen, wurde nicht gefolgt, da auch andere, wie bspw. Kleinunternehmer die ihren Geschäftsbetrieb mit selbst produziertem Strom betreiben wollen, angesprochen werden können. Jedenfalls erwarte gleich welcher Verkehrskreis, dass im Internet Gesamtpreise einschließlich des vollen Umsatzsteuersatzes gem. § 3 Abs. 1 PAngV angezeigt werden. Doch auch hier fanden sich keine am anlockenden Blickfang der Anzeige teilhabenden Erläuterungen dazu, unter welchen Voraussetzungen der reduzierte Umsatzsteuersatz gilt.