Der EuGH hat sich durch kürzlich ergangenes Urteil zu der Anwendung von AGB-Vorschriften auf Ausbildungsverträge mit Nachwuchssportlern verhalten. Die Entscheidung stellt Weichen für stärkeren rechtlichen Schutz im Nachwuchssport und klärt einige AGB-rechtlich interessanten Fragen zu Inhaltskontrolle von Hauptleistungspflichten.
A. AGB-Recht und Unionsrecht
Allgemeine Geschäftsbedingungen sind aus Verbraucherschutzgründen kleinteiliger rechtlicher Überprüfung unterworfen. So kleinteilig, dass Juristen auf das typische „das lese ich doch nicht alles“ gerne beschwichtigend mit einem „ist auch nicht nötig, kann ja eh nichts schlimmes drinstehen“ reagieren.
Das deutsche AGB-Recht hat dabei aber eigentlich ganz andere Anfänge genommen: als es 1976 durch das AGBG kodifiziert wurde, sollte allgemein auf den geänderten Rechtsverkehr mit Massengeschäften reagiert werden, in dem der klassische, ausgehandelte Vertrag vollkommen in den Hintergrund gerückt ist.
Erst 1993 wurde in Umsetzung der RL 93/13/EWG das AGB-Recht auch Verbraucherschutzrecht. Der deutsche Gesetzgeber hat sich dabei aber nicht genötigt gesehen, die bestehenden Regelungen zu modernisieren, sondern hat den Verbraucherschutz über ein paar Sonderregelungen zum allgemeinen AGB-Recht hinzugefügt (heute § 310 Abs. 3 BGB). Dadurch entstand eine verschachtelte, zum Teil unionsrechtlich, zum Teil rein aus deutschem Recht, geprägte Regelungsmaterie, in der regelmäßig Klärungsbedarf besteht.
So konnte der EuGH fast froh sein, dass der Ausgangsrechtsstreit nicht aus Deutschland, sondern aus Lettland kam, wo die Richtlinie erheblich direkter in das nationale Recht übertragen wurde. Der Beitrag wagt deshalb aber auch den Blick auf die deutsche Rechtslage zur Klärung der Frage der Übertragbarkeit.
B. Ausgangsrechtsstreit: Sportförderung zwischen Geschäft und Glücksspiel
Ausgangspunkt für den Rechtsstreit ist ein Vertrag der in Lettland zwischen einem 17-jährigen Nachwuchsbasketballspieler, vertreten durch seine Eltern, und einer Sportförderung geschlossen wurde. Der Vertrag sieht vor, dass die Sportförderung zunächst einmal unentgeltlich erbracht wird (diese sollte u.a. Ausbildung, Training, Sportmedizin, sportpsychologische Begleitung, Agenturdienstleistungen umfassen). Die Gegenleistung soll dann vom Erfolg der Förderung abhängig sein, dadurch, dass vereinbart wurde, dass der Sportler 10% aller Nettoeinnahmen für die nächsten 15 Jahre schuldet, soweit sein Gewinn 1.500 EUR pro Monat überschreitet.
In diesem Fall war die Förderung wohl tatsächlich erfolgreich, denn der Vertragspartner ist in eine erfolgreiche Profikarriere eingestiegen und hat seitdem 16.637.779 EUR verdient, von denen die Sportförderung jetzt vertragsgemäß 1.663.777 EUR einfordert. Der Sportler hält diese Gegenleistungsklausel nun für AGB-rechtlich unwirksam, das höchste lettische Gericht entschied sich zur Klärung des unionsrechtlichen Rahmens im Verbraucherschutzrecht einige Fragen dem EuGH vorzulegen, der dazu nun entschieden hat. Es geht insbesondere um den Anwendungsbereich der Richtlinie und die Kontrollfähigkeit der Klausel.
C. Auch Nachwuchssportler sind Verbraucher
Die Richtlinie erfasst nur Rechtsgeschäfte zwischen Unternehmern und Verbrauchern (in Deutschland §§ 13, 14 BGB). So stellt sich also die Frage, ob ein Nachwuchssportler, der zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses noch nicht professionell tätig ist, im Laufe des Vertrages aber zum Profisportler wird, als Verbraucher im Sinne des Unionsrechts anzusehen ist. Dagegen führt die Sportförderung aus, dass Nachwuchssportler im Gegensatz zum üblichen Verbraucher, der wegen der besonderen wirtschaftlichen und informationellen Machtasymmetrie besonders schützenswert ist, sich regelmäßig gut auf dem Markt auskennen und in keiner vergleichbaren Rolle sind.
Dieser Argumentation folgt der EuGH jedoch nicht. Konsequent verweist er darauf, dass die Verbrauchereigenschaft eine objektive ist, die unabhängig von tatsächlichen Kenntnissen zu bestimmen ist. Unter Berücksichtigung dieses Maßstabes müssen auch Nachwuchssportler Verbraucher sein, denn: maßgeblich ist der Zeitpunkt des Vertragsschlusses und Nachwuchssportler sind eben noch nicht im Rahmen ihrer gewerblichen Tätigkeit aktiv, sondern erstmal „nur“ Sportler. Damit findet das verbraucherschützende AGB-Recht umfassend auch auf Dauerschuldverhältnisse mit Nachwuchssportlern Anwendung.
D. Kontrollfähigkeit der Klausel
Problematischer ist dagegen die Kontrollfähigkeit der 10%-Klausel. Ob eine Klausel kontrollfähig ist, betrifft die Frage, ob das Recht den Gerichten die Befugnis einräumt zu überprüfen, ob die Vereinbarung der Parteien inhaltlich zu beanstanden ist, weil sie aus einem materiellen Grund missbräuchlich ist.
Grundsätzlich nicht kontrollfähig sind dabei Klauseln über „den Hauptgegenstand des Vertrages“ und „die Angemessenheit zwischen dem Preis […] und den Dienstleistungen“. Hier geht es nun aber um den Hauptgegenstand, nämlich die Hauptleistungspflicht des Sportlers. Diese ist aber ausnahmsweise dann doch kontrollierbar, wenn sie nicht „klar und verständlich abgefasst“ ist. Der EuGH gibt dem lettischen Gericht hier de Hinweis an die Hand, dass er wohl Anzeichen dafür sieht, dass das hier nicht der Fall sein könnte, weil für den Sportler gar nicht absehbar war welche finanzielle Belastung das in Zukunft bedeuten könnte und wie diese Belastung sich zu den erbrachten Dienstleistungen verhält.
E. Unwirksamkeit: was wäre wenn?
Was ist nun, wenn das lettische Gericht die Klausel für unwirksam hält? Im AGB-Recht gilt das Verbot der geltungserhaltenden Reduktion. Verwender von AGB sollen nicht darauf vertrauen dürfen, dass das Gericht ihre rechtswidrige Klausel schon irgendwie abschwächen wird. Eine unwirksame Klausel ist deshalb automatisch nichtig, an ihre Stelle tritt die gesetzliche Regelung und der Vertrag bleibt im Übrigen wirksam (§ 306 BGB). Nun gibt es aber keine gesetzliche Regelung für die Höhe der Vergütung von Sportförderungsprogrammen, die an die Stelle der Vereinbarung treten könnte. Die Folge: der Anspruch auf die fast 1,7 Mio. EUR fällt ersatzlos weg.
Auf Nachfrage des lettischen Gerichts, bekräftigt der EuGH auch nochmal: Ja, selbst ein „fairer Ausgleich“, nach dem der Sportler nur die der Sportförderung tatsächlich entstandenen Kosten ersetzen müsste, wäre eine geltungserhaltende Reduktion und damit unzulässig.
F. Wie sieht das in Deutschland aus?
In Deutschland ist das AGB-Recht wie oben erwähnt zwar erheblich komplexer, würde aber wohl dasselbe Ergebnis produzieren, schließlich handelt es sich um eine unionsrechtliche Vorgabe. Interessant ist insoweit, dass das deutsche Zivilrecht einen besonderen Vermögensschutz des Minderjährigen in § 1629a BGB vorschreibt, wonach der Minderjährige für Verbindlichkeiten, die vor dem Eintritt der Volljährigkeit von den Eltern begründet wurden, nur mit dem Vermögen haftet, dass er am Stichtag des 18. Geburtstages hatte. Eine entsprechende Regelung wäre damit (außer für einen sehr reichen Minderjährigen) in Deutschland also ohnehin erheblichen rechtlichen Hürden ausgesetzt. Maßgeblich ist nämlich auch hier nicht, dass der Sportler dann schnell volljährig geworden ist, sondern der Zeitpunkt des Vertragsschlusses.