Wann wird aus einer Kundenrezension Werbung, die dem Anbieter eines Produktes zugerechnet werden muss? Mit dieser Frage beschäftigen sich deutsche Gerichte schon eine ganze Weile. Das LG Bochum (Urteil vom 21.11.2024 – 14 O 65/24) hatte nun im Fall einer Kaffeerösterei zu entscheiden und ergänzt damit die herrschende Rechtsprechung.
Folgenschwere Kundenrezensionen
Eine Rösterei bewarb einige ihrer Kaffeesorten im Internet als „bekömmlich“ und „magenschonend“. Daran störte sich ein Wirtschaftsverband, der Wettbewerbsverstöße für seine Mitglieder verfolgt. Im Rahmen der Auseinandersetzung gab die Beklagte Rösterei eine strafbewehrte Unterlassungserklärung ab und stellte die eigene Werbung mit den angegriffenen Begriffen ein. Dabei ließ sie jedoch weiterhin Rezensionen ihrer Produkte durch ihre Kunden zu, die ihrerseits die Angaben „bekömmlich“ und „magenschonend“ enthielten. Aus Sicht des Klägers stellte dies einen Verstoß gegen die Unterlassungserklärung dar, die Beklagte war naturgemäß anderer Auffassung.
„Zu eigen machen“ in der Rechtsprechung
Das LG Bochum hatte daher, im Lichte einer BGH Entscheidung in einem ähnlichen Fall, darüber zu entscheiden, wann ein sich Werbende fremde Aussagen „zu eigen machen“.
Zur Erinnerung: In dem Verfahren vor dem BGH (Urt. v. 20.2.2020 – I ZR 193/18) ging es um ein Amazon-Angebot für Kinesiologie-Tape, für das mit irreführenden Angaben geworben wurde. Der Anbieter stellte zwar selbst die zweifelhaften Angaben ein, die Amazon-Bewertungen blieben jedoch bestehen. Der BGH entschied schließlich, dass der Anbieter nicht für solche Bewertungen hafte, da er sie sich nicht zu eigen gemacht habe. Dafür komme es nämlich entscheidend darauf an, ob ein Anbieter nach außen erkennbar die inhaltliche Verantwortung für die Äußerungen Dritter übernehmen wolle oder den zurechenbaren Anschein erwecke, er identifiziere sich mit ihnen. Tatsächlich seien die Kundenbewertungen jedoch als solche gekennzeichnet, vom eigentlichen Angebot getrennt und würden von den Nutzern üblicherweise nicht dem Anbieter zugerechnet, da sie wüssten, dass Amazon dem Anbieter keinen Zugriff auf die Kundenrezensionen gewähre.
Anders lag es nun in einem Fall vor dem LG Bochum (Urt. v. 21.11.2024 – 14 O 65/24). Zum einen kontrolliere die Beklagte ihre Produktrezensionen, wie sich an der Unterscheidung zwischen Rezensionen von verifizierten und nicht-verifizierten Käufern zeige. Offenbar solle so den verifizierten Bewertungen eine besondere Bedeutung zukommen. Außerdem seien die Rezensionen werbend am Ende jeder Übersichtsseite und zusätzlich am Ende einer Produktinformationsseite eingestellt. So seien die Rezensionen für interessierte Kunden unmittelbar einsehbar. Die Beklagte habe sie damit erkennbar als Werbung und nicht nur zum eigenen Informationsgewinn einsetzen wollen.
Auch dass die Beklagte für ihre Rezensionen ein Bewertungstool eines anderen Anbieters verwende, half darüber nicht hinweg. Selbst wenn die Beklagte das auf ihrer Webseite verwendete Bewertungstool nicht betreue, müsse sie doch auf dessen Anbieter einwirken um ihrer Unterlassungsverpflichtung gerecht zu werden. Aus Sicht des Gerichts stellten daher Angaben wie „bekömmlich“ und Bewertungen wie „Selbst meinem etwas empfindlichen Magen bereitet diese spezielle Kaffeesorte bei der richtigen Röstmethode keinerlei Probleme.“ einen Verstoß durch die Beklagte dar. Die Klage des Wirtschafsverbandes sah das Gericht damit als begründet an.
Fazit
Damit legt das LG Bochum scheinbar neue Anhaltspunkte dafür fest, wann ein „zu eigen machen“ von Aussagen Dritter vorliegt. Zugleich muss man mit Blick auf die (recht kurze) Urteilsbegründung aber auch feststellen, dass die Unterschiede zum BGH-Fall nicht ganz so groß sind, wie das Gericht sie erscheinen lässt.
Auch auf Amazon wird zwischen verifizierten und nicht-verifizierten Käufern ausdrücklich unterschieden. Die Bewertungen sind jedenfalls als durchschnittliche Angabe von Sternen schon in der Produktvorschau erkennbar. Und der Effekt der Bewertungen auf andere Kunden dürfte hier wie dort ähnlich sein.
Warum beide Fälle unterschiedlich zu behandeln sind, wird daher aus dem Urteil der LG Bochum nicht ohne Weiteres ersichtlich. Das Verfahren könnte daher in die nächste Instanz gehen. Jedoch wird der entscheidende Unterschied darin liegen, dass Anbieter auf Amazon keinerlei Einfluss auf die Kundenrezessionen haben.