Direkt zum Inhalt wechseln

In seiner Entscheidung vom 27.01.2023 erkennt das Landesarbeitsgericht Stuttgart, dass die Auswertung von Daten betrieblicher Kommunikationsmittel (bspw. E-Mail, WhatsApp) bei gestatteter Privatnutzung nur sehr eingeschränkt möglich ist (LAG Stuttgart, Urteil vom 27.01.2023, Az.: 12 Sa 56/21).

Das Landesarbeitsgericht Stuttgart hatte im Rahmen eines arbeitsrechtlichen Kündigungsschutzprozesses zu entscheiden, ob der Inhalt betrieblicher ­Kommunikationsmittel vom Arbeitgeber verwertet werden darf.

Hintergrund:

Zunächst klagte ein Arbeitnehmer vor dem Arbeitsgericht Mannheim (ArbG Mannheim, Urteil vom 20.5.2021, Az.: 14 Ca 135/20) gegen die Kündigung seines Arbeitgebers. Der Kläger übte die Tätigkeit des Vertriebsleiters bei der Beklagten aus. Der Arbeitsvertrag des Klägers enthielt unter anderem eine Verschwiegenheitsklausel. Die Beklagte kündigte dem Kläger mit der Begründung, dass dieser gegen seine vertragliche Verschwiegenheitspflicht verstoßen hätte. Die Beklagte wollte diese Verschwiegenheitspflichtverletzung mit den Ergebnissen einer verdeckten (heimlichen) Auswertung der WhatsApp- und E-Mail-Kommunikation des Klägers belegen. Der Kläger nutzte in Absprache mit der Beklagten die Dienste des Anbieters WhatsApp auf seinem Dienstmobiltelefon, sowohl zur dienstlichen, als auch privaten Kommunikation. Laut des Arbeitsgerichts Mannheim ist eine solche Auswertung der personenbezogenen Daten von Arbeitnehmenden für Zwecke des Arbeitsverhältnisses und dessen Beendigung unter Beachtung datenschutzrechtlicher Bestimmungen, insbesondere des § 26 Bundesdatenschutzgesetz (BDSG), zulässig. Hat der Arbeitgeber allerdings die Privatnutzung betrieblicher Kommunikationsmittel gestattet, ist im Rahmen von § 26 Abs. 1 Satz 1 BDSG bei der Auswertung der Daten eine verschärfte Verhältnismäßigkeitskontrolle durchzuführen. Eine Unverhältnismäßigkeit sei gegeben, wenn die Auswertung der Daten nicht zur Wahrung legitimer Interessen des Arbeitgebers, insbesondere zur Aufklärung des Verdachts einer schwerwiegenden Pflichtverletzung, erforderlich und verhältnismäßig ist. Das Arbeitsgericht entschied, dass die Verhältnismäßigkeit im vorliegenden Fall nicht gegeben war, da die Auswertung seiner privaten Daten ohne vorherige Kenntnis des Klägers erfolgte. Damit sei im vorliegenden Fall ein Sachverwertungsverbot für die ausgewerteten Daten einschlägig.

Die Entscheidung des LAG:

Das Landesarbeitsgericht Stuttgart bestätigt die Auffassung des Arbeitsgerichts. Das Landesarbeitsgericht teilt die Auffassung, dass die vorgelegten Beweise der Beklagten aufgrund einer unzulässigen Datenverarbeitung nicht verwertet werden dürfen und damit in Ermangelung eines Kündigungsgrundes die Kündigung des Klägers unwirksam ist.

Weder sei die Verarbeitung der Daten des Arbeitnehmers von § 26 BDSG gedeckt gewesen, noch habe eine Einwilligung des Arbeitnehmers in die Verarbeitung seiner personenbezogenen Daten vorgelegen. Das Landesarbeitsgericht sieht auch in der Rückgabe des Mobiltelefons durch den Arbeitnehmer an den Arbeitgeber bei Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses keine Einwilligung in die Auswertung der Daten. Zu einer privaten Nutzung des betrieblichen E-Mail-Accounts führt das Landesarbeitsgericht aus, dass der Arbeitnehmer von einer Zustimmung der privaten Nutzung seiner dienstlichen E-Mailadresse ausgehen konnte. Das Landesarbeitsgericht betrachtet die private Nutzung betrieblicher E-Mail-Adressen als üblich. Auch bei E-Mail-Nachrichten unter Kollegen geht das Landesarbeitsgericht von einem erwartbaren Austausch privater Informationen aus. Somit bedarf es eines expliziten Verbots privater Nutzung betrieblicher Kommunikationsmittel durch den Arbeitgeber, wenn von diesem eine ausschließlich betriebliche Nutzung gewünscht ist. Das Landesarbeitsgericht kommt mithin zu dem Schluss, dass eine verdachtsunabhängige verdeckte Auswertung eines betrieblichen Kommunikationsmittels unzulässig ist. Dem Arbeitnehmer muss zumindest im Vorfeld einer Durchsuchung betrieblicher Kommunikationsmittel die Möglichkeit gegeben werden, private Nachrichten in Ordner zu speichern, auf die kein Zugriff des Arbeitgebers erfolgt.

Auf Grund des Verstoßes gegen § 26 BDSG habe der Kläger zudem Anspruch auf eine Entschädigung nach § 82 Abs. 1 Datenschutzgrundverordnung (DSGVO). Ein immaterieller Schaden sei gegeben, da sehr persönliche Daten des Klägers von der Beklagten über einen erheblichen Zeitraum ausgewertet und anschließend im Arbeitsgerichtsprozess eingebracht worden seien.

Empfehlung:

Arbeitgeber sollten klare Regeln für den Umgang mit betrieblichen Kommunikationsmitteln aufstellen und sich die rechtlichen Möglichkeiten einer Auswertung der Mitarbeiterdaten bewusst machen. Soll eine private Nutzung nicht erlaubt sein, ist den Arbeitnehmenden ein Verbot klar zu kommunizieren. Der Ausschluss einer privaten Nutzung betrieblicher Kommunikationsmittel kann durch eine entsprechende arbeitsvertragliche Reglung oder im Rahmen einer Betriebsvereinbarung erfolgen. Ist die private Nutzung erlaubt, so bedarf es der vorherigen Ankündigung einer Durchsuchung des E-Mail-Postfachs oder anderer Kommunikationskanäle. Um den Arbeitnehmenden im Vorfeld einer solchen Untersuchung keine Möglichkeit der Sortierung der Daten in privat und betrieblich gewähren zu müssen, können Arbeitgeber den Arbeitnehmenden die private Nutzung nur gestatten unter der Prämisse, dass die Daten sofort in entsprechende Ordner einsortiert werden.

Grundsätzlich ist jedoch für Arbeitgeber zu empfehlen eine private Nutzung betrieblicher Kommunikationsmittel zu untersagen, um Kontrollen betrieblicher Kommunikationsmittel nicht zu erschweren und auch keine Schadensersatzansprüche von Arbeitnehmenden ausgesetzt zu werden.

 

Bei Fragen rund ums Arbeitsrecht beraten wir Sie gern. Schreiben Sie einfach eine E-Mail an Daniela Schumann unter schumann@haerting.de.