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Mit Urteil vom 30.01.2025 (Az. 2 AZR 68/24) hat das Bundesarbeitsgericht entschieden, dass der Einlieferungsbeleg und der Sendungsstatus einer als Einwurf-Einschreiben verschickten Kündigung nicht geeignet sind, einen Anscheinsbeweis für den Zugang einer Kündigung zu begründen.

Hintergrund

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer Kündigung der Beklagten mit Schreiben vom 26.07.2022.

Mit diesem Schreiben kündigte die Beklagte das seit Mai 2021 bestehende Arbeitsverhältnis mit der Klägerin außerordentlich, hilfsweise ordentlich zum 30.09.2022. Die Klägerin bestreitet den Zugang des Schreibens vom 26.07.2022.

Die Beklagte hält die Kündigung für wirksam, weil die Klägerin sie nicht innerhalb der Frist des § 4 S. 1 KSchG angegriffen habe. Zwei Mitarbeitende der Arbeitgeberin hätten das Kündigungsschreiben vom 26.07.2022 gemeinsam in einen Briefumschlag gesteckt. Anschließend habe eine der beiden Mitarbeitenden den Umschlag zur Post gebracht und dort am 26.07.2022 um 15:35 Uhr als Einwurf-Einschreiben zur Sendungsnummer RT persönlich aufgegeben. Der online abrufbare sog. Sendungsstatus habe ausgewiesen, dass das Schreiben der Klägerin am 28.07.2022 zugestellt worden sei. Insoweit bestehe ein Anscheinsbeweis, der durch das pauschale Bestreiten der Klägerin nicht erschüttert werde. Dem stehe nicht entgegen, dass die Beklagte die Kopie des Auslieferungsbelegs nicht mehr vorlegen kann. Die Beklagte hat den Auslieferungsbeleg nicht innerhalb der Aufbewahrungsfrist von 15 Monaten bei der Deutschen Post AG angefordert, mit der Folge, dass der Beleg nach Ablauf der Frist vernichtet wurde.

Die Entscheidung des BAG

Das BAG entschied, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die Kündigung der Beklagten vom 26.07.2022 aufgelöst worden ist.

Eine verkörperte Willenserklärung unter Abwesenden geht zu, sobald sie in verkehrsüblicher Weise in die tatsächliche Verfügungsgewalt des Empfängers, beispielsweise in einen Briefkasten, gelangt ist und für diesen unter gewöhnlichen Umständen die Möglichkeit besteht, von ihr Kenntnis zu nehmen.

Die Beklagte trägt die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass der Klägerin die Kündigung zugegangen ist.

Für den Umstand, dass die Kündigung der Klägerin zugegangen ist, hat die Beklagte keinen Beweis angeboten. Es besteht zudem kein Anscheinsbeweis zugunsten der Beklagten, dass der Zugang des Kündigungsschreibens bei der Klägerin erfolgt ist.

Für den Beweis des ersten Anscheins, dass das Schreiben der Klägerin tatsächlich zugegangen ist, reicht es nicht aus, dass die Beklagte den Einlieferungsbeleg eines Einwurf-Einschreibens, der das Datum und die Uhrzeit der Einlieferung sowie die Postfiliale und die Sendungsnummer ausweist, vorgelegt hat.

Vielmehr entschied das BAG, dass ohne die Vorlage einer Reproduktion des Auslieferungsbeleges kein Anscheinsbeweis für den Zugang beim Empfänger begründet wird, da so Angaben über die Person des den Einwurf bewirkenden Postbediensteten sowie weitere Einzelheiten der Zustellung nicht vorgetragen werden können. Den Auslieferungsbeleg konnte die Beklagte hier nicht mehr vorlegen, weil sie diesen nicht innerhalb der Aufbewahrungsfrist der Deutsche Post AG von 15 Monaten angefordert hatte.

Das BAG stellte fest, dass der Sendungsstatus und der Einlieferungsbeleg nicht dafür geeignet sind, nachzuweisen, wer die Sendung zugestellt hat und zu welchem Zeitpunkt, an wen, unter welcher Adresse die Zustellung erfolgt sein soll.

Fazit

Das BAG stellt mit diesem Urteil heraus, dass die Beweisführung des Zugangs einer Kündigung höchsten Anforderungen genügen muss. Das BAG entschied, dass der Einlieferungsbeleg und der Sendungsstatus eines Einwurf-Einschreibens nicht geeignet sind, den Zugang einer Kündigung zu beweisen. Der Beweis der Zustellung einer Kündigung mittels Einwurf-Einschreiben kann nur rechtssicher mit der Vorlage des Auslieferungsbelegs erbracht werden.

Praxishinweis

Dieses Urteil verdeutlicht den hohen Stellenwert, der einer gewissenhaften Vorbereitung und dem Ausspruch einer Kündigung zukommt.

Arbeitgebern wird empfohlen, ihr Vorgehen beim Ausspruch von Kündigungen dahingehend zu überprüfen, ob sie bei der Zustellung auf Verfahren zurückzugreifen, die eine lückenlose und unmittelbar nachvollziehbare Dokumentation ermöglichen. Vorzugsweise sollte eine Kündigung durch persönliche Übergabe mittels eines Boten erfolgen, der als Zeuge für die Zustellung fungieren kann.