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Aufgrund der Corona-Pandemie wurde die Schließung einer Vielzahl von Gewerben, insbesondere Restaurants, Einzelhändler, Fitnessstudios, angeordnet, mit drastischen Umsatzverlusten für die Betreiber. Rechtsgrundlage für den Erlass dieser Betriebsschließungen ist dabei das Infektionsschutzgesetz (IfSG).

Zum Erstaunen der Versicherungsnehmer lehnen viele Versicherer nun eine vollständige Schadensregulierung ab.

Branchenüblich enthält die Versicherungspolice die Klausel, dass nur Betriebsschließungen aufgrund solcher Krankheiten oder Erregern versichert sind, welche nach §§ 6 und 7 IfSG meldepflichtig sind. Häufig wird im Anschluss auch noch katalogisch festgelegt, welche Krankheiten die Betriebsschließungsversicherungen konkret umfasst. Der Corona Virus, der in Deutschland erstmalig am 28. Januar 2020 nachgewiesen wurde, findet sich dort naturgemäß nicht.

Hieraus folgern viele Versicherer jetzt, dass bei einer coronabedingten Schließung kein Versicherungsschutz bestehe. Die Betriebsschließungsversicherungen decke zudem keine Schließungen der Betriebe durch Allgemeinverfügungen der zuständigen Ministerien oder Behörden aus.

Dieser pauschalen Verweigerung des Versicherungsschutzes bei coronabedingten Betriebsschließungen steht auf rechtlich tönernen Füßen und ist häufig rechtswidrig.

1. Bedarf es tatsächlich einer konkreten behördlichen Anordnung?

Entgegen der Auffassung der Versicherer besteht eindeutig Versicherungsschutz, auch wenn es sich nicht um eine konkrete behördliche Anordnung im Einzelfall, sondern um eine Allgemeinverfügung handelte.

Eine Allgemeinverfügung ist gemäß § 35 S. 2 VwVfG eine von der Behörde betroffene Einzelfallentscheidung auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts, die sich gegen eine unbestimmte Anzahl von Adressaten richtet. Damit ist sie Sonderfall eines Verwaltungsaktes gemäß § 35 S. 1 VwVfG, mithin also eine behördliche Anordnung. Das Argument der Versicherungen, dass kein Versicherungsschutz bestehe, da eine Allgemeinverfügung keine behördliche Anordnung darstelle, ist somit abzulehnen. Ferner ist bei Auslegung der Versicherungsbedingung nach dem Verständnis des durchschnittlichen Versicherungsnehmers davon auszugehen, dass es für diesen keinen Unterschied macht, ob die Betriebsschließung nun konkret durch die Behörde oder im Rahmen einer Allgemeinverfügung erfolgte. Die Betriebsschließung wurde hoheitlich angeordnet. Dies ist der entscheidende Faktor, der die Leistungspflicht des Versicherers begründet.

Folgerichtig darf es dann auch keinen Unterschied machen, ob es tatsächlich zu einer konkreten Feststellung von Krankheitserregern im jeweiligen Betrieb kam, sodass auch die präventive Betriebsschließung auf Grundlage der Allgemeinverfügung geeignet ist, den Versicherungsschutz zu begründen. Ohnehin ergibt sich zumeist nicht aus den Versicherungsbedingungen, dass eine Schließung nicht aus generalpräventiven Gründen erfolgen darf, sondern es einer konkreten Gefahr bedarf. So verlangen die Versicherungsbedingungen oftmals nur eine „Betriebsschließung“ durch die „zuständige Behörde“ gestützt auf das „IfSG“. Diese Voraussetzungen liegen unstreitig vor, unabhängig davon ob es sich nun um eine präventive Anordnung handelt oder ob Krankheiten oder Krankheitserreger konkret festgestellt wurden.

2. Versicherungsschutz für Co-Vid19?

Die Versicherer argumentieren häufig, dass das neuartige Coronavirus sei nicht in Katalog der Krankheiten aus §§ 6 und 7 IfSG aufgeführt, sodass kein Versicherungsschutz bestehe.

Auch dieses Argument ist nicht stichhaltig.

Soweit sich die Versicherungsbedingungen lediglich auf die §§ 6 und 7 IfSG beziehen, ohne Krankheiten oder Krankheitserreger katalogisch aufzulisten, ist die fehlende Nennung des Coronavirus unproblematisch. Der Coronavirus wurde als meldepflichtige Krankheit in § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 IfSG durch die „2019-nCoV“-Meldepflicht-Verordnung aufgenommen. Das Virus ist nunmehr eine meldepflichtige Krankheit im Sinne des IfSG, sodass ein Versicherungsschutz bestehen muss.

3. Versicherungsrechtlicher Schutz besteht: Die Bedingung verstößt ohnehin gegen das AGB-Recht

Ein Versicherungsausschluss bislang unbekannte Krankheiten oder Krankheitserreger wäre nach geltendem AGB Recht überraschend und unwirksam. Ein Versicherungsausschluss müsste in den Versicherungsbedingungen ausdrücklich und transparent geregelt werden.   

Bei Auslegung der Versicherungsbedingungen ist gemäß § 305 c Abs. 2 BGB die für den Versicherer ungünstigste Variante zu wählen. Bei Unklarheit besteht damit eine Leistungspflicht des Versicherers für Betriebsschließungen aufgrund neuartiger Krankheiten und Krankheitserreger.

Nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB dürfen wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur der Versicherung ergeben nicht einschränkt werden, wenn die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist. Der Vertragszweck einer Betriebsschließungsversicherung liegt aber in der Kompensation für Umsatzverluste aufgrund von infektionsbedingten Betriebsschließungen.

4. Ergebnis

Die Ablehnung des Versicherungsschutzes für Corona bedingte Betriebsschließungsanordnungen ist in vielen Fällen fehlerhaft.

Einige Versicherungen versuchen nun, den Versicherungsnehmern ein Angebot zur Regulierung von 10-15 % des eigentlichen Versicherungsanspruchs zu unterbreiten. Die Annahme eines solchen Angebots sollte wohl überlegt sein. Der Versicherungsnehmer verzichtet nicht nur auf 85-90 % seines Versicherungsanspruchs. Überdies kann die Versicherte im Falle eines Vergleiches mit der Versicherung ihre Haftungsansprüche gegen den Staat für die Betriebsschließung verlieren.  Ein Vergleich mit den Versicherern muss daher wohl erwogen und darf nicht vorschnell akzeptiert werden.