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Der Bundesgerichtshof (BGH) legt mit Beschluss vom 14.9.2023 dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) Fragen zum urheberrechtlichen Begriff der Pastiche vor, um die urheberrechtliche Zulässigkeit von Sampling zu klären.

Die Saga „Metall auf Metall“ gehört zu den absoluten Klassikern des deutschen Urheberrechts. So lautet die übliche Bezeichnung für den seit über 20 Jahren schwelenden Rechtsstreit zwischen Moses Pelham und der Band Kraftwerk. Dieser hat mittlerweile die meisten Gerichte beschäftigt, die es im deutschen Zivil-Instanzenzug überhaupt geben kann: vom LG Hamburg (einmal), über das OLG Hamburg (dreimal), über den BGH (mittlerweile immerhin ganze viermal) und sogar das BVerfG (einmal) und den EuGH (ebenfalls einmal). Nun legt der BGH mit seiner nunmehr fünften (!) Entscheidung in der Sache erneut einige Rechtsfragen dem EuGH vor.

Das Verfahren dreht sich im Kern um Fragen der urheberrechtlichen Zulässigkeit des Samplings eines zweisekündigen Tonschnipsels aus dem Track „Metall auf Metall“ vom Kraftwerk-Album „Trans Europa Express“ (1977) im Song „Nur mir“ von Sabrina Setlur und Moses Pelham. Der Begriff des Samplings bezeichnet eine Technik, bei der ein Nutzer – in der Regel mit Hilfe elektronischer Geräte – einem Tonträger ein Audiofragment entnimmt und dieses zur Schaffung eines neuen Werks verwendet. In den Anfang des Liedes von Setlur wurde der gesampelte Schnipsel als verlangsamte Dauerschleife eingebaut und mit einer anderen Melodie unterlegt, bevor er in einen Hip Hop-Track übergeht. Kraftwerk sah sich im eigenen Urheberrecht verletzt und klagte.

In den bald 25 Jahren Prozessgeschichte hat sich das Verfahren vom mittelgroßen Vermögensrechtsstreit zum Titan des deutschen Urheberrechts gemausert. Das UrhG musste sogar dieses Verfahrens wegen umgestaltet werden, eine der zentralen Vorschriften des UrhG (die freie Benutzung nach § 24 UrhG) musste gestrichen werden.

Eine der Folgen der vorherigen Entscheidung des EuGH zum Pelham/Hütter-Verfahren ist die Einführung der Schranke des § 51a UrhG, der unter anderem die Nutzung urheberrechtlich geschützter Werke zum Zwecke des „Pastiche“ erlaubt. Nur … was ist eine Pastiche? Diese Frage gehört zu den am heißesten diskutierten Fragen der urheberrechtlichen Diskussion zurzeit.

Der Begriff des Pastiche geht auf Art. 5 Abs. 3 lit. k der 2001 erlassenen Informationsgesellschafts-Richtlinie der Europäischen Union (EU) zurück. Diese harmonisiert das Urheberrecht der Mitgliedsstaaten weitgehend. Die Mitgliedsstaaten sind nach Art. 4 Abs. 3 EUV zur möglichst effektiven Umsetzung der Richtlinie verpflichtet. Daher ist der EuGH nach Art. 267 AEUV dazu berufen, die Auslegung dieses Begriffes auf Vorlage des BGH zu klären, damit dieser das Unionsrecht korrekt anwenden kann.

Nach Ansicht des BGH stellt sich zunächst die Frage, ob die Pasticheschranke ein Auffangtatbestand für eine künstlerische Auseinandersetzung mit einem vorbestehenden Werk und ob für den Begriff des Pastiches einschränkende Kriterien wie das Erfordernis von Humor, Stilnachahmung oder Hommage gelten. Die Pastiche-Schranke könnte als allgemeine Schranke für die Kunstfreiheit (Art. 13 EU-Grundrechte-Charta) zu verstehen sein.

Um diesen Aspekt drehte sich die urheberrechtliche Diskussion, weil der Kunstfreiheit allein durch die immanente Begrenzung des Schutzbereichs der Verwertungsrechte auf eine Nutzung der Werke und Leistungen in wiedererkennbarer Form und die übrigen Schrankenregelungen wie insbesondere Parodie, Karikatur und Zitat (§ 51 UrhG) nicht in allen Fällen der gebotene Raum gegeben werden kann.

Außerdem möchte der BGH die Frage geklärt wissen, ob die Nutzung „zum Zwecke“ eines Pastiches die Feststellung einer „Pastiche-Absicht“ des Nutzers erfordert, oder ob die Erkennbarkeit des Charakters als Pastiche für denjenigen genügt, dem der in Bezug genommene urheberrechtliche Schutzgegenstand bekannt ist und der das für die Wahrnehmung des Pastiches erforderliche intellektuelle Verständnis besitzt.

Die Antworten des EuGH werden grundsätzliche Bedeutung für die Kunstfreiheit in der EU und insbesondere für die Musikindustrie haben. Derweil bleibt das Verfahren zwischen Pelham und Kraftwerk ausgesetzt, es heißt abwarten und Tee trinken. Derweil mag man hoffen, dass dieser Rechtsstreit endlich einmal sein Ende findet. Andererseits besteht in Fragen der Kunstfreiheit immerhin noch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR), dann wäre das Set komplett.