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Der Kartellsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) hat in seinem Urteil vom 23.10.2024 erstmals wichtige Vorgaben dazu gemacht, wann Online-Marktplätze für Urheberrechtsverletzungen von Dritten auf ihrer Plattform haften.

I. Hintergrund

Der Kläger, ein britischer Fotograf, sah seine Urheberrechte an der Fotografie „Manhattan Bridge“ durch ein Verkaufsangebot auf der Online-Handelsplattform der Beklagten verletzt.

Die Beklagte betrieb eine Online-Handelsplattform, auf der sich Dritte registrieren und Waren zum Verkauf anbieten konnten. Ein Verkäufer bot auf dieser Plattform einen tragbaren Fernseher an. Auf dem Produktbild war auf dem Bildschirm des Fernsehers die Fotografie „Manhattan Bridge“ des Klägers zu sehen, ohne dass der Kläger als Urheber benannt wurde. Daraufhin mahnte der Kläger die Beklagte mit Schreiben vom 21. August 2018 ab. Am 5. Oktober und 20. Oktober 2018 war auf der Plattform der Beklagten ein Angebot eines weiteren Verkäufers abrufbar, das dasselbe Bild ohne Benennung des Klägers nutzte. Von diesem Angebot wusste der Kläger bereits im Zeitpunkt seiner Abmahnung. In der Folge klagte der Kläger unter anderem auf Unterlassung, Auskunftserteilung und Schadensersatz.

Das Landgericht Nürnberg-Fürth und anschließend auch das OLG Nürnberg sprachen dem Kläger einen Anspruch auf Unterlassung der Vervielfältigung, öffentlichen Zugänglichmachung und/oder Verbreitung des Lichtbildwerks einschließlich unfreier Bearbeitung davon sowie auf Auskunftserteilung und Schadensersatz zu. Auch der BGH gewährte dem Kläger einen Anspruch auf Unterlassung der öffentlichen Zugänglichmachung des Lichtbildwerkes „Manhattan Bridge“, sowie auf Auskunftserteilung und Schadensersatz. Einen Anspruch auf Unterlassung des Vervielfältigens und/oder Vervielfältigenlassens des Lichtbildwerks „Manhatten Bridge“ lehnte der BGH jedoch ab.

II. Entscheidungsgründe des BGH

Die Haftung der Beklagten für die öffentliche Zugänglichmachung des Lichtbildwerks „Manhattan Bridge“ folgt aus § 15 Abs. 2 S. 1, 2 Nr.2, § 19a UrhG.

Der BGH stellte fest, dass die unionsrechtlichen Grundsätze der Haftung von Video-Sharing- und Sharehosting-Plattformen für eine öffentliche Wiedergabe urheberrechtlich geschützter Werke auch auf die Haftung von Online-Marktplätzen übertragbar sind.

Nach diesen Grundsätzen können Plattformbetreiber, obwohl sie als Betreiber der Plattform nicht unmittelbar Täter sind, als Täter einer öffentlichen Wiedergabe haften, wenn sie Verkehrspflichten verletzen. Eine solche Verletzung einer Verkehrspflicht liegt etwa dann vor, wenn der Betreiber nach einem klaren Hinweis auf eine Rechtsverletzung nicht unverzüglich die erforderlichen Maßnahmen ergreift, um den Zugang zu diesem Inhalt und kerngleichen Verletzungshandlungen zu verhindern. Der BGH betonte jedoch, dass bei der Übertragung der für Video-Sharing- und Sharehosting-Plattformen geltenden unionsrechtlichen Grundsätze auch den Besonderheiten von Online-Marktplätzen Rechnung getragen werden müsse. Online-Marktplätze spielten zwar eine zentrale Rolle bei der Verbreitung urheberrechtlich geschützter Inhalte, seien aber im Gegensatz zu Sharehostern nicht primär darauf ausgerichtet. Zudem seien stets die Umstände der geltend gemachten Rechtsverletzung zu berücksichtigen. So beschränkte sich die Prüfungspflicht im vorliegenden Fall, in dem nicht das angebotene Produkt selbst, sondern nur die Art der Präsentation das Urheberrecht verletze, auf die Prüfung gleichartig gestalteter Angebote und nicht auf jegliche Darstellungen des urheberrechtlich geschützten Werks.

Nach der Abmahnung durch den Kläger war vorliegend jedoch noch ein weiteres gleichartig gestaltetes Angebot, das die Fotografie „Manhattan Bridge“ des Klägers beinhaltete, auf der Plattform der Beklagten abrufbar. Die Beklagte ist insoweit ihrer Verkehrspflicht nicht nachkommen, auf den Hinweis des Klägers hin die eingestellten Angebote im Rahmen des technisch und wirtschaftlich Zumutbaren auf gleichartige Rechtsverletzungen zu überprüfen und rechtsverletzende Inhalte zu sperren oder zu löschen, weshalb ein Verstoß gegen § 15 Abs. 2 S. 1, 2 Nr.2, § 19a UrhG zu bejahen ist.

Eine Haftungsbefreiung nach Art. 6 des Digital Services Act (DSA) greift vorliegend nicht. Nach dieser Vorschrift ist der Anbieter eines Dienstes der Informationsgesellschaft unter bestimmten Voraussetzungen nicht für die im Auftrag eines Nutzers gespeicherten Informationen verantwortlich. Diese Voraussetzungen lagen vorliegend jedoch nicht vor, da die Beklagte eine aktive Rolle bei der Bewerbung der streitgegenständlichen Verkaufsangebote übernommen hatte. Nach ihren allgemeinen Geschäftsbedingungen war es der Beklagten gestattet, die auf ihrer Plattform eingestellten Verkaufsangebote durch ein Drittunternehmen bewerben zu lassen. Dies geschah im vorliegenden Fall durch die Schaltung von zwei Anzeigen auf Drittwebseiten, die den Fernseher mit dem streitgegenständlichen Bild „Manhattan Bridge“ zeigten. Zudem erhielt die Beklagte nach ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen eine Verkaufsgebühr, so dass sie auch ein eigenes wirtschaftliches Interesse am Erfolg der Verkaufsangebote hatte.

Eine Haftung der Beklagten für die Herstellung einer Vervielfältigung des Fotos des Klägers nach § 15 Abs. 1 Nr. 1, § 16 UrhG ist hingegen nicht gegeben.

Die erfolgte Speicherung des Lichtbildwerks „Manhatten Bridge“ auf den Servern der Beklagten stellt zwar eine Vervielfältigung im Sinne des § 16 Abs. 1 UrhG dar, jedoch sind nicht die Beklagte, sondern die jeweiligen Verkäufer die Hersteller der Vervielfältigungsstücke des Lichtbildwerks. Insoweit kommt es allein auf eine technische Betrachtung an. Hersteller der Vervielfältigung ist allein derjenige, der die Vervielfältigung technisch vornimmt. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, dass die technische Infrastruktur, mit der die Vervielfältigung hergestellt wurde, von der Beklagten zur Verfügung gestellt wurde. Im Übrigen lag auch die inhaltliche Verantwortung für die Gestaltung der Verkaufsangebote nach den allgemeinen Geschäftsbedingungen allein bei den Verkäufern.

Der BGH stellte weiter fest, dass die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union zur Haftung von Plattformen für die öffentliche Wiedergabe urheberrechtlich geschützter Werke nicht auf eine Vervielfältigung eines urheberrechtlich geschützten Werks auf den Servern einer Plattform übertragbar sei. Es verbleibe insoweit bei einer Haftung nach den strafrechtlichen Grundsätzen der Täterschaft und Teilnahme sowie einer auf Unterlassung und Beseitigung gerichteten Störerhaftung.

Eine Haftung als Täter oder Teilnehmer scheidet im vorliegenden Fall schon deshalb aus, weil keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Beklagte zum Zeitpunkt der Herstellung der Vervielfältigungen des Bildes „Manhattan Bridge“ wusste, dass diese das Urheberrecht des Klägers verletzen. Vielmehr wurde die Beklagte erst nach der Herstellung der Vervielfältigungen durch die Abmahnung des Klägers darauf aufmerksam gemacht.

Auch eine Haftung als Störer ist ausgeschlossen. Diese setzt die Verletzung von Prüfungs- oder Überwachungspflichten voraus. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann ein Diensteanbieter, dessen Leistung in der Speicherung der von einem Nutzer eingegebenen Informationen bestehet, erst dann als Störer auf Unterlassung in Anspruch genommen werden, wenn es nach einem Hinweis auf eine klare Rechtsverletzung erneut zu einer solchen Rechtsverletzung kommt. Nach der Abmahnung vom 21. August 2018 kam es zu keinen weiteren Vervielfältigungen. Die Vervielfältigungen wurden vor dem Hinweis, der Abmahnung, hergestellt. Eine Haftung der Beklagten für eine Vervielfältigung des Lichtbildwerkes des Klägers kommt daher nicht in Betracht.

III. Fazit

Das Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) ist wegweisend, weil es die Haftungsgrundsätze des Unionsrechts für Video-Sharing- und Sharehosting-Dienste auf Online-Marktplätze ausweitet, soweit es um die öffentliche Wiedergabe geht. Gleichzeitig stellt das Gericht klar, dass diese Grundsätze nicht auf die Vervielfältigung urheberrechtlich geschützter Werke auf den Servern solcher Plattformen anwendbar sind. In diesen Fällen bleibt es bei der Haftung nach den strafrechtlichen Grundsätzen der Täterschaft und Teilnahme sowie der Störerhaftung.

Im Hinblick auf die Verantwortlichkeit von Betreibern von Online-Marktplätzen für urheberrechtsverletzende Inhalte wird klargestellt, dass sie nach einem konkreten Hinweis auf eine Urheberrechtsverletzung verpflichtet sind, nicht nur die gemeldete Verletzung zu entfernen, sondern auch geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um zukünftige, gleichartige Verletzungen zu verhindern.