Am 01.12.2021 sind die Änderungen durch den neugefassten § 8 III UWG zur Aktivlegitimation bei Beseitigungs- und Unterlassungsansprüchen in Kraft getreten. Aktivlegitimation nennt man die Befugnis, einen Anspruch klageweise durchzusetzen. Voraussetzung dafür ist, dass der geltend gemachte Anspruch gerade zugunsten des Klagenden besteht.
Die Neuregelung wurde vergangenes Jahr durch das Gesetz zur Stärkung des fairen Wettbewerbs eingefügt und soll missbräuchlichen Abmahnungen im Lauterkeitsrecht vorbeugen. Wir bieten einen Überblick über die wichtigsten gesetzlichen Neuerungen zur Aktivlegitimation und deren Bedeutung für die Praxis:
I. Mitbewerber (§ 8 III Nr. 1 UWG)
Die Anspruchsberechtigung der sog. „Mitbewerber“ im Sinne des § 2 I Nr. 3 UWG (auch „Wettbewerber“ genannt) stellt die primäre Aktivlegitimation im Rahmen der Beseitigungs- und Unterlassungsansprüche dar. Die Anspruchsberechtigung für Mitbewerber lag nach bisheriger Gesetzeslage schon dann vor, wenn die Mitbewerber in „ihren Interessen berührt“ waren, was einen denkbar weitgehenden Spielraum für Klagen eröffnete und häufig dazu führte, dass sich Unternehmen nur zu dem Zweck gründeten, vermeintliche Mitbewerber abzumahnen, ohne selbst geschäftlich aktiv zu sein. Das Gesetz zur Stärkung des fairen Wettbewerbs schränkt die Anspruchsberechtigung ein: Der Mitbewerber muss Produkte in nicht unerheblichem Maß und nicht nur gelegentlich vertreiben. Ausweislich der Regierungsbegründung kann das beispielsweise durch Größenkategorien der Zahl der Verkäufe oder ähnliches belegt werden, genauerer Angaben bedarf es darüber hinaus nicht (BT-Drs. 19/12084, 260). Es sind demnach nicht allzu hohe Anforderungen an das Kriterium zu stellen, aber es ist ein zusätzliches Kriterium, zu dem der Kläger Sachverhalt vortragen muss. Aus Perspektive der Unterbindung missbräuchlicher Abmahnungen hat der Gesetzgeber in erster Linie das Ziel verfolgt die Abmahntätigkeit mit dem Umfang der Geschäftstätigkeit vergleichen zu können.
II. Qualifizierte Wirtschaftsverbände (§ 8 III Nr. 2 UWG)
Besonders prominente Akteure im Wettbewerbsrecht sind seit einiger Zeit bereits die sogenannten Wirtschaftsverbände. An sie war nach altem Recht bereits die Anforderung gestellt, dass ihnen eine erhebliche Anzahl von Unternehmen angehören muss, die Waren oder Dienstleistungen auf demselben Markt vertreiben. Zusätzlich mussten ihre satzungsmäßigen Aufgaben in der Wahrnehmung gewerblicher oder selbstständiger beruflicher Interessen liegen. Diese Anforderungen mussten von den Wirtschaftsverbänden dargelegt werden, haben insbesondere in Gerichtsverfahren aber immer wieder zu Schwierigkeiten geführt, weil eine effektive Kontrolle der Voraussetzungen nicht immer möglich war. Die Neuregelung führt jetzt eine Liste qualifizierter Wirtschaftsverbände ein, in die diese für eine Anspruchsberechtigung eingetragen sein müssen. Die Liste wird vom Bundesamt für Justiz geführt und ist nach dem Modell des § 4 UKlaG entworfen. Die Voraussetzungen für die Eintragung sind in § 8b UWG geregelt, sie richten sich nach den ursprünglichen Anforderungen. Die Liste soll im Abmahn- und Gerichtsprozess Parteien und Gericht gleichermaßen entlasten (BT-Drs. 19/12084, 27) Die Anforderungen werden jetzt im Voraus durch das Bundesamt für Justiz geprüft. Ist ein Verband einmal eingetragen gilt die Eintragung als konstitutiv und eine Vorlage der entsprechende Bestätigung ist auseichend um diese Komponente der Anspruchsberechtigung zu beweisen. Dadurch werden einige Voraussetzungen der Nachprüfung entzogen, der Dreh- und Angelpunkt in Fragen der Aktivlegitimation bleibt jedoch: die Frage, ob dem Verband Unternehmen angehören, die auf dem relevanten Markt tätig sind.
III. Qualifizierte Einrichtungen zum Schutz von Verbraucherinteressen (§ 8 III Nr. 3 UWG)
An der Anspruchsberechtigung der Verbraucherverbände ändert sich indes wenig, hier hat bereits die alte Regelung eine Liste unter Verweis auf § 4 II 1 UKlaG vorgesehen und zusätzlich die Liste der Europäischen Kommission angeführt. Lediglich sprachlich ändert sich, dass die Eintragung selbst und nicht mehr der Nachweis der Eintragung konstitutiv ist, damit wird die Rechtsstellung der Listen klargestellt.
IV. Öffentlich-rechtliche Verbände (§ 8 III Nr. 4 UWG)
Die öffentlich-rechtlichen Verbände zur Förderung gewerblicher oder selbstständiger beruflicher Interessen waren ursprünglich unter § 8 Nr. 2 UWG erfasst, durch die tiefgreifende Neuregelung in diesem Bereich wurden sie jetzt jedoch in § 8 III Nr. 4 UWG ausgelagert. Dadurch ändert sich substantiell wenig, die Vorschrift ist etwas weiter gefasst und geht über die pauschale Berechtigung von Handwerks- und Handelskammern hinaus. Zu denken wäre beispielsweise an Kammern freier Berufe. Auch diese waren in der alten Fassung des Gesetzes jedoch bereits über § 8 III Nr. 2 UWG aF anspruchsberechtigt, die Änderung soll diese Anspruchsberechtigung nur aufrechterhalten, weil eine Eintragung in die neu geschaffene Liste für die Körperschaften nicht mehr möglich ist (BT-Drs. 19/12084, 27).
VI. Die Neuregelung in der Praxis
Die Neuregelung der Anspruchsberechtigung hat im alltäglichen Geschäftsverkehr weitreichende Auswirkungen. Insbesondere dadurch, dass die Abmahnung in § 13 UWG von der Anspruchsberechtigung im Rahmen des § 8 UWG abhängig ist, werden die Neuerungen häufig relevant werden.
Zunächst muss dabei mit größerer Vorsicht an die Abmahnung durch Mitbewerber herangegangen werden, hier trifft den Gläubiger neuerdings die (niedrigschwellige) Beweislast, dass Produkte in nicht unerheblichem Maß und nicht nur gelegentlich auf dem relevanten Markt vertrieben werden. Für den Schuldner bieten sich hier neue Punkte, die der Aufmerksamkeit bei der Überprüfung der Aktivlegitimation bedürfen. Es wird sich zeigen, ob sich die Intention des Gesetzgebers bestätigt Abmahnungen durch neu gegründete Unternehmen und durch Unternehmen mit anhängigen Insolvenzverfahren zur Ausnahme zu machen, klar ist jedoch, dass bei der Abmahnung durch Mitbewerber in Zukunft genauer hingeschaut werden muss.
Eine etwas untypische Situation entsteht durch die Neufassung des § 8 III Nr. 1 im Kontrast zu § 9 UWG. Die Einschränkung der Anspruchsberechtigung des Mitbewerbers bezieht sich ausschließlich auf den Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch aus § 8 I UWG, dadurch kann es zu Situationen kommen, in denen ein Mitbewerber zur Geltendmachung eines Schadensersatzanspruches aus § 9 UWG, aber nicht zur Geltendmachung eines Beseitigungs- und Unterlassungsanspruches berechtigt ist. (siehe auch: Stellungnahme BRAK 28/2019, 5, auf die in der finalen Fassung jedoch nicht eingegangen wurde)
Schließlich mildert § 8 III Nr. 2 UWG die Beweislast des Gläubigers, diese beschränkt sich nach erfolgter Eintragung nun auf den Nachweis einer erheblichen Zahl von Mitgliedern auf dem relevanten Markt und der Darlegung, dass die Zuwiderhandlung die Interessen seiner Mitglieder berührt. Auf der anderen Seite ist auf den ersten Blick auch die Überprüfung der Anspruchsberechtigung erleichtert, das aber nur unter Vorbehalt. Der Effekt der Liste für den Schuldner wird wohl eher gering ausfallen, problematisch im Bereich der Aktivlegitimation ist im Regelfall die Frage der ausreichenden Mitglieder auf dem relevanten Markt geworden, nicht die sonstigen Eintragungsvoraussetzungen. Gerade die größeren Verbände konnten im Allgemeinen auch Rechtsprechung vorlegen, in denen ihre Aktivlegitimation insoweit bestätigt wurde. Die genaue Überprüfung der Aktivlegitimation wird dem Schuldner nach wie vor nicht erspart bleiben.