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Der EuGH hat in seinem Urteil vom 31.3.2022 entschieden, dass Tickethändler kein Widerrufsrecht einräumen müssen. Sie sind so zu behandeln, wie Veranstalter, die das Widerrufsrecht beim Online-Verkauf von Tickets für Kultur- und Sportveranstaltungen ausschließen können. Käufer haben beim Kauf über einen Tickethändler kein Widerrufsrecht, sofern das wirtschaftliche Risiko der Ausübung des Widerrufsrechts den Veranstalter treffen würde (EuGH, Urteil vom 31.3.2022, Az.: C-96/21).

 

Hintergrund

Im November 2019 bestellte ein Verbraucher Eintrittskarten über eine von CTS Eventim, einer Ticketsystemdienstleisterin, betriebene Online-Buchungsplattform zu einem von einem Dritten veranstalteten Konzert. Das Konzert, welches im März 2020 in Braunschweig hätte stattfinden sollen, wurde in der Folgezeit aufgrund der behördlichen Einschränkungen für Großveranstaltungen in Zusammenhang mit der Corona-Pandemie abgesagt. Die Beklagte übersandte der Klägerin einen, vom Veranstalter ausgestellten Gutschein, in Höhe von 199,00 Euro. Dies erfolgte im Auftrag des Veranstalters unter Hinweis auf die Corona-Gutscheinregelung nach Art. 240 § 5 EGBGB. Allerdings stellte der Gutschein, über den Kaufpreis der Eintrittskarten, den Verbraucher nicht zufrieden, sodass er von CTS Eventim die Rückzahlung des Kaufpreises sowie der zusätzlichen Kosten forderte. Damit erklärte der Verbraucher konkludent den Widerruf des im Wege des Fernabsatzes geschlossenen Vertrages.

Für das von dem Verbraucher angerufene Amtsgericht Bremen stellte sich die Frage, ob der Verbraucher seinen Vertrag mit CTS Eventim gemäß der Verbraucherschutzrichtlinie widerrufen durfte. Danach steht einem Verbraucher, der mit einem Unternehmer einen Fernabsatzvertrag geschlossen hat, grundsätzlich für einen bestimmten Zeitraum das Recht zu, den Vertrag ohne Angabe von Gründen zu widerrufen.

Nach § 312g Abs. 1 BGB steht dem Verbraucher somit bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen und bei Fernabsatzverträgen ein Widerrufsrecht gemäß § 355 BGB zu. Nach § 312g Abs. 2 Nr. 9 BGB besteht das Widerrufsrecht allerdings, soweit die Parteien nichts anderes vereinbart haben, nicht bei Verträgen zur Erbringung von Dienstleistungen in den Bereichen Beherbergung zu anderen Zwecken als zu Wohnzwecken, Beförderung von Waren, Kraftfahrzeugvermietung, Lieferung von Speisen und Getränken sowie zur Erbringung weiterer Dienstleistungen im Zusammenhang mit Freizeitbetätigungen, wenn der Vertrag für die Erbringung einen spezifischen Termin oder Zeitraum vorsieht.

Für das AG Bremen stellt sich die Frage, ob dem Verbraucher im vorliegenden Fall ein Widerrufsrecht nach § 312g Abs. 1 BGB (= Art. 9 Verbraucherrechte-RL) zusteht oder ob dieses nach § 312g Abs. 2 Nr. 9 BGB (=Art. 16 lit. I) Verbraucherrechte-RL) ausgeschlossen ist. Das hängt davon ab, ob der Ausnahmetatbestand des § 312g Abs. 2 Nr. 9 BGB (=Art. 16 lit. I) Verbraucherrechte-RL) auf die unmittelbaren Erbringer der Dienstleistung (Veranstalter) beschränkt ist.

Aus diesem Grund hat das AG Bremen dem EuGH gemäß Art. 267 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) folgende Frage zur Auslegung des Unionsrechts vorgelegt: Ist Art. 16 lit. I der Richtlinie 2011/83/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2011 (nachfolgend Verbraucherrechte-RL) dahingehend auszulegen, dass es für einen Ausschluss des Verbraucherwiderrufsrechts genügt, wenn der Unternehmer dem Verbraucher gegenüber nicht unmittelbar eine Dienstleistung im Zusammenhang mit Freizeitbetätigungen erbringt, sondern dem Verbraucher ein Zutrittsrecht zu einer solchen Dienstleistung verkauft?

Die Entscheidung des EuGH

Der EuGH stellte im vorliegenden Fall fest, dass nach den Bestimmungen des Vertrags zwischen CTS Eventim und dem Veranstalter des abgesagten Konzerts, der Veranstalter verpflichtet ist, CTS Eventim in dem Fall, dass ein Käufer die Rückzahlung des Preises einer Eintrittskarte fordert, von jeder Haftung freizustellen. Für den Fall, der Auflösung des im Ausgangsverfahren fraglichen Vertrages infolge des Widerrufs durch den Verbraucher, sei die Erstattung des Kaufpreises, für die von CTS Eventim erworbenen Eintrittskarten, daher Sache des Konzertveranstalters.

Unter diesen Umständen sieht der EuGH in der Abtretung des Rechts auf Zugang zu dem Konzert, dessen Absage dem Ausgangsstreit zugrunde liegt, von CTS Eventim an den Verbraucher, eine Dienstleistung im Zusammenhang mit einer Freizeitbetätigung im Sinne von Art. 16 Buchst. l der Richtlinie 2011/83. Auch sollte das streitgegenständliche Konzert, für das das Zugangsrecht von CTS Eventim an den Verbraucher abgetreten wurde, an einem genauen Datum stattfinden.

Vor diesem Hintergrund kommt der EuGH zu dem Ergebnis, dass Art. 16 Buchst. l der Richtlinie 2011/83 dahin auszulegen sei, dass die in dieser Bestimmung vorgesehene Ausnahme vom Widerrufsrecht einem Verbraucher entgegengehalten werden kann, der mit einem Vermittler, der im eigenen Namen, aber für Rechnung des Veranstalters einer Freizeitbetätigung handelt, einen Fernabsatzvertrag über den Erwerb eines Zutrittsrechts zu dieser Betätigung geschlossen hat,

  • sofern zum einen das Erlöschen der Verpflichtung gegenüber dem Verbraucher zur Erfüllung des Vertrags im Wege des Widerrufs gemäß Art. 12 Buchst. a der Richtlinie dem Veranstalter der betreffenden Betätigung das Risiko in Verbindung mit der Bereitstellung der hierdurch frei gewordenen Kapazitäten auferlegen würde und
  • zum anderen die Freizeitbetätigung, zu der dieses Recht Zutritt gewährt, zu einem bestimmten Zeitpunkt oder in einem bestimmten Zeitraum stattfinden soll.

Wie beim Kauf unmittelbar beim Veranstalter besteht daher, nach Auffassung des EuGH, auch beim Kauf über einen Vermittler kein Widerrufsrecht, sofern das wirtschaftliche Risiko der Ausübung des Widerrufsrechts den Veranstalter treffen würde.

Nun ist das Amtsgericht Bremen an der Reihe, über den konkreten Rechtsstreit zu entscheiden und die Klage des Verbrauchers, der sich an der Ticketplattform schadlos halten wollte, weil ihm kein Widerrufsrecht gegenüber dem Veranstalter zustand, zurückzuweisen.