Im April 2019 hat das Europäische Parlament die Verordnung (EU) 2019/1150 zur Förderung von Fairness und Transparenz für gewerbliche Nutzer von Online-Vermittlungsdiensten („Platform-to-Business-Verordnung“ oder „P2B-VO“) beschlossen. Ab dem 12. Juli 2020 gilt sie in allen europäischen Mitgliedsstaaten unmittelbar und verbindlich. Die Verordnung soll die Rechte gewerblicher Nutzer von Online-Vermittlungsdiensten und –plattformen stärken und damit mittelbar auch zu mehr Verbraucherschutz führen. Anbieter müssen ihre Plattformen in Zukunft fairer und transparenter gestalten.
Laut einer Studie der EU-Kommission von 2018 ( S. 11-13) beklagen 46 % der Unternehmen unfaire Praktiken, wie plötzliche und unerklärliche Änderungen der AGB ohne entsprechende Hinweise oder dass Waren ohne klare Begründung von der Liste entfernt wurden. Die P2B-VO hat sich zum Ziel gesetzt, „für gewerbliche Nutzer von Online-Vermittlungsdiensten und Nutzer mit eigener Website im Hinblick auf Suchmaschinen eine angemessene Transparenz und wirksame Rechtsbehelfsmöglichkeiten“ zu schaffen“ (Art. 1 Abs. 1 P2B-VO). Auch soll dadurch die Abhängigkeit gewerblicher Nutzer von Plattformen verringert werden.
Dabei verfolgt die EU mit der Verordnung einen gestalterischen, nur wenig invasiven Ansatz und setzt auf Transparenzförderung und Harmonisierung der Bedingungen für Plattformmärkte, um eine Überregulierung zu vermeiden. Das begrüßen auch Industrie- und Handelsverbände.
Worum geht es?
Der Zugang zu potentiellen Kunden ist heute wesentlich für den Erfolg von Online-Händlern. Häufig genügt es dabei nicht, nur eine Unternehmenswebseite zur Verfügung zu stellen. Für E-Commerce-Unternehmen ist es essentiell, ihre Angebote mit denen anderer zu vernetzen und durch das Gesamtangebot bestimmter Waren die Attraktivität des eigenen Angebots zu erhöhen. Derzeit würden mehr als eine Million Unternehmen in der EU Handel über Online-Plattformen treiben, um ihre Kunden zu erreichen – so heißt es in der Gesetzesbegründung zur Verordnung. Schätzungsweise 60 % des privaten und 30 % des öffentlichen Verbrauchs an Waren und Dienstleistungen würden im Zusammenhang mit der gesamten digitalen Wirtschaft über Online-Vermittler abgewickelt werden. Plattform-Betreiber fungieren dabei als Schnittstelle zwischen Unternehmer und Kunden: Sie verbinden verschiedene Angebote, verhelfen Unternehmen zu mehr Sichtbarkeit – und schaffen dadurch aber auch Abhängigkeiten, sowohl im Hinblick auf die Endnutzer, als auch auf die Unternehmen selbst.
Die Steuerung fairer Wettbewerbsbedingungen erfolgte bislang über das Kartellrecht, das die Missbrauchsaufsicht über digitale Plattformen führt. Diese Praxis führte aber zu zunehmender Kritik, da die kartellrechtliche Aufsicht nur im Nachhinein wirkt. Die P2B-VO verfolgt nun einen ex-ante-Ansatz.
Anwendungsbereich – wer ist betroffen?
Adressaten der Verordnung sind Online-Vermittlungsdienste und Online-Suchmaschinen, wobei letztere von nur wenigen Regelungen betroffen sind.
Art. 2 Nr. 2 P2B-VO definiert Online-Vermittlungsdienste als Dienste der Informationsgesellschaft, die es gewerblichen Nutzern ermöglichen, Verbrauchern Waren oder Dienstleistungen anzubieten, indem sie die Einleitung direkter Transaktionen erleichtern. In entsprechendes Vertragsverhältnis muss dabei sowohl zwischen dem Anbieter der Waren oder Dienstleistungen und dem Plattformbetreiber als auch gleichzeitig zwischen dem Plattformbetreiber und dem Verbraucher bestehen.
Beispiele für Online-Vermittlungsdienste, die vom Anwendungsbereich der Verordnung erfasst werden, sind etwa Online-Marktplätze wie Amazon Marketplace, Online-Dienste sozialer Medien für gewerbliche Nutzer wie Facebook Pages, Vertriebsplattformen für Softwareanwendungen, worunter insbesondere App-Stores wie Google Play oder der Apple App Store fallen, oder auch Preisvergleichsdienste. Nicht erfasst sind etwa sogenannte Peer-to-Peer („P2P“) Online-Vermittlungsdienste ohne Beteiligung gewerblicher Nutzer, reine Business-to-Business („B2B“) Online-Vermittlungsdienste, die nicht Verbrauchern angeboten werden, oder Online-Zahlungsdienste.
Online-Suchmaschinen werden in Art. 2 Nr. 5 P2B-VO legaldefiniert als ein „digitaler Dienst, der es Nutzern ermöglicht, in Form eines Stichworts, einer Spracheingabe, einer Wortgruppe oder einer anderen Eingabe Anfragen einzugeben, um prinzipiell auf allen Websites oder auf allen Websites in einer bestimmten Sprache eine Suche zu einem beliebigen Thema vorzunehmen und Ergebnisse in einem beliebigen Format angezeigt zu bekommen, über die sie Informationen im Zusammenhang mit dem angeforderten Inhalt finden können“.
Anbieter dieser beiden Dienste fallen unabhängig von ihrem Sitz und dem sonstigen anwendbaren Recht in den Anwendungsbereich der VO, Art. 1 Abs. 2 P2B-VO. Das bedeutet, dass grundsätzlich auch Anbieter mit Sitz außerhalb der EU Adressaten der Verpflichtungen sein können.
Allerdings müssen die gewerblichen Nutzer bzw. Nutzer mit Unternehmenswebseite ihre Niederlassung bzw. ihren Wohnsitz in der EU haben und über die Plattform Waren oder Dienstleistungen an in der EU befindliche Verbraucher anbieten. Der Anwendungsbereich beschränkt sich damit auf Konstellationen, in denen Nutzer und Verbraucher im Binnenmarkt ansässig sind.
Auswirkungen der P2B-VO: Welche Pflichten treffen Anbieter?
Die neue Verordnung sieht zahlreiche Pflichten vor, die Plattform-Anbieter in Zukunft beachten müssen.
Kernthema sind dabei die Allgemeinen Geschäftsbedingungen (Art. 3 P2B-VO) von Anbietern von Online-Vermittlungsdiensten, die
- klar und eindeutig formuliert,
- jederzeit leicht verfügbar und
- Gründe enthalten müssen, nach welchen objektiven Kriterien Dienste für gewerbliche Nutzer ausgesetzt, beendet oder sonst eingeschränkt werden
Daneben sieht Art. 3 zahlreiche weitere Anforderungen vor, die vor allem auf mehr Transparenz für die gewerblichen Nutzer abzielen. So müssen Plattformbetreiber zukünftig z.B. über jede geplante Änderung ihrer AGB frühzeitig, spätestens aber 15 Tage vor Umsetzung der Änderung, unterrichten.
Auch müssen Plattformen die Einschränkung, Aussetzung oder Beendigung des Online-Vermittlungsdienstes gegenüber einem Nutzer begründen (Art. 4 P2B-VO). Die Begründung muss dem Nutzer vor oder zeitgleich mit dem Wirksamwerden der Maßnahmen übermittelt werden.
Transparenz soll künftig auch im Hinblick auf Rankings zunehmen. Art. 5 der Verordnung sieht vor, dass Online-Vermittlungsdienste die bestimmenden Hauptparameter von Rankings und die „Gründe für die relative Gewichtung dieser Hauptparametergegenüber anderen Parametern“ darstellen. Inhaltlich folgt daraus die Pflicht, darzustellen, ob und auf welche Weise Nutzer das Ranking durch die Zahlung direkter oder indirekter Entgelte beeinflussen können. Nicht offenlegen müssen Anbieter ihre verwendeten Algorithmen. ´
Zudem müssen Plattform-Anbieter für ein internes Beschwerdemanagement sorgen (Art. 11 P2B-VO), welches für den Nutzer leicht zugänglich und kostenlos sein muss und dessen Wirksamkeit öffentlich ausgewertet werden muss. Daneben sieht Art. 12 der P2B-VO vor, dass sich Plattform-Anbieter nach Treu und Glauben an allen Mediationsversuchen von Nutzern zu beteiligen haben.
Was kommt?
Welche konkreten Folgen Verstöße gegen die Verordnung für Plattform-Anbieter haben, ist noch unklar. Die Verordnung selbst sieht keine Sanktionsmaßnahmen vor. Art. 15 der Verordnung erklärt ausdrücklich, dass es den Mitgliedsstaaten obliegt, entsprechende Vorschriften für Sanktionen zu erlassen. Diese müssen „wirksam, verhältnismäßig und abschreckend“ sein.
Künftig wird die Wirksamkeit von AGB auch an der P2B-VO zu messen sein. Plattform-Betreiber sollten pünktlich vor dem 12. Juli mit den erforderlichen Implementierungen entsprechender Maßnahmen beginnen, also insbesondere ihre AGB und Rankings überprüfen und für ein internes Beschwerde- und Mediationsmanagement sorgen.