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Ein österreichisches Gericht hat Sony kürzlich zur Rückzahlung von 338,26 EUR an einem Spieler verurteilt. Das Bezirksgericht Hermagor betrachtete die in der Fußballsimulation FIFA erhältlichen FUT-Packs als Glückspiel nach österreichischem Recht. Mit diesem Fall ist die Debatte über die rechtliche Einordnung von Lootboxen in der Gaming-Branche erneut entfacht.

In diesem Beitrag analysieren wir die Hintergründe des Urteils, seine möglichen Auswirkungen auf ähnliche Fälle und die rechtliche Bewertung von Lootboxen im deutschen Rechtsraum.

Sachverhalt

Ein Spieler hat über seine PlayStation-Konsole für die berühmte Fußballsimulation von Electronic Arts (EA) die Premium-Spielwährung FIFA-Points erworben, die im FIFA Ultimate Team Modus („FUT“) gegen sogenannte FUT-Packs und Drafts eingetauscht werden kann. Bei den FUT-Packs handelt es sich um Lootboxen, die zufällige Spieler-Karten unterschiedlicher Rarität für den Online-Multiplayer Modus FUT enthalten. Die jeweils aus dem Pack „gezogenen“ Spieler-Karten können dann im eigenen Team eingesetzt oder auf einem Sekundärmarkt gegen die Spielwährung „Coins“ an andere Spieler:innen verkauft werden.

Der Spieler warf Sony einen Verstoß gegen das Glücksspiel-Monopol in Österreich vor, da die Ausgestaltung der FUT-Packs Glücksspiel darstelle. Die Klage richtete er gegen Sony und nicht gegen EA, da der Kaufvertrag über die Spielwährung mit Sony zustande gekommen ist.

Urteil

Nun hat das Bezirksgericht Hermagor am 26.2.2023 in erster Instanz entschieden und Sony zur Rückzahlung von 338,26 EUR verurteilt. Der Inhalt der erworbenen FUT-Packs sei vom Zufall abhängig und stelle zudem eine „vermögenswerte Leistung“ dar, sodass es sich um eine Ausspielung i.S.d. § 2 Abs. 1 des österreichischen Glücksspielgesetzes (öGlückG) handle. Die Ausnahme des § 4 öGlückG greife nicht. Sony habe folglich ein Glücksspiel durchgeführt und somit gegen das staatliche Glücksspielmonopol verstoßen. Aufgrund dessen seien die Verträge über den Erwerb der Lootboxen nichtig und der Kläger habe daher einen Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises.

Das erstinstanzliche Urteil ist seit dem 3.4.2023 rechtskräftig, liegt uns jedoch nicht als Volltext vor.

Unklarheiten und offene Fragen

Besonders spannend bleibt hier die Frage, wie das Gericht die Verbindung zwischen dem Erwerb der FUT-Packs, Sony und dem Kläger hergestellt und begründet hat. Denn effektiv dürften die Spieler:innen mit Sony lediglich einen Kaufvertrag über den Erwerb der In-Game-Währung „FIFA-Points“ geschlossen haben. Der Erwerb der FUT-Packs ist nicht direkt gegen Echtgeld über den PlayStation Store (der Software-Marktplatz der Sony-Konsolen) möglich, sondern läuft im Spiel FIFA selbst ab.

Aus der Berichterstattung geht auch nicht hervor, ob und wie das Bezirksgericht den Umstand berücksichtigt hat, dass die FUT-Packs auch durch Coins erworben werden können – eine Spiewährung, die Spieler:innen durch das Spielen des Spiels selbst verdienen können.

Offen bleiben zudem die Fragen, ob sich dieses Urteil auf Games übertragen lässt, in denen Cross-Progression möglich ist. Cross-Progression bedeutet, dass der Fortschritt in einem Spiel mit dem Spielkonto so verknüpft ist, dass alle Inhalte (wie z.B. Gegenstände, Charaktere oder Spielwährung) auf verschiedene Plattformen genutzt werden können. In solchen Spielen (z.B. Genshin Impact (mihoho) und Smite (Hi-Rez Studios)) können Gamer:innen die Spielwährung beispielsweise über den PlayStation Store und die Loobox mit dieser Spielwährung wiederum auf einer anderen Plattform wie beispielsweise PC oder Xbox erwerben.

Bewertung nach deutschem Recht

Dieses Urteil lässt sich auf das deutsche Glücksspielrecht nicht übertragen.

Ob es sich bei Lootboxen nach deutschem Recht um Glücksspiel handelt oder nicht, ist nicht abschließend geklärt.

Glücksspiel im Sinne des § 3 Abs. 1 S. 1 des Glücksspielstaatsvertrages 2021 (GlüStV) liegt vor, „wenn im Rahmen eines Spiels für den Erwerb einer Gewinnchance ein Entgelt verlangt wird und die Entscheidung über den Gewinn ganz oder überwiegend vom Zufall abhängt“. Dieser rechtliche Rahmen bleibt mit der Novellierung des Glücksspielstaatsvertrages unverändert. Für die Annahme von Glücksspiel müssen somit im wesentlichen drei Merkmale erfüllt werden. Für einen Gewinn, der ganz oder überwiegend vom Zufall abhängt, muss ein Entgelt verlangt werden.

Im Folgenden fassen wir zusammen, ob und wie sich diese Merkmale auf Lootboxen übertragen lassen:

Ganz oder überwiegend vom Zufall abhängig

Der mögliche Inhalt der meisten in Games implementierten Lootboxen ist von vornherein bekannt. Spieler:innen haben jedoch keinen Einfluss darauf, welchen Spielgegenstand sie von der jeweiligen geöffneten Lootbox erhalten. Die Lootbox-Inhalte werden in der Regel nach Rarität sortiert und mit einer entsprechenden Wahrscheinlichkeit einer Ziehung in Prozent („droprate“) angegeben. Welches Item die Lootbox tatsächlich beim Öffnen enthält hängt ganz oder überwiegend vom Zufall ab.

Manche Spiele haben sogenannte „pity systems“ (aus dem engl.“pity“ für Mitleid) implementiert. Dabei handelt es sich um Systeme, die nach einer bestimmten Anzahl an Lootbox-Öffnungen die Wahrscheinlichkeit für den Erhalt seltener Belohnungen erhöhen oder in manchen Fällen den Erhalt sogar garantieren. Obwohl diese Systeme als eine Art Sicherheitsnetz für Spieler:innen aufgesetzt und vermarktet werden, ändern sie nichts an der Einstufung von Lootboxen als weit überwiegend vom Zufall abhängig, da die Aktivierung des Systems selbst vom Zufall abhängt. Wird vor Aktivierung des pity systems ein seltener Gegenstand von einer Lootbox gezogen, wird der interne Zähler zurückgesetzt – das System wurde in diesem Fall nicht aktiviert.

Verlangen eines Entgelts

Das Tatbestandsmerkmal des Entgelts betrifft die finanzielle Investition der Spieler:innen in das Spiel.

Es ist so, dass in Spielen, die Lootbox-Mechaniken implementiert haben, der Erwerb von Lootboxen nicht direkt unter dem Einsatz von Echtgeld, sondern indirekt über den Erwerb von Spielwährung erfolgt.

Es kann argumentiert werden, dass die Spielwährung unter den Begriff der „digitalen Darstellung eines Werts“ im Sinne des § 327 Abs. 1 S. 2 BGB fällt. Dies könnte wiederum zu einer Einstufung der Spielwährung als ein Entgelt im Sinne des Glücksspielstaatsvertrags angesehen werden.

Dagegen spricht, dass die Spielwährung in den meisten Fällen nicht unmittelbar in Echtgeld zurückgewandelt werden kann. Dies stellt einen entscheidenden Unterschied zum „klassischen“ Glücksspiel dar, bei dem die Credits oder Chips unmittelbar in Echtgeld zurückgewandelt werden können.

Ein weiteres Problem bei der Bewertung der Spielwährung als Entgelt ist, dass die Spielwährung nicht einen festen Gegenwert in Echtgeld hat. Der Erwerb von In-Game-Währungen ist in der Regel so ausgestaltet, dass Spieler:innen Rabatte bei dem Kauf erhalten können. Sie können entweder Bündel erwerben, bei denen die Währung einer von mehreren Bestandteilen ist, oder sie tätigen Bulk-Käufe (Käufen in größeren Mengen), die stets mehr Währung per Echtgeld enthalten, als kleinere Mengen. Zudem besteht fast immer die Möglichkeit, die Spielwährung auch kostenlos zu verdienen. Dies kann etwa durch das Abschließen von Aufgaben oder das Erreichen bestimmter Meilensteine im Spiel erfolgen. Auch das trägt dazu bei, den tatsächlichen Wert der Spielwährung nicht wirklich bestimmen zu können. Dadurch wird eine zusätzliche Abstraktionsebene geschaffen, die Lootboxen vom herkömmlichen Glücksspiel differenziert.

Darüber hinaus wird teilweise das Argument angeführt, dass selbst wenn eine Einstufung als Entgelt möglich sei, das Merkmal des „Einsatzes“ nicht erfüllt sei, da jede Lootbox stets eine Gegenleistung enthalte. Es fehle an der Möglichkeit eines Totalverlustes, die fester Bestandteil des Glücksspiels sei.

Erwerb einer Gewinnchance

Ob es sich bei Lootboxen um Glücksspiel handelt, hängt auch von dem Merkmal der „Gewinnchance“ ab. Es stellt sich die Frage, ob der Inhalt einer Lootbox als ein Gewinn im glücksspielrechtlichen Sinne gewertet werden kann.

Ein tragendes Argument gegen die Einordnung der aus Lootboxen gezogenen Items als Gewinn ist deren fehlender reeller Gegenwert. Zwar können die einzelnen Items in manchen Konstellationen auch separat für Spielwährung erworben werden, sodass ihnen ein bestimmter spielinterner Wert zugemessen werden kann (wobei es auch hier auf die in Ziffer 2 angesprochenen Probleme ankommt). In Games, in denen das von der Lootbox gezogene Item nicht an andere Spieler:innen übertragen werden kann, fehlt es jedoch an einem Wert im Glücksspielrechtlichen sinne, da ein möglicher Gewinn durch ein Item, welches in Spielwährung höherwertiger ist als die Lootbox selbst, nicht realisiert werden kann.

In Spielen, in denen eine Möglichkeit des Item-Tausches mit anderen Spieler:innen besteht, ist diese Einordnung nicht mehr so unproblematisch. Spiele wie CS:GO und DOTA 2 haben mit der Plattform Steam einen separaten Marktplatz für Spiel-Items, bei dem Spieler:innen untereinander Handel treiben können und dabei Echtgeld verwendet wird. Dieses Geld verbleibt jedoch in dem Steam-Konto der Gamer:innen und kann ausschließlich auf der Steam-Plattform verwendet werden. In anderen Spielen – wie FIFA – gibt es die Möglichkeit, die gezogenen Spielerkarten gegen Coins an andere Spieler:innen zu verkaufen. In diesen Fällen kann an eine Einstufung der Items als Gewinn gedacht werden.

Systematische Betrachtung

Eine systematische Betrachtung der Rechtslage spricht dafür, dass Lootboxen nicht als glücksspielrechtlich relevant einzustufen sind.

Die mit dem Einsatz von Lootboxen und ähnlichen Mechaniken verbundenen Probleme und der Aufschrei von Communities und Jugendschützer:innen sind nicht an dem politischen Diskurs vorbeigegangen. Dies hat sich auch mit der Novellierung des Jugendschutzgesetzes, die am 1. Mai 2022 in kraft trat, bestätigt.

Der neu gefasste § 10b Abs. 3 JuSchG lautet wie folgt:

„Insbesondere sind nach konkreter Gefahrenprognose als erheblich einzustufende Risiken für die persönliche Integrität von Kindern und Jugendlichen, die im Rahmen der Nutzung des Mediums auftreten können, unter Einbeziehung etwaiger Vorsorgemaßnahmen im Sinne des § 24a Absatz 1 und 2 angemessen zu berücksichtigen. Hierzu zählen insbesondere Risiken durch Kommunikations- und Kontaktfunktionen, durch Kauffunktionen, durch glücksspielähnliche Mechanismen, durch Mechanismen zur Förderung eines exzessiven Mediennutzungsverhaltens, durch die Weitergabe von Bestands- und Nutzungsdaten ohne Einwilligung an Dritte sowie durch nicht altersgerechte Kaufappelle insbesondere durch werbende Verweise auf andere Medien.“

In den Gesetzesbegründungen zum „Zweiten Gesetz zur Änderung des Jugendschutzgesetzes“ werden als „glücksspielähnliche Mechanismen“ konkret Lootboxen und ähnliche Mechaniken benannt. Aus diesem Willen des Gesetzgebers ausgehend wird deutlich, dass eine Betrachtung von Lootboxen nach deutschem Recht (noch) keine Kategorisierung als „echtes“ Glücksspiel vorsieht.

Unabhängig von der Gesetzgebung wird vermehrt das Argument angeführt, dass bereits seit Jahrzehnten bestehende, mit Lootboxen zu vergleichende Systeme im analogen Leben nicht als Glücksspiel eingestuft werden. Beispiele hierfür sind Panini-Sticker und Sammelkartenspiele wie Magic the Gathering, Yu-Gi-Oh! und Pokémon. Insbesondere die Karten aus den Sammelkartenspielen haben teilweise einen sehr hohen reellen Wert auf dem Sekundärmarkt.

Fazit

Anders, als die Schlagzeilen zu glauben geben, handelt es sich bei dem Urteil des österreichischen Bezirksgerichts Hermagor gegen Sony nicht um einen Paukenschlag für die Rechte von Gamer:innen, die Lootboxen in Spielen kaufen.

Das österreichische Urteil betrifft eine spezifische Konstellation mit Bezug auf Sony und FIFA, sodass nicht ohne weiteres von einer allgemeinen Gültigkeit für andere Konstellationen ausgegangen werden kann. Das Urteil lässt ich auch nicht auf Deutschland übertragen, da hier neben einer anderen glücksspielrechtlichen Gesetzeslage auch weitere Gesetzgebungsvorhaben die Materie bereits thematisiert haben.

Lootboxen werden aus der Gaming-Welt wohl nicht so schnell gänzlich verschwinden, insbesondere im Mobile Gaming gehören sie oft in Kombination mit weiteren Monetarisierungsmodellen zum Kern des Geschäftsmodells. Der rechtlich nicht unbedenkliche Charakter von Lootboxen steht jedoch schon seit vielen Jahren im Mittelpunkt der Monetarisierungsdebatte von Games. Da bereits mehrere Länder Lootboxen stark regulieren oder gänzlich verbieten, ist schon eine Entwicklung der Monetarisierungsstrategien der großen Entwickler weg von Lootboxen und hin zu alternativen Modellen wie der Battle-Pass zu verzeichnen. Dieser Wandel zeugt davon, dass die Videospielindustrie auf die Kritik von Lootboxen reagiert.