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Das OLG Hamm hat mit Beschluss vom 15.05.2023 – 4 W 32/22 entschieden, dass ein Wirtschaftsverband nur dann zur Einleitung eines Ordnungsmittelverfahrens befugt sei, wenn es in den seit der UWG-Reform vom Bundesamt für Justiz (BfJ) nach §§ 8 Abs. 3 Nr. 1 und 2, 8a, 8b UWG geführten Listen eingetragen ist.

Update vom 12.2.2024: Die Entscheidung des OLG Hamm ist durch den BGH Beschluss vom 21.12.2023 – I ZB 42/23 aufgehoben und zur erneuten Entscheidung zurückverwiesen worden. Der BGH stellte fest, dass die Antragsbefugnis im Ordnungsmittelverfahren aus § 750 Abs. 1 Satz 1 ZPO folgt und nicht aus § 8 Abs. 3 UWG. Der BGH ließ offen, ob gegen einen Unterlassungstitel, der im einstweiligen Verfügungsverfahren erlassen wurde, die Vollstreckungsabwehrklage nach § 767 ZPO statthaft ist oder ob die Schuldnerin mit einem Antrag auf Aufhebung wegen veränderter Umstände gemäß § 927 Abs. 1 ZPO gegen diesen Unterlassungstitel vorgehen kann.

Hintergrund

Die Angelegenheit beruht auf einer Abmahnung, die im Jahr 2018 vom IDO (IDO Interessenverband für das Rechts- und Finanzconsulting deutscher Online-Unternehmen e.V.) ausgesprochen wurde. Der Abgemahnten wurde damals vorgeworfen, sie habe auf eine unzureichende Weise mit einer Garantie geworben, weil Angaben zum Inhalt und zur Ausgestaltung der Garantie fehlten.

Da die Abgemahnte keine Unterlassungserklärung abgab, erwirkte der IDO, zur Durchsetzung seines Unterlassungsanspruchs nach § 8 Abs. 1 UWG, eine Einstweilige Verfügung vor dem LG Essen. Darin wurde der Abgemahnten unter Androhung von Ordnungsmitteln untersagt, die vorgeworfene unzureichende Werbung zu wiederholen. Nach Zustellung dieses Beschlusses gab die Abgemahnte eine sogenannte Abschlusserklärung ab. Damit erkannte sie die einstweilige Verfügung, die grundsätzlich nur der vorübergehenden Regelung einer Streitigkeit bis zur endgültigen Entscheidung im Hauptsacheverfahren dient, als endgültige Beilegung des Rechtsstreits an.

Zum aktuellen Streit vor dem OLG Hamm kam es, weil die damalige Abgemahnte und jetzige Schuldnerin wohl erneut mit unzureichenden Garantieangaben warb. Der IDO wollte daraufhin die Zwangsvollstreckung aus dem (in der erwirkten einstweiligen Verfügung enthaltenen) Unterlassungstitel durch Einleitung eines Ordnungsmittelverfahrens betreiben. Als Gläubiger beantragte der Verband vor dem LG Essen die Festsetzung eines Ordnungsgeldes gegen die Schuldnerin. Als das LG Essen dies mit der Begründung ablehnte, dem IDO fehle hierfür die Prozessführungsbefugnis, legte der Verband die sofortige Beschwerde vor dem OLG Hamm ein.

Entscheidung

Das OLG Hamm hat die sofortige Beschwerde des IDO als unbegründet abgewiesen. Das Gericht gab dem LG Essen Recht und stellte fest, dass dem Verband die Antragsbefugnis fehlt. Für die Antragsbefugnis sei es seit dem 1.12.2021 nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 und 3 UWG erforderlich, dass der Verband in einer der von dem Bundesamt für Justizgeführten Listen eingetragen werde.

Hierzu führt das Gericht aus:

Die Antragsbefugnis für einen Antrag auf Festsetzung von Ordnungsmitteln nach § 890 Abs. 1 Satz 1 ZPO fehlt dem Gläubiger hier spätestens seit dem Inkrafttreten der Neufassung des § 8 Abs. 3 UWG aufgrund des Gesetzes zur Stärkung des fairen Wettbewerbs vom 26.11.2020 am 01.12.2021, weil der Gläubiger bis zum heutigen Tage weder in die Liste der qualifizierten Wirtschaftsverbände nach § 8b UWG noch in die Liste der qualifizierten Einrichtungen nach § 4 UKlaG eingetragen worden ist. Gerade die Neufassung des § 8 Abs. 3 UWG durch das Gesetz zur Stärkung des fairen Wettbewerbs belegt die Richtigkeit der Auffassung, dass die Prozessführungsbefugnis (Antragsbefugnis) von Wirtschaftsverbänden und qualifizierten Einrichtungen auch noch im Ordnungsmittelverfahren fortbestehen muss: Die gegenteilige, im vorliegenden Verfahren vom Gläubiger vertretene Auffassung würde dazu führen, dass bei einer vom Gesetzgeber angeordneten Einschränkung der Prozessführungsbefugnis von Verbänden und Einrichtungen, wie sie das Gesetz zur Stärkung des fairen Wettbewerbs vorgenommen hat, von dieser Gesetzesänderung betroffene, nicht mehr abmahn-, anspruchs- und klageberechtigte Verbände und Einrichtungen noch ein kaum sinnvolles „Rest- und Schattendasein“ als „Verwalter“ alter Vollstreckungstitel führen könnten. Dies entspricht fraglos nicht der Intention des Gesetzgebers und schon gar nicht dem Gesetzeszweck des Gesetzes zur Stärkung des fairen Wettbewerbs vom 26.11.2020.

Hinsichtlich der Übergangsregel in § 15a UWG führte das Gericht aus, dass es unmittelbar für das Erkenntnisverfahren und nicht für Verfahren im Rahmen der Zwangsvollstreckung gelte. Folge dieser Auslegung ist jedoch, dass Unterlassungstitel existieren, die nicht vollstreckbar wären. Diesbezüglich stellte das Gericht fest:

Es besteht auch kein inhaltlicher Widerspruch zwischen der für das Erkenntnisverfahren geschaffenen Übergangsregelung in § 15a Abs. 1 UWG und der hier vertretenen Auffassung, dass der Titelgläubiger bei der sich an das Erkenntnisverfahren anschließenden Durchsetzung des titulierten Unterlassungsanspruches im Wege der Zwangsvollstreckung zum Zeitpunkt der Entscheidung über einen Antrag auf Festsetzung von Ordnungsmitteln nach § 890 Abs. 1 Satz 1 ZPO nach den zu diesem Zeitpunkt geltenden Vorschriften prozessführungsbefugt (antragsbefugt) sein muss. Denn die Übergangsregelung in § 15a Abs. 1 UWG dient bei sinnvoller und den Gesetzeszweck des Gesetzes zur Stärkung des fairen Wettbewerbs berücksichtigender Auslegung ersichtlich dazu, Verbänden im Sinne des § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG die Gelegenheit zu geben, während der Dauer des Erkenntnisverfahrens alles Erforderliche zu veranlassen, um den neuen gesetzlichen Anforderungen für ihr weiteres Tätigwerden – namentlich der nunmehr erforderlichen Listeneintragung – gerecht zu werden.

Fazit

Nach Ansicht des Gerichts können Unternehmen, die Unterlassungsklagen des IDOs verloren oder Einstweilige Verfügungen „kassiert“ haben, Vollstreckungsabwehrklage erheben, weil der Verband nicht in den Listen des Bundesamts für Justiz eingetragen ist. Eine Vollstreckungsabwehrklage hebt zwar nicht den Titel auf, beseitigt jedoch deren Vollstreckbarkeit. In diesem Sinne wäre auch die Erhebung einer Feststellungsklage denkbar in der beantragt wird, der IDO dürfe die Unterlassung so lange nicht vollstrecken, wie er nicht in den Listen des Bundesamts für Justiz eingetragen ist.

Die Rechtsbeschwerde vor dem BGH wurde zugelassen. Es bleibt spannend, wie der BGH entscheiden wird. Schließlich legen die oberen Gerichte die Übergangsvorschrift § 15a UWG unterschiedlich aus.

Schuldner des IDO sollten prüfen lassen, ob sie gegen die Vollstreckung des Titels oder die Unterlassungsverpflichtung selbst vorgehen können. Denkbar wäre eine Vollstreckungsabwehrklage nach § 767 ZPO, weil der Fortfall der Verbandsklagebefugnis nach § 8 Abs. 3 UWG, § 3 UKlaG die Titelschuldner zur Vollstreckungsgegenklage berechtigen würde. Diesem Rechtsbehelf ginge die Aufhebung wegen veränderter Umstände gemäß § 927 Abs. 1 ZPO vor. Hierzu zählt auch eine Änderung der Rechtslage durch Gesetzgebung oder höchstrichterliche Rechtsprechung.