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Am 21.03.2025 hat das Landgericht Köln (Az. 84 O 29/24) einem Luftfahrtunternehmen die Werbung mit pauschalen CO₂-Kompensationsversprechen untersagt.

Sachverhalt

Geklagt hatte ein Verbraucherschutzverband, der zwei Werbeaussagen beanstandete. Zum einen könnten Reisende ihre Emissionen aus bereits erfolgten Flügen durch Zahlungen an Klimaschutzprojekte „ausgleichen“, zum anderen ließ sich während der Buchung ein Aufpreis entrichten, mit dem das Unternehmen nachhaltigen Flugkraftstoff (Sustainable Aviation Fuel – SAF) einsetzen wollte, um „die flugbezogenen CO₂-Emissionen zu reduzieren“. Nach Auffassung des Klägers erzeugten Formulierungen wie „CO₂-Emissionen ausgleichen“ oder „nachhaltiger fliegen“ den Eindruck einer vollständigen Neutralisierung der klimaschädlichen Wirkungen des konkreten Fluges, ohne die tatsächlichen Abläufe offenzulegen; dies verletze die Transparenzpflicht aus § 5a UWG und führe zu einer Irreführung nach § 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 UWG.

Rechtliche Maßstäbe

Das Landgericht Köln schloss sich dieser Sichtweise an. Umwelt-Claims beträfen wesentliche Produkteigenschaften und unterlägen deshalb strengen Transparenzanforderungen. In seiner Begründung griff das Gericht die Leitlinien des Bundesgerichtshofs aus dem Urteil „Klimaneutral“ (BGH, Urt. v. 27. 06. 2024, I ZR 98/23) auf, wonach Werbende die Grundlagen einer behaupteten Klimaneutralität schon in der Werbung so konkret darlegen müssen, dass Verbraucher die Maßnahme inhaltlich einschätzen können. Diesen Anforderungen genügten die streitigen Aussagen nicht.

Die SAF-Option lasse offen, in welcher Menge und auf welchem konkreten Flug das nachhaltige Kerosin verwendet werde; tatsächlich werde das SAF wohl irgendwo im Konzernnetz eingesetzt. Es werde der Eindruck erweckt, der gebuchte Flug selbst sei „grün“ durchgeführt, was objektiv unzutreffend sei.

Noch weniger transparent sei die reine Kompensations­option. Ohne Angaben zum Umfang der Vermeidung, zum konkreten Klimaschutzprojekt, zu Zertifizierungsstandards oder zur Zeitspanne bis zur tatsächlichen Emissions­ersparnis bleibe offen, ob überhaupt eine vollständige oder nur partielle Neutralisierung stattfindet. Gerade bei Flugreisen – einem Bereich mit erheblichem Treibhausgas-Footprint – könnten bereits geringe Nuancen in der Aussage Verbraucherentscheidungen beeinflussen. Ein durchschnittlich informierter Verbraucher verstehe „ausgleichen“ oder „reduzieren“ dahin, dass seine Flugemissionen vollständig und zeitgleich kompensiert würden; weiche die tatsächliche Wirkung davon ab, liege eine Irreführung vor.

Daher untersagte das Gericht der Beklagten, die beanstandeten Werbeaussagen in der vorliegenden Form weiterhin zu verwenden. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, setzt aber die bisherigen Maßstäbe der deutschen Rechtsprechung für Umweltwerbung in der Luftfahrt- und Reisebranche fort.

Praxishinweis

Wer klimabezogene Vorteile bewirbt, muss exakt angeben, was, in welchem Umfang und wann kompensiert oder reduziert wird. Kompensationsmodelle erfordern eine nachvollziehbare Darstellung der Projektarten, der eingesetzten Zertifikate (etwa Gold Standard oder Verified Carbon Standard) und des Zeitpunkts, zu dem die Emissionseinsparung tatsächlich realisiert wird. Beim Einsatz von SAF genügt es nicht, Zertifikate zu erwerben und irgendwann im Konzern zu verbrennen; vielmehr muss klar sein, ob der konkrete Flug betroffen ist oder nur ein äquivalentes Volumen an anderer Stelle. Darüber hinaus sollten Unternehmen erläutern, welche Klimawirkungen neben CO₂ – etwa Stickoxide oder Wasserdampf in großer Flughöhe – unberücksichtigt bleiben, sofern sie nicht vollständig adressiert werden.

Der Blick in die Zukunft verschärft den Handlungsdruck: Mit Inkrafttreten der EU-EmpCo-Richtlinie am 27.09.2026 wird es unionsweit untersagt sein, Produkte oder Dienstleistungen allein durch nachträgliche Kompensation als umweltfreundlich zu bewerben. Marktteilnehmer sollten deshalb schon heute ihre Werbeaussagen anpassen und – soweit möglich – echte emissionsvermeidende Maßnahmen in den Vordergrund stellen. Transparenz, Nachprüfbarkeit und Konkretheit sind dabei die Schlüsselbegriffe. Nur wer offenlegt, wie das beworbene Umweltversprechen erfüllt wird, kann Greenwashing-Risiken vermeiden und wettbewerbsrechtliche Abmahnungen verhindern.