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Das Oberlandesgericht Stuttgart hat einem Optikerunternehmen untersagt, „Gratisbrillen“ an „Corona-Helden“ auszugeben. Eine solche Werbung mit Brillengeschenken gerichtet an Pflegerinnen, Pfleger, Ärztinnen und Ärzte verstoße gegen § 7 Abs. 1 Heilmittelwerbegesetz (HWG).

Es bestehe die Gefahr, dass ein Verbraucher sich für die beworbene Brille entscheide, ohne sich zuvor über eventuell seinen oder ihren Bedürfnissen besser entsprechende Angebote von Konkurrenten zu informieren.

Die Augenoptiker-Firma warb mit folgender Werbeaussage:

WIR SCHENKEN IHNEN EINE NEUE BRILLE – INKLUSIVE GLÄSERN

GROSSE X GESCHENKAKTION FÜR UNSERE HELDEN Exklusiv für Pflegerinnen, Pfleger, Ärztinnen und Ärzte Sie alle leisten zurzeit Unglaubliches. X bedankt sich mit einem Geschenk für Ihren Einsatz. Eine Brille Ihrer Wahl, mit Gläsern in ihrer Stärke.* Weil Sie für uns da sind und wir etwas für Sie tun wollen. Vielen Dank im Namen von X und allen Mitarbeitern und Kunden. Es ist toll, dass wir in dieser schwierigen Zeit auf Sie zählen können!“

Gegen diese Werbeanzeige wandte sich ein gewerblicher Interessenvertretungsverband per Eilantrag. Während dieser erstinstanzlich noch scheiterte (LG Stuttgart, Urt. v. 08.05.2020 – 36 O 30/20 KfH), gaben die Stuttgarter Richter ihm nun statt und erließen eine Unterlassungsverfügung gegen das Augenoptikerunternehmen.

Nach dem Urteil sieht der Senat einen Verstoß gegen § 7 Abs. 1 HWG und §§ 8 Abs. 3 Nr. 2 iVm Abs. 1, 3, 3a UWG als gegeben an. Bei der Werbung handele es sich um eine iSd § 3 Abs. 1 UWG unlautere geschäftliche Handlung. Unlauter handelt gem. § 3a UWG unter anderem, wer einer gesetzlichen Vorschrift zuwiderhandelt, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln, und der Verstoß geeignet ist, die Interessen von Verbrauchern, sonstigen Marktteilnehmern oder Mitbewerbern spürbar zu beeinträchtigen.

In der Gratisabgabe von Brillen liege ein Verstoß gegen eine solche Marktregel. Um diese vor der unsachlichen Beeinflussung durch Marketing im sensiblen Bereich der Heilmittel und Medizinprodukte zu bewahren – und damit letztlich deren verfassungsrechtlich geschützte Gesundheit zu schützen, ist es gem. § 7 Abs. 1 HWG unzulässig, Zuwendungen und sonstige Werbegaben für Medizinprodukte (wie etwa Brillen) anzubieten, anzukündigen oder zu gewähren, soweit kein Ausnahmetatbestand greift. Außerdem bestünde keine nach dem HWG zulässige allgemeine Werbung für das eigene Unternehmen, sondern vielmehr eine konkrete Medizinproduktwerbung, die aus denselben Gründen wie die Gratisabgabe ebenfalls untersagt ist, § 1 Abs. 1 Nr. 1a HWG iVm § 3 MPG.

Das OLG bezog sich auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Publikumswerbung (BGH, Urt. v. 25.04.2013 – I ZR 105/10 – Das große Rätselheft). § 7 Abs. 1 HWG erfordere hiernach keine unmittelbare Kopplung zwischen dem Erhalt der Werbegabe und einer Kaufentscheidung. Vielmehr genüge bereits die abstrakte Gefahr einer unsachlichen Beeinflussung des Beschenkten. Verbraucher müssten ein hohes Schutzniveau genießen, das Erfordernis einer konkreten Gefahr würde die Durchsetzung dieser Vorschriften gefährden.

Diese abstrakte Gefahr sehen die Richter darin, dass der Verbraucher sich für eine Leistung entscheidet, ohne die Produkte der Mitbewerber in seine Entscheidung einzubeziehen, auch wenn diese für ihn besser geeignet sein könnten. Es geht hingegen nicht darum, dass der Adressat eine Leistung in Anspruch nicht, die er oder sie sonst gar nicht getroffen hätte. Zum Kauf von Medizinprodukten wird wohl niemand überredet, wenn er diese nicht zumindest grundsätzlich benötigt. Es sei außerdem denkbar, dass die Beschenkten aus Dankbarkeit weitere Produkte der Beklagten kostenpflichtig erwerben, um sich für Gratisleistungen erkenntlich zu zeigen.

Dieses Urteil zeigt, dass im Bermudadreieck von HWG, MPG und UWG in der Coronazeit beachtliche Tücken bestehen. Gerade im Bereich der Werbung für dieses Jahr besonders hinsichtlich Masken noch wesentlich relevanter gewordenen Medizinprodukte, müssen Unternehmer aufpassen. Über die Abmahngefahr bei Werbung für Masken haben wir bereits berichtet.