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Jahrelang waren sich die deutschen Gerichte nicht einig hinsichtlich der Frage, ob die Abrufbarkeit von Fotos unter langen mehrstelligen komplexen URL-Adressen eine öffentliche Zugänglichmachung i.S.d. § 19a UrhG darstellt. Nun hat der BGH endlich ein Machtwort gesprochen. Der I. Zivilsenat des BGH verneint eine öffentliche Wiedergabe, da es seiner Ansicht nach einer „Öffentlichkeit“ der Wiedergabe fehlt (Urt. v. 27.5.2021, Az. I ZR 119/20). Damit folgt der BGH der bisherigen EuGH Rechtsprechung in dieser Frage.

Der Beklagte hatte drei Bilder auf der eBay-Plattform ohne Zustimmung des Klägers, dem Urheber, eingestellt. Der Kläger mahnte den Beklagten ab, welcher sich daraufhin mittels einer Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung verpflichtete, diese Bilder nicht mehr öffentlich zugänglich zu machen. Obwohl der Beklagte die eBay-Plattform zur Entfernung der Bilder aufgefordert hat, waren diese dennoch jeweils unter langen über 70-stelligen URL-Adressen weiter aufrufbar und der Kläger machte einen Unterlassungsanspruch sowie eine Vertragsstrafe geltend. Der Beklagte wehrte sich hiergegen. Die URL-Adressen seien weder über Websites noch über eine Suchmaschine auffindbar, sodass sie nur bei vorheriger Kenntnis oder Speicherung zu ermitteln waren und damit faktisch der Personenkreis, der diese Adressen tatsächlich aufruft, verschwindend gering sei.

Eine solche Fallkonstellation war in der Vergangenheit schon vor mehreren deutschen Gerichten entschieden worden – allerdings mit unterschiedlichem Ausgang. Am OLG Karlsruhe (Urt. v. 3. 12. 2012, Az. 6 U 92/11) und KG Berlin (Urt. v. 29.7.2019, Az. 24 U 143/18) stellte man allein auf die theoretische Möglichkeit der Abrufbarkeit und bejahte deshalb eine öffentliche Zugänglichmachung i.S.d. § 19a UrhG.

Dagegen schlug das OLG Frankfurt erstmals eine neue Richtung ein und lehnte eine öffentliche Zugänglichmachung unter Verweis auf die Rechtsprechung des EuGH ab (Urt. v. 16.6.2020, Az. 11 U 46/19). Der BGH ist diesem Ansatz gefolgt.

Ausgehend von der EuGH Rechtsprechung erfordert der Begriff der Öffentlichkeit nicht nur eine unbestimmte Zahl möglicher Adressaten, sondern auch „recht viele Personen“ (EuGH (Große Kammer), Urt. v. 31.5.2016, Az. C-117/15 – Reha Training; EuGH (Dritte Kammer), Urt. vom 15.3.2012, Az. C-135/10 – SCF). Somit ist mit dem Begriff „öffentlich“ eine bestimmte Mindestschwelle zu beachten, welche eine allzu kleine oder gar unbedeutende Mehrzahl betroffener Personen ausschließt. Der BGH hält es deshalb für notwendig, bei der Bestimmung dieser Zahl von Personen die kumulative Wirkung zu beachten, die sich aus der Zugänglichmachung der Werke bei den potentiellen Adressaten ergibt. Dabei kommt es darauf an, wie viele Personen gleichzeitig und nacheinander Zugang zu demselben Werk haben.

Das Berufungsgericht habe deshalb zu Recht angenommen, dass der relevante Personenkreis sich faktisch nur auf solche Personen begrenzt, der die URL-Adresse abgespeichert, kopiert oder notiert hätte und es jeglicher Lebenserfahrung widerspricht, dass neben dem Kläger noch „recht viel“ andere Personen dies getan haben und Zugang zu der URL-Adresse haben.