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Die Europäische Union hat sich mit der KI-Verordnung (auch KI-VO und AI Act genannt) ambitionierte Ziele gesteckt. Sie möchte nicht nur den Schutz von Sicherheit, Gesundheit und Grundrechten garantieren, sondern gleichzeitig den europäischen Binnenmarkt fördern und die Innovationskraft der Unternehmen stärken. Vor allem kleine und mittlere Unternehmen (KMU) sowie Start-up-Unternehmen blicken jedoch oft skeptisch auf den umfangreichen Katalog an Vorschriften und Pflichten.

Aber: Die KI-Verordnung berücksichtigt auch die Besonderheiten kleiner, mittlerer und junger Unternehmen, damit diese durch die sie treffenden Pflichten nicht übermäßig belastet werden. In diesem Beitrag erfahren Sie, welche Aspekte des AI Act für KMU und Start-ups eine positive Rolle spielen.

Keine direkten Ausnahmen, aber Erleichterungen

Auch wenn die KI-Verordnung für KMU und Start-ups keine ausdrücklichen Ausnahmen vorsieht, profitieren diese doch von den einheitlichen Regeln, die den bürokratischen Aufwand überschaubar halten und dennoch hohe Sicherheits- und Grundrechtsstandards gewährleisten sollen.

Aus mehreren Erwägungsgründen der KI-VO (insbesondere Nr. 8, 109 und 143) geht hervor, dass die EU-Mitgliedstaaten sowie die EU-Kommission sich ausdrücklich dazu verpflichten, die Bedürfnisse von KMU und Start-ups zu berücksichtigen.

Ziel ist es, unverhältnismäßige Kosten oder einen überzogenen organisatorischen Aufwand zu vermeiden, um kleineren Unternehmen den Zugang zum Markt zu erleichtern.

Dies soll durch gezielte Förderung, umfassende Beratung und herabgesenkte rechtliche Konsequenzen erfolgen, sodass KMU nicht im Paragraphendschungel steckenbleiben.

Vereinfachte Dokumentation für Anbieter von Hochrisiko-KI-Systeme

Ein Beispiel für die Erleichterungen für KMU und Start-ups findet sich direkt in Art. 11 Abs. 1 KI-VO. Wer als Anbieter (mehr zu den Akteuren können Sie in unserem Beitrag „Anbieter oder Betreiber? Die Schlüsselrollen im AI Act entschlüsselt“ erfahren) ein sogenanntes Hochrisiko-KI-System (mehr zu den Risikoklassen können Sie in unserem Beitrag „Risikoklassifizierung nach der KI-Verordnung“ erfahren) auf den Markt bringt, muss dafür gemäß Art. 11 KI-VO eine technische Dokumentation vorlegen. Für KMU und Start-ups könnte der Dokumentationsaufwand schnell herausfordernd werden.

Art. 11 KI-VO sieht dabei jedoch vor, dass die EU Kommission ein vereinfachtes Formular für KMU und Start-ups anfertigt, um den bürokratischen Aufwand für diese Unternehmen zu reduzieren, ohne weitere Kompromisse bei den Anforderungen einzugehen.

Aktive Einbindung in die Normung

Um Standards zu entwickeln, die sich in der Praxis bewähren und kleinere Player auf dem Markt nicht benachteiligen, fördert die Verordnung explizit die Teilhabe von KMU und Start-ups an Normungsprozessen (z.B. Art. 62 Abs. 1 lit. d, ErwGr. 121).

Durch eine frühzeitige Mitarbeit in den einschlägigen Gremien können KMU und Start-ups ihre Interessen besser einbringen. So wird sichergestellt, dass Technikstandards nicht nur von Konzernen geprägt werden, sondern vielfältige Anforderungen widerspiegeln.

Auf diese Weise können sich KMU und junge Unternehmen auch frühzeitig über neue Entwicklungen informieren und eigene Lösungen entsprechend anpassen.

KI-Reallabore als Testumgebung

Die KI-Verordnung führt mit den sogenannten KI-Reallaboren (englisch: AI Regulatory Sandboxes) ein spannendes Instrument ein, um neue KI-Anwendungen unter realen Bedingungen zu erproben.

KMU und Start-ups sollen hier nach der KI-VO günstigere oder sogar kostenfreie Zugangsmöglichkeiten erhalten. Vereinfachte Antragsverfahren sollen dabei eine schnelle und unbürokratische Teilhabe.

KMU und Start-ups sollen dadurch die Chance erhalten, innovative KI-Lösungen ausgiebig zu testen, ohne bereits sämtliche Pflicht- und Dokumentationsaufwände in voller Gänze erfüllen zu müssen.

Unterstützung, Beratung und zentrale Anlaufstellen

Die Mitgliedstaaten werden durch die KI-Verordnung verpflichtet, nationale Behörden zu benennen, die als Beratungs- und Anlaufstellen für KMU und Start-ups fungieren. Diese sollen:

  • kostenlose oder zumindest niedrigschwellige Beratung sicherstellen, wodurch allem KMU und Start-ups sich einen Überblick über die rechtlichen Vorgaben verschaffen und Hilfe bei deren Umsetzung erhalten sollen;
  • als Informations- und Kommunikationskanäle fungieren, die sich spezifisch an die Fragen kleinerer Akteure richten.

Weichere Sanktionen

Verstöße gegen die KI-Verordnung können erhebliche Bußgelder nach sich ziehen. Diese können bei den schwersten Verstößen bis zu 35 Mio. EUR oder bis zu 7 % des gesamten weltweiten Jahresumsatzes des vorangegangenen Geschäftsjahres betragen, je nachdem, welcher Betrag höher ist.

Die KI-Verordnung erkennt an, dass in diesem Kontext KMU und Start-ups besonders schützenswert sind, da Bußgelder in entsprechender Höhe existenzvernichtend sein können. Die Interessen der KMU und Start-ups werden daher direkt in Art. 99 Abs. 1 adressiert. Darin heißt es, dass vorgesehenen Sanktionen „die Interessen von KMU, einschließlich Start-up-Unternehmen, sowie deren wirtschaftliches Überleben“ berücksichtigen.

Zudem soll für KMU und Start-ups nicht der höhere Betrag, sondern immer der jeweils niedrigere Betrag bei der Berechnung des Bußgeldes gelten.

Fazit

Die KI-Verordnung schafft einen einheitlichen Rechtsrahmen für alle Unternehmen in der EU mit dem Umgang mit KI-Systemen. KMU und Start-ups sind zwar nicht vom Anwendungsbereich ausgeschlossen, sie profitieren jedoch von klaren Vorgaben und vereinfachten Verfahren, die auf ihre Bedürfnisse zugeschnitten sind. Gleichzeitig müssen sie die hohen Schutzstandards kennen und beachten, um das Vertrauen ihrer Kund:innen und Geschäftspartner:innen zu gewinnen.

Mit einer vorausschauenden Planung und gezielten Beratung können bereits jetzt die Weichen gestellt werden, damit neue KI-Projekte rechtskonform, wirtschaftlich erfolgreich und zugleich innovationsfreundlich umgesetzt werden. So kann die KI-Verordnung weniger als Last, sondern vielmehr als Wettbewerbsvorteil dienen.

Sie haben Fragen dazu, wie Sie die neuen Pflichten der KI-Verordnung in Ihrem Unternehmen effizient umsetzen? Sprechen Sie uns gerne an! Wir unterstützen Sie bei der rechtlichen Gestaltung und zeigen Wege, um möglichst bürokratiearm, aber dennoch sicher und konform zu arbeiten.