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In zwei jüngst veröffentlichten Entscheidungen haben Gerichte sich mit arbeitsrechtlichen Fragen zum Datenschutz beschäftigt. Während das Arbeitsgericht Lübeck sich mit dem „Dauerbrenner“ der Veröffentlichung von Mitarbeiter-Fotos beschäftigte, hat das LAG Köln sich mit den Mitbestimmungsrechten eines Betriebsrats auseinandergesetzt.

Schadensersatz für Ex-Mitarbeiter wegen Foto-Veröffentlichung auf Facebook

Die datenschutzrechtlichen Fragen zum Thema „Mitarbeiter-Fotos“ beschäftigen Unternehmen immer wieder. Wann muss eine Einwilligung eingeholt werden?  Und was passiert, wenn der Mitarbeiter seine Einwilligung widerruft? Das sind nur einige Aspekte, mit denen sich Unternehmen auseinandersetzen müssen. Tut man dies nicht, drohen auch Schadensersatzforderungen, wie ein aktueller Beschluss des Arbeitsgericht Lübeck (Beschluss vom 20.06.2019- 1 Ca 538/19) zeigt.

Doch was war passiert? Ein Unternehmen warb mit dem Bild und der Tätigkeitsbezeichnung eines Mitarbeiters auf der firmeneigenen Website. Hierfür hatte der Mitarbeiter auch sein schriftliches Einverständnis erklärt. So weit, so normal.

Das Unternehmen unterhielt aber auch eine eigene Facebook-Seite, auf der das Foto des Mitarbeiters ebenfalls veröffentlicht wurde. Nachdem nun das Beschäftigungsverhältnis endete, widerrief der Mitarbeiter seine Einwilligung. Daraufhin löschte das Unternehmen das Bild auf der eigenen Website.

Erst im Nachhinein entdeckte der Ex-Mitarbeiter dann, dass seine Daten auch auf Facebook weiterhin veröffentlicht waren. In der Folge forderte er die Löschung des Fotos, was auch sofort geschah. Zugleich machte er aber auch einen Schadensersatzanspruch nach Art. 82 Abs. 1 DSGVO geltend und zog so vor das Arbeitsgericht.

Im Rahmen eines Beschlusses über Prozesskostenhilfe entschied das Lübecker Arbeitsgericht nun, dass ein Schmerzensgeldanspruch in Höhe von 1.000 Euro (ursprünglich verlangte der Kläger 3.500 Euro) Erfolg haben dürfte. Im Rahmen der Abwägung wies das Gericht darauf hin, dass die zuvor erteilte Einwilligung in die Veröffentlichung des Fotos auf der Unternehmenswebsite anspruchsmindernd zu berücksichtigen sei, so dass nur ein Schadensersatzanspruch von nicht mehr als 1.000 Euro gerechtfertigt sei.

Fazit:

Die Entscheidung zeigt einmal mehr, dass Unternehmen die datenschutzrechtlichen Bestimmungen im Beschäftigtenkontext ernst nehmen müssen. Datenschutzrechtliche Einwilligungen können jederzeit mit Wirkung für die Zukunft widerrufen werden. Hierauf müssen sich Unternehmen einstellen und ggf. schnell reagieren.

Gleichwohl ist anzumerken, dass sich das Gericht hier nur im Rahmen eines Beschlusses über Prozesskostenhilfe zu dem Schmerzensgeldanspruch geäußert hat und sich nicht mit der Frage einer etwaigen Bagatellgrenze im Rahmen von Art. 82 DSGVO beschäftigte. Diese Frage wird die Gerichte höherer Ordnung künftig weiter beschäftigen. Entscheidend wird sein, dass klare, sachgerechte Kriterien für die Beurteilung immaterieller Schadensersatzansprüche nach Art. 82 DSGVO aufgestellt werden, die Entscheidungen im Einzelfall ermöglichen, ohne das ein immaterieller Schadensersatzanspruch ins Uferlose ausgeweitet wird.

 

Betriebsrat stärkt eigene Rechte bei Überprüfung der E-Mail-Korrespondenz eines Mitarbeiters

Das LAG Köln (Beschluss vom 19.07.2019, Az.: 9 TaBV 125/18) beschäftigte sich im Rahmen einer Beschwerde der Arbeitgeberin mit der Frage der Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats bei Überprüfung der E-Mail-Korrespondenz eines Mitarbeiters.

Was war geschehen? Nachdem im Herbst 2017 Vorwürfe gegen einen Geschäftsführer der Arbeitgeberin aufgekommen waren, wurden interne Ermittlungen eingeleitet. Im Rahmen der Ermittlungen wurde die E-Mail-Korrespondenz des zwischenzeitlich beurlaubten Mitarbeiters an beauftragte externe Wirtschaftsprüfer und eine Rechtsanwaltskanzlei übermittelt. Von diesem Vorgang erhielt der Betriebsrat am 29.11.2017 über eine an ihn gerichtete E-Mail des Datenschutzbeauftragten der Arbeitgeberin Kenntnis. In dieser E-Mail teilte der Datenschutzbeauftragte mit, dass die von ihm vorgenommene datenschutzrechtliche Prüfung keine Einwände gegen die Übergabe der Daten ergeben habe.

Gegen den Vorgang der Übermittlung ging der Betriebsrat sodann vor dem Arbeitsgericht Köln vor, machte einen Informationsanspruch bezüglich der erhobenen und weitergeleiteten Daten geltend, verlangte die Löschung und Vernichtung der Daten sowie die Unterlassung des Zugriffs auf den elektronischen Schriftverkehr des Ex-Mitarbeiters. Der Betriebsrat, der zur Begründung der Anträge darauf abstellte, ihm stünde bei der Auswertung des E-Mail-Verkehrs der nichtleitenden Arbeitnehmer ein Mitbestimmungsrecht gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG zu, hatte mit den Anträgen Erfolg.

Das LAG Köln bestätigte nun, dass die Arbeitgeberin verpflichtet ist, dem Betriebsrat die Namen und den personenbezogenen Anlass der nichtleitenden Arbeitnehmer mitzuteilen, deren elektronischer Schriftverkehr im Zusammenhang mit der internen Untersuchung an die Rechtsanwaltskanzlei und die Wirtschaftsprüfer übermittelt wurden. Nach § 80 Abs. 2 Satz 1 BetrVG ist der Betriebsrat zur Durchführung seiner Aufgaben nach dem Betriebsverfassungsgesetz rechtzeitig und umfassend vom Arbeitgeber zu unterrichten.

Da der Informationsanspruch strikt aufgabengebunden ist und in seiner Reichweite durch das Erforderlichkeitsprinzip bestimmt wird, muss der Betriebsrat die konkreten Vorschriften, deren Durchführung er zu überwachen hat und die sein Auskunftsverlangen tragen sollen, aufzeigen. Nur so könne der Arbeitgeber und im Streitfall das Arbeitsgericht prüfen, ob die Voraussetzungen einer Auskunftspflicht sowie eines damit korrespondierenden Auskunftsanspruchs vorliegen (BAG, Beschluss vom 9. April 2019 – 1 ABR 51/17 -, Rn. 12,13 juris).

Dies vorweggeschickt, stellt das Gericht sodann darauf ab, dass

zu den zu Gunsten der Arbeitnehmer geltenden Gesetzen und Verordnungen im Sinne des § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG auch das Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) und die EU-Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO)

gehört.

Denn Aufgabe des Datenschutzes sei es, der Beeinträchtigung schutzwürdiger Belange der Betroffenen durch den Schutz ihrer personenbezogenen Daten vor einem Missbrauch bei ihrer Verarbeitung entgegenzuwirken. Die Überprüfung, wann ein Arbeitnehmer eine E-Mail geschrieben und welche Informationen er wann Dritten gegenüber mitgeteilt hat, sei stets ein Erheben, Erfassen, Ordnen, Speichern oder Auslesen von Daten i.S.v. Art. 4 Nr. 2 DSGVO.

Daraus folgt aus Sicht des Gerichts:

 

„Ist eine E-Mail im Postfach eines Arbeitnehmers eingegangen und dort dann sichtbar oder gespeichert, hat der Arbeitgeber demgemäß bei einem Zugriff sowohl die allgemeinen persönlichkeits- und datenschutzrechtlichen Grenzen des BDSG als auch das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats zu beachten.“

 

Schließlich stellt das LAG Köln klar, dass der Auskunftsanspruch des Betriebsrats weder durch die Vorschriften des BDSG noch durch das informationelle Selbstbestimmungsrecht des Arbeitnehmers eingeschränkt wird bzw. der begehrten Auskunft entgegensteht.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts können sich weder Arbeitgeber noch Betriebsrat in betriebsverfassungsrechtlichen Streitigkeiten auf eine angebliche Verletzung individueller Rechtspositionen der einzelnen Arbeitnehmer berufen (BAG, Beschluss vom 14.01.2014 – 1 ABR 54/12 -, Rn. 29, juris). Die Erfüllung der dem Betriebsrat von Gesetzes wegen zugewiesenen Aufgaben ist nicht von einer vorherigen Einwilligung der Arbeitnehmer abhängig und steht nach der betriebsverfassungsrechtlichen Konzeption nicht zu deren Disposition (BAG, Beschluss vom 09.04.2019 – 1 ABR 51/17 -, Rn. 21, juris).

 

Ebenfalls interessant ist, dass das LAG vorliegend einen Anspruch auf Löschung und Vernichtung der weitergeleiteten Daten nicht als gegeben ansah. Zur Begründung führte es an, dass ein Betriebsrat zwar grundsätzlich verlangen könne, dass ein unter Verletzung seines Mitbestimmungsrechts eingetretener Zustand beseitigt werde. Der hier geltend gemachte Anspruch auf Beseitigung erfasse als so genannter Globalantrag auch diejenigen weitergeleiteten Daten, deren Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung zwar (möglicherweise) rechtswidrig war, die seitens der Arbeitgeberin und der von ihr beauftragten Ermittlungspersonen aber in einer rechtlichen Auseinandersetzung mit der Geschäftsführung und Arbeitnehmern verwertet werden dürften, weil sie in einer gerichtlichen Auseinandersetzung gleichwohl keinem Beweisverwertungsverbot unterliegen würden. Die Löschung/Vernichtung dieser Daten könne der Betriebsrat nicht verlangen, weil sein Begehren nicht in die Regelungskompetenz der Betriebsparteien falle und den Anspruch der Arbeitgeberin auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG unterlaufen würde.

Fazit:

Der Zugriff des Arbeitgebers auf E-Mail-Postfächer des Arbeitnehmers hält vielfältige Problematiken im Bereich des Beschäftigtendatenschutzes bereit. Das LAG Köln hat nun deutlich gemacht, dass auch das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats berücksichtigt werden muss. Keinesfalls sollte der Arbeitgeber daher einfach so auf E-Mail-Accounts seiner Beschäftigten zugreifen.

Zusammenfassend ist daher zu beachten:

  • Soll die E-Mail-Korrespondenz eines nicht leitenden Arbeitnehmers aus Anlass von Vorwürfen überprüft werden, muss der Arbeitgeber die vorherige Zustimmung des Betriebsrats gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG einholen;
  • verstößt der Arbeitgeber gegen das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats, kann dieser von ihm Auskunft über die Namen der betroffenen Arbeitnehmer, die Mitteilung des personenbezogenen Anlasses für die Überprüfung und die künftige Unterlassung verlangen;
  • zur Beseitigung der Folgen des mitbestimmungswidrigen Verhaltens kann der Betriebsrat zudem verlangen, dass der Arbeitgeber auf mit der Untersuchung beauftragte Dritte dahingehend einwirkt, dass sie die an sie weitergeleiteten Daten löschen und Ausdrucke vernichten;
  • der Beseitigungsanspruch des Betriebsrats besteht nicht, soweit der Arbeitgeber ein schützenswertes Interesse an der Verwertung der Daten in einer rechtlichen Auseinandersetzung hat. Anderenfalls liefe der Beseitigungsanspruch auf ein Beweisverwertungsverbot hinaus, das weder Gegenstand einer wirksamen betrieblichen Regelung sein kann noch mit dem betriebsverfassungsrechtlichen Beseitigungsanspruch durchsetzbar ist.