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Ein Internetbuchungsportal kann Hotelbetreiber verpflichten, Hotelzimmer auf der eigenen Internetseite nicht günstiger anzubieten als auf der Portalseite. Dies entschied der 1. Kartellsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf am 4. Juni 2019 (OLG Düsseldorf, Urt. v. 4.6.2019 – VI-Kart 2/16 (V)).

In concreto ging es um das Internetportal Booking. Gegen Zahlung einer Vermittlungsgebühr vermittelt Booking Hotelunternehmen Hotelkunden. Die Kunden können Hotelzimmer unmittelbar über das Buchungsportal zu den jeweils aktuellen Preisen buchen. Der Provisionsanspruch von Booking entsteht, wenn der Kunde über das Buchungsportal – und nicht direkt beim Hotel – bucht. Die Vermittlungsverträge zwischen Booking und den Hotels verpflichten letztere, Booking die günstigsten Hotelpreise anzubieten, wobei diese Preise nur auf anderen Online-Plattformen und im stationären Vertrieb unterboten werden dürfen („enge“ Bestpreisklausel). Auf der eigenen Hotelwebseite darf kein günstigeres Angebot bereitgehalten werden.

Bundeskartellamt und OLG Düsseldorf untersagten bereits „weite“ Bestpreisklauseln

Mit Beschluss vom 20.12.2013 untersagte das Bundeskartellamt dem Internetbuchungsportal HRS die Verwendung von „weiten“ Bestpreisklauseln (BKartA, Beschl. v. 20.12.2013 – B9 66/10). Diese verpflichteten die vertragsgebundenen Hotels von HRS, dem Portal immer mindestens gleich günstige Zimmerpreise und Konditionen anzubieten wie anderen Buchungs- oder Reiseplattformen oder auf der hoteleigenen Homepage.

Die Wirkungen von Bestpreisklauseln sind vielfältig. Einerseits tragen sie dazu bei, dem Verbraucher den günstigsten Preis garantieren zu können, wodurch sich seine Such- und Informationskosten reduzieren. Andererseits wird die Preisflexibilität des Hotels, welches eine Preissenkung auf der hoteleigenen Webseite auf die Hotelplattform ausdehnen muss, eingeschränkt. Hierdurch steigen die mit der Preissenkung einhergehenden Kosten.

Das BKartA sowie nachfolgend das Beschwerdegericht OLG Düsseldorf (Urt. v. 9.1.2015 – VI-Kart 1/14 (V)) sahen hierin einen Verstoß (zumindest) gegen § 1 GWB, Art. 101 Abs. 1 AEUV. Die Klausel schränke die Handlungsfreiheit der vertragsgebundenen Hotelunternehmen im Vertikalverhältnis zum Portalbetreiber ein. Weiterhin beschränke sie den Wettbewerb der Hotelportalbetreiber untereinander und erschwere Marktzutritte. Ferner beeinträchtige sie den markeninternen Wettbewerb auf dem Markt für Hotelzimmer, da das vertragsgebundene Hotel im eigenen Vertriebsweg keine günstigeren Preise und Konditionen anbieten dürfe (OLG Düsseldorf aaO).

Seither sahen Hotelportalbetreiber von der Verwendung solcher „weiten“ Bestpreisklauseln ab.

Bundeskartellamt untersagte auch „enge“ Bestpreisklauseln

Daraufhin modifizierten die Hotelportalbetreiber ihre Praxis: Booking verwendete fortan „enge“ Bestpreisklauseln, nachdem auch mehrere europäische Wettbewerbsbehörden Bedenken gegenüber den von Booking verwendeten Klauseln äußerten.

Das Bundeskartellamt untersagte Booking mit Beschluss vom 22.12.2015 auch diese Praxis (Az. B9-121/13) und gab dem Unternehmen auf, die Klauseln bis zum 31.1.2016 aus den Vermittlungsverträgen und den AGB zu entfernen, soweit sie Hotels und andere Unterkünfte in Deutschland betreffen. Das Bundeskartellamt erblickte in den Klauseln einen Verstoß gegen § 1 GWB, Art. 101 Abs. 1 AEUV. Auf dem Markt für die Vermittlungsdienste der Hotelportale bewirkten die „engen“ Bestpreisklauseln eine spürbare Wettbewerbsbeschränkung zwischen den Hotelportalen und den Hotelunternehmen. Aufgrund des Marktanteils von Booking von über 30% auf dem relevanten sachlichen Markt verstoße die Praxis von Booking auch gegen §§ 20 Abs. 1 GWB i.V.m. 19 Abs. 1, 2 Nr. 1 GWB. Angesichts des Marktanteils komme eine Freistellung nach der Vertikal-GVO nicht in Betracht (BKartA aaO Rn. 245).

OLG Düsseldorf hebt Beschluss des Bundeskartellamtes auf

Mit seinem Urteil vom 4.6.2019 hebt das OLG Düsseldorf den untersagenden Beschluss des Bundeskartellamtes vom 22.12.2015 auf. Die Vereinbarung von „engen“ Bestpreisklauseln stelle eine wettbewerbsbeschränkende Nebenabrede in einem an sich kartellrechtsneutralen Austauschvertrag dar und verstoße nicht gegen § 1 GWB und §§ 20 Abs. 1 i.V.m. 19 Abs. 1, 2 Nr. 1 GWB oder Art. 101, 102 AEUV.

In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass derartige Nebenabreden vom Anwendungsbereich des Art. 101 Abs. 1 AEUV ausgenommen sind, wenn sie zur Umsetzung des Vertrags objektiv erforderlich und nach Geltungsdauer und Anwendungsbereich auf diesen Zweck beschränkt sind (vgl. BGH, Beschl. v. 26.1.2016 – KVR 11/15 Rn. 20 m.w.N.).

Diese Voraussetzungen sah das OLG Düsseldorf vorliegend als erfüllt an. Nach dem Ergebnis einer vom Senat veranlassten Hotel- und Kundenbefragung sind die Klauseln nicht wettbewerbsbeschränkend, sondern notwendig, um einen fairen und ausgewogenen Leistungsaustausch zwischen den Portalbetreibern und den vertragsgebundenen Hotels zu gewährleisten.

Das Buchungsportal darf mit solchen Klauseln Vorkehrungen gegen ein illoyales Umlenken von Kundenbuchungen treffen und verhindern, dass Kunden, die sich unter Inanspruchnahme der Hotelportalseite für das betreffende Hotel entschieden haben, durch niedrigere Zimmerpreise oder bessere Vertragskonditionen von der Buchungsseite des Portalbetreibers auf die Hotelseite umgelenkt werden („Trittbrettfahren“).