Kartellverfahren sind langwierig. Die anschließenden Entscheidungen der Kartellbehörden halten nicht immer einer rechtlichen Überprüfung stand. Gerade Geldbußen schießen nicht selten über das Ziel hinaus. Der EuGH hat in solchen Fällen nun die Stellung der betroffenen Unternehmen gestärkt und klargestellt, dass sie nicht nur Anspruch auf Rückzahlung des zu viel gezahlten Bußgeldes haben, sondern die Kommission auch Zinsen zu zahlen hat.
1. Telekom und der lange Rechtsweg im Kartellverfahren
In der Rechtssache C-221/22 P hatte die Europäische Kommission der Deutschen Telekom AG im Jahr 2014 eine Geldbuße von 31,07 Millionen Euro wegen Missbrauchs einer beherrschenden Stellung auf dem slowakischen Markt für Breitbandtelekommunikationsdienste auferlegt. Die Deutsche Telekom zahlte diese Geldbuße vorläufig und erhob Nichtigkeitsklage. Im Jahr 2018 wurde die Geldbuße vom Gericht der Europäischen Union (EuG) um 12,04 Millionen Euro herabgesetzt, und dieser Betrag wurde der Deutschen Telekom im Jahr 2019 zurückerstattet. Die Deutsche Telekom forderte daraufhin Verzugszinsen auf den zurückerstatteten Betrag, die die Kommission jedoch ablehnte zu zahlen, was zu einer erneuten Klage führte.
2. Keine Verzugszinsen, aber Zinsen
Die Telekom obsiegte dabei nicht nur in der ersten Instanz, sondern nun auch vor dem EuGH, der die Kommission zu einer Zahlung von Zinsen in Höhe von 1,75 Millionen EUR verurteilte.
Wird eine von der Kommission wegen eines Verstoßes gegen die Wettbewerbsregeln verhängte Geldbuße von einem Unionsgericht rückwirkend für nichtig erklärt oder herabgesetzt, muss die Kommission nach gefestigter Rechtsprechung, deren Änderung nach Ansicht des EuGHs auch nicht veranlasst ist, die vorläufig gezahlte Geldbuße ganz oder teilweise zurückzahlen. Dabei stellt der EuGH in seinem neuen Urteil vom 11.06.2024 klar, dass die Pflicht zur Rückzahlung nicht nur die zu viel gezahlte Geldbuße umfasst, sondern auch Zinsen für den Zeitraum von der vorläufigen Zahlung der Geldbuße bis zu ihrer Rückerstattung.
Für die Verpflichtung der Zinszahlung kommt es auch nicht darauf an, dass der Betrag der Geldbuße angelegt wurde oder während des Zeitraums bis zur Rückzahlung andere Erträge daraus erwirtschaftet wurden. Bei den Zinsen handelt es sich jedoch nicht um Verzugszinsen, sondern vielmehr um eine pauschale Entschädigung des Unternehmens für die Vorenthaltung der Nutzung des zu viel gezahlten Betrags.
3. Fazit – EuGH stärkt Stellungen der Unternehmen
Mit dem Urteil nimmt der EuGH die Kommission mehr in Verantwortung und bietet Unternehmen so zusätzlichen Schutz. Die Kartellbehörden werden genauer prüfen müssen, inwieweit Geldbußen tatsächlich angemessen sind. Dies führt zu einer erheblichen Stärkung der betroffenen Unternehmen, wobei die Höhe der Zinsen dennoch oft hinter dem zurückbleiben dürfte, was die Unternehmen selbst aus dem zu viel gezahlten Betrag erwirtschaftet hätten.