Kann man Mode als Kunst urheberrechtlich schützen? Da denkt man vielleicht eher an Musik oder Bilder. Aber man kann und wir erklären wie.
Die meisten Menschen kennen ein Urheberrecht eher am Sprachwerk oder am Filmwerk. Doch auch Modeprodukte können als Werke der sogenannten angewandten Kunst urheberrechtlichen Schutz erlangen, wenn sie eine persönliche geistige Schöpfung darstellen.
Dazu muss das Modeprodukt in Schnitt, Stoffmuster und Farbwahl eine Gestaltungshöhe erreichen, die es nach Auffassung der für Kunst empfänglichen und mit Kunstanschauungen einigermaßen vertrauten Kreise rechtfertigt, von einer „künstlerischen“ Leistung zu sprechen.
Werke der angewandten Kunst
Die Rechtsprechung hatte ursprünglich sehr hohe Anforderungen an die Gestaltungshöhe und verlangte ein deutliches Überragen des Modeproduktes über die Durchschnittsgestaltung hinaus. Bei Modeschöpfungen genügte insbesondere nicht schon die bloße Weiterentwicklung der modischen Linie und Form oder ihre Kombination mit bereits Bekanntem. Vielmehr musste das Modeprodukt durch den individuellen Geist des Schöpfers geprägt gewesen und hochwertige Materialien mussten in einem eigenen Stil zusammengefügt worden sein. Insgesamt musste das geschaffene Modeprodukt so noch nicht da gewesen sein und sich dadurch aus der masse des Alltäglichen herausheben. Anhand dieser strengen Anforderungen kam urheberrechtlicher Schutz von Modeprodukten faktisch nur für maßgeschneiderte Haute Couture-Modelle in Betracht oder für sehr ausgefallene, neuartige und ungewöhnliche Designs. Ansonsten wurde der urheberrechtliche Schutz von der Rechtsprechung im Übrigen mehrheitlich abgelehnt.
Diese hohen Anforderungen hat der BGH später in einer wichtigen Entscheidung runtergeschraubt (BGH, Urt. v. 13. 11. 2013 – I ZR 143/12, – Geburtstagszug). Seitdem muss die Modekreation nicht mehr die Durchschnittsgestaltung deutlich überragen.
Vielmehr genügt es bereits, wenn die Form des Werkes weder vorgegeben noch technisch bedingt ist. Das Modeprodukt muss dabei mehr als nur eine Beherrschung des Schneiderhandwerks und allgemeinen Formenschatzes erkennen lassen. Die Form und ästhetische Gestaltung darf also nicht nur dem Gebrauchszweck des Modeproduktes geschuldet sein, sondern muss auf einer freien und kreativen künstlerischen Leistung beruhen. Unter diesen erleichterten Voraussetzungen können gerade auch in großer Stückzahl produzierte Konfektionsmodelle urheberrechtlichen Schutz erlangen.
Entscheidend ist dabei auch der Zeitpunkt, in welchem das Modeprodukt geschaffen wurde. Sollte aus einer ehemals bahnbrechenden Produktgestaltung später ein allgemein befolgter Stil werden, schließt dies die Schutzfähigkeit des erstmals geschaffenen Produktes nicht aus.
Das Beispiel der Dr. Martens
So ist beispielsweise das inzwischen klassische Schuhmodell Dr. Martens 1460 aus den 1960er Jahren als ein Werk der angewandten Kunst urheberrechtlich geschützt. Es ist zweifelhaft, ob die Schuhe nach der strengen alten Rechtsprechung die erforderliche Gestaltungshöhe erreicht hätten. Jedenfalls nach der neuen BGH-Rechtsprechung ist eine persönliche geistige Schöpfung und ausreichende Gestaltungshöhe gegeben.
Die Schaffung der Dr. Martens 1460 wurde gerade nicht durch technische Erwägungen, durch Regeln oder durch andere Zwänge bestimmt. Über den reinen Gebrauchszweck des Schuhmodells Dr. Martens 1460 hinaus bestanden für den Schöpfer Bill Griggs hinreichende Spielräume für freie, kreative Entscheidungen, die er in individueller Weise ausgefüllt und so seine Persönlichkeit widergespiegelt hat. Dies folgt aus den typischen und charakteristischen Gestaltungsmerkmalen, die seit der ersten Produktion am 01.04.1960 unverändert geblieben sind.
So sticht die von Bill Griggs gewählte Optik unverwechselbar hervor. Die Riffelung der Sohlenkante ist durch einen Vergleichsweise aufwendigen Prozess gestaltet und nimmt der massiven Sohle ihre optische Schwere. Die hellgelbe Rahmennaht, die mit einem besonders dicken Garn und mit einer weiten Stichweite vernäht wurde, ist ein wichtiger Blickfang. Bill Griggs hat ein Stiefelmodell geschaffen, das robust und doch leicht und nicht klobig wirken soll und für dessen ästhetischen Gesamteindruck kein unmittelbares Vorbild bestand. Im Gegensatz zu anderen Stiefeln aus der damaligen Zeit sind die Dr. Martens 1460 nicht rein funktional und praktisch gestaltet worden, sondern darüber hinaus auch künstlerisch. Die so zum Ausdruck gebrachte Rebellion und Entfernung vom Zeitgeist lebt seitdem in der Formsprache der „Docs“ weiter.
Auf dieser Basis hat Dr. Martens wie alle anderen Urheber umfassende Verwertungsrechte und kann so gegen Plagiate vorgehen. Zudem bestehen Schadensersatzansprüche.
Auch für eure Kreationen prüfen wir gerne die Möglichkeit des urheberrechtlichen Schutzes oder schlagen alternative Rechtsinstrumente vor. Zögert also wie immer nicht, uns anzusprechen.