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Als wir am 16.3. unsere unsere kostenlose Helpline einrichteten, ahnten wir nicht, was auf uns zukommen würde. Zwar wussten wir, dass die Corona-Maßnahmen für viele Klienten, Freunde und Bekannte harte Folgen hatten.

Dass wir jedoch seit Wochen tagtäglich mit Existenznot und Zukunftsangst zu tun bekommen, hatten wir nicht erwartet. Wir konnten in den letzten 11 Wochen vielen Hundert Betroffenen mit Rat und Tat zur Seite stehen und setzen diese Unterstützung fort. Wer eine Mail mit Rückrufnummer an corona@haerting.de schickt, bekommt von uns auch in den nächsten Wochen einen schnellen Anruf.

Wer ist alles betroffen?

Betroffen sind weite Teile der Wirtschaft. Und damit sind vor allem das Kleingewerbe und der Mittelstand gemeint. Einzelhandel und Fitnessstudios, Hotels und Gastronomie (mehr dazu hier und hier) , Veranstaltungsstätten (siehe auch hier) und zahlreiche Dienstleister konnten wochenlang nicht arbeiten. Strenge Auflagen und eine ungewisse Wirtschaftslage lassen es unwahrscheinlich erscheinen, dass alsbald wieder Normalität einkehrt.

Besonders hart trifft es die Kultur. Deutschland, das Land der Dichter und Denker, das stolz auf seine vielfältige Kulturlandschaft ist. Dennoch waren es als erstes die Theater, die schließen mussten. Und die Theater sind nach wie vor weit davon entfernt, zur Normalität zurückzukehren. Dennoch sind Hilfsprogramme, die kleinen Theatern und Spielstätten zugutekommen, Mangelware. Für Künstler und Musiker, für Schauspieler und Opernsänger gibt es keine Hilfsprogramme des Bundes (siehe auch unseren Beitrag). Die einzige Antwort der Politik ist die „Grundsicherung“. Damit ist „Hartz IV“ gemeint.

Seit Beginn der Krise kristallisierte sich ein neuer Begriff heraus: die „Solo-Selbstständigen“. In Großstädten wie Berlin seit langem eine äußerst große Bevölkerungsgruppe. Freelancer aus zahlreichen Branchen, die weder eine feste Beschäftigung noch Mitarbeiter haben. Graphikerinnen und Yogalehrer, Veranstaltungstechniker und Kamerafrauen, Caterer und Köche, DJs und Booking Agents, Musiklehrerinnen (dazu auch hier) und Fitnesscoaches: Sie alle saßen ab Mitte März auf dem Trockenen. Ohne Einnahmen und ohne Kurzarbeitergeld, ohne Arbeitslosengeld und in vielen Bundesländern ohne nennenswerte Soforthilfe.

Die Liste der Betroffenen lässt sich noch verlängern. Bei uns haben sich Menschen mit Depressionen und Angststörungen gemeldet, die die soziale Isolation nicht aushielten. Menschen, die eine Quarantäneanordnung erhalten hatten, meldeten sich, wenn sie niemanden fanden, der sie testen konnte. Letzte Woche kam eine Familie auf uns zu, die von einem längeren Aufenthalt in einem nahezu infektionsfreien Land zurückkehrte und nun nicht nachvollziehen kann, warum die gesamte Familie nach der Rückkehr 14 Tage in Selbstisolation geschickt wird.

Es sind somit zwar vorwiegend wirtschaftliche, existenzielle Sorgen mit denen wir an der Helpline konfrontiert werden, zugleich erreichen uns aber auch die sozialen und psychischen Folgen. Und manchmal geht es auch schlicht um Fragen der Gerechtigkeit und des Augenmaßes.

Wie können wir helfen?

Soforthilfe- und Kreditprogramme des Bundes und der Länder sind für viele Betroffene ein Dschungel. Und ein wesentlicher Teil unserer Arbeit liegt darin, den Betroffenen zu helfen, sich in diesem Dschungel zurechtzufinden. Wo lassen sich welche Mittel beatragen, was sind die Voraussetzungen und mit welchen Mitteln darf man rechnen? (Diese und ähnliche Fragen beantworten wir hier.) Wiederkehrende Medienberichte über einen Missbrauch von Fördermitteln sorgen zudem für große Verunsicherung. In dutzenden Fällen mussten wir besorgte Fragen beantworten, ob Gelder, die man erhalten hatte, zurückzuzahlen sind. In den meisten Fällen konnten wir die Betroffenen beruhigen.

Im Kleingewerbe und Mittelstand ist Kurzarbeit ein großes Thema. Man hat die Regeln vereinfacht, Fragen gibt es dennoch viele. Und es ist leider auch ein Trend zu Entlassungen zu beobachten. In Unternehmen, deren Öffnungsperspektive in weiter Ferne liegt, dünnt man den Mitarbeiterbestand zunehmend aus.

Allen Gewerbemietern empfehlen wir, Miete allenfalls unter Vorbehalt zu bezahlen. Wer Räumlichkeiten beispielsweise als Gaststätte vermietet bekommen hat und sie nicht als Gaststätte nutzen kann, muss nach unserer Auffassung in der Zeit der Schließung jedenfalls keine volle Miete zahlen. Die mietrechtlichen Fragen sind schwierig, Präzedenzfälle selten, niemand sollte anstandslos und ungemindert Miete zahlen. (Schauen Sie auch gerne hier vorbei.)

Viele Probleme gibt es mit Versicherungen. Wer eine Betriebsunterbrechungsversicherung abgeschlossen hat, die ihn auch gegen Seuchengefahr schützt, sollte sich nach unserer festen Überzeugung nicht mit symbolischen Zahlungen abspeisen lassen. Die Versicherungen sind erfindungsreich, wenn es darum geht, Gründe für eine Zahlungsverweigerung zu finden. Klagen lohnen sich.

Zu guter Letzt sind wir davon überzeugt, dass es Entschädigungsansprüche gegen die Bundesländer gibt. Der Schaden, der den Betroffenen entstanden ist, ist real und in Euro und Cent messbar. Und es ist nicht einzusehen, dass diejenigen auf dem Schaden sitzen bleiben sollen, die im Interesse der Allgemeinheit ihre Türen schließen mussten. Wir raten allen Betroffenen, Entschädigungsansprüche anzumelden und einzuklagen. Die ersten 10 Klagen haben wir im Mai bereits eingereicht.