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– zur Debatte um die Bezeichnung von Alternativprodukten

Der Streit um die Bezeichnung alkoholfreier oder veganer Alternativprodukte ist in vollem Gange. Lebensmittel dürfen gemäß Art. 9 Abs. 1 a) i. V. m. Art. 17 LMIV (EU) Nr. 1169/2011 nur dann frei bezeichnet werden, wenn für das spezielle Lebensmittel keine rechtlich vorgeschriebene Bezeichnung existiert. Dies ist beispielsweise bei Spirituosen oder Konfitüren bereits der Fall. Künftig könnten auch für Fleischersatzprodukte entsprechende Restriktionen gelten.

LG Hamburg: keine Wortspiele bei Spirituosen

Hersteller alkoholfreier Alternativen zu Gin, Rum oder Whiskey greifen in der Vermarktung häufig auf prominente Originalbegriffe zurück und verwenden Verneinungen oder erläuternde Zusätze wie „This is not Gin“ oder „Alkoholfreies Rum-Getränk“.

Dies war Anlass für die Klage eines Wirtschaftsverbandes, der darin einen Verstoß gegen die Spirituosenverordnung (VO (EU) 2019/787) sah. Die Produkte basierten im zugrunde liegenden Fall auf entalkoholisierten Essenzen der jeweiligen Spirituosen, enthielten aber nur noch maximal 0,5 % Alkohol.

Mit Urteil vom 24.7.2025 – 416 HKO 51/23 hat das Landgericht Hamburg dem Verband Recht gegeben: Die Kammer stützt sich auf Art. 10 Abs. 7 der Spirituosenverordnung, nach dem ein absoluter Bezeichnungsschutz besteht. Der Verband war daher berechtigt, den Hersteller abzumahnen und seinen Unterlassungsanspruch gerichtlich geltend zu machen.

Geschützte Bezeichnungen wie „Rum“, „Gin“ und „Whiskey“ dürfen weder zur Kennzeichnung noch zur Aufmachung oder Bewerbung verwendet werden, wenn die Produkte den Mindestalkoholgehalt (z. B. 37,5 % für Gin) und weitere Anforderungen nicht erfüllen. Geschieht dies doch, liegt eine wettbewerbswidrige und unlautere Handlung durch Rechtsbruch im Sinne von § 3a UWG vor. Dies gelte selbst dann, wenn mit Zusätzen wie „not“ gearbeitet wird, da der geschützte Begriff dennoch verwendet werde.

Auch die Ausnahmevorschrift des Art. 12 der Spirituosenverordnung, die eine zulässige Ausnahmen für Anspielungen regelt, kam nicht zum Zuge. Anspielungen sind etwa dann zulässig, wenn der verwendete Alkohol ausschließlich aus den Spirituosen stammt, auf die Bezug genommen wird – was jedoch in der Praxis bei alkoholfreien Alternativprodukten gerade nicht der Fall sein dürfte.

Die Entscheidung steht in einer Linie mit Rechtsprechung (vgl. OLG Karlsruhe Urt. v. 5.11.2024 – 14 U 192/23) und Kommentierung zur Spirituosenverordnung. Diese verfolgt das Ziel, Produktwahrheit und Verbraucherschutz durch einen strengen „absoluten Schutz“ bestimmter Bezeichnungen sicherzustellen. Eine Anspielung – also die gedankliche Verbindung durch Aufmachung, Bildsprache oder Begriffswahl – ist bereits zu unterlassen, wenn sie geeignet ist, beim durchschnittlichen Verbraucher einen Bezug zur geschützten Kategorie herzustellen. Dies gilt unabhängig davon, ob tatsächlich eine Täuschung der Verbraucher vorliegt. Es genügt damit, dass das Wort „Gin“, „Rum“ oder „Whiskey“ Verwendung findet, auch wenn „alkoholfrei“, „Alternative“ oder „not“ hinzugefügt wird. Auch das LG Hildesheim (Urt. v. 6.6.2025 – 11 O 4/24) beschäftigte sich bereits mit dem Begriff „alkoholfreier Gin“ und ordnete diesen als irreführend und unzulässig ein. Zur Begründung wurden unter anderem die Anforderungen an den Herstellungsprozess von herkömmlichem Gin herangezogen, welche einerseits dazu dienen, den Ruf und das Ansehen von Gin sowie die rechtmäßigen Hersteller zu schützen und andererseits zu verhindern, dass die Verbraucher über die Art des Produktes, das sie kaufen, in die Irre geführt werden. Dritten sei laut LG Hildesheim kein schutzwürdiges Interesse an der Nutzung einer unzulässigen Bezeichnung zuzusprechen.

EU-Parlament: drohende Restriktionen für vegane Alternativprodukte

Wer unionsrechtliche Kennzeichnungsverbote missachtet, setzt sich wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsansprüchen aus, so jedenfalls das LG Hamburg. Vor diesem Hintergrund lohnt ein kurzer Blick über den Tellerrand: Das Europäische Parlament hat jüngst mit Mehrheit eine Position zur Bezeichnung von „Fleischalternativen“ (pflanzenbasierte Produkte) beschlossen – mit weitreichenden Implikationen für Marketing und Compliance. Der Parlamentsbeschluss fordert traditionelle „fleischnahe“ Bezeichnungen wie „burger“, „sausage“ oder „steak“ für pflanzenbasierte Alternativen zu untersagen, so dass künftig nur noch tatsächlich tierische Produkte diese Namen tragen sollen.

Der Gesetzesentwurf folgt in seiner Stoßrichtung dem Schutz „geschützter“ Kategorien – ähnlich dem absoluten Schutz in der Spirituosenverordnung. Während in Hamburg bereits heute der absolute Begriffsgebrauch bei alkoholfreien Alternativen untersagt ist, könnte unionsweit für „Fleischalternativen“ eine vergleichbar restriktive Terminologie entstehen, die die Verwendung bekannter „fleischnaher“ Produktnamen untersagt, selbst wenn klarstellend („vegan“, „pflanzlich“) ergänzt wird.

Verbraucherschutz oder bloße Marktregulierung?

Das Urteil des LG Hamburg zur Verwendung geschützter Spirituosenbezeichnungen bei alkoholfreien Alternativen und die aktuelle Position des Europäischen Parlaments zu Fleischersatzprodukten werfen ein Schlaglicht auf eine zentrale Grundsatzfrage der regulativen Entwicklung in Europa. Ob es dabei tatsächlich noch um nachhaltigen Verbraucherschutz geht – oder ob es sich zunehmend um bloße Marktregulierung, die etablierte Produktkategorien und wirtschaftliche Interessen absichert handelt, ist fraglich.

Zweifelhaft ist insbesondere, ob die Bezeichnung von Alternativprodukten mit klarstellenden Zusätzen wie „pflanzlich“ oder „alkoholfrei“ überhaupt geeignet ist Verbraucher zu täuschen. Innovative Unternehmen geraten aktuell zunehmend unter Druck, ohne dass ein nachweisbarer Schaden für Verbraucher eintritt – bloß weil die Terminologie mit traditionellen Kategorien konkurriert. Damit droht der Innovationsspielraum für „Alternative“-Konzepte fortlaufend zu schrumpfen.

Die Entscheidung des LG Hamburg verdeutlicht erneut, wie strikt die Vorgaben der EU-Spirituosenverordnung und der Lauterkeitsrechtsprechung gehandhabt werden – und welche Risiken auf dem Weg innovativer Produktvermarktung lauern.