Der EuGH hat auf Vorlagefragen des BGH entschieden, dass die Action Replay Software für die PlayStation Portable (PSP) keine Urheberrechtsverletzung darstellen dürfte. In dem Fall, den Sony gegen den Drittanbieter Datel angestoßen hatte, ging es um die Frage, ob die Modifikation von Spielelementen, wie etwa die Freischaltung zusätzlicher Inhalte, in die geschützten Urheberrechte von Sony eingreift. Die Entscheidung hat weitreichende Auswirkungen auf den digitalen Raum und könnte die Nutzung von Mods und ähnlichen Tools auch in anderen Softwarebereichen betreffen.
I. Sachverhalt – Was ist Action Replay und warum beschäftigt sich der EuGH damit?
Seit den frühen 80er Jahren, spätestens mit dem Famicom (auch als NES bekannt), sind Spielekonsolen für das heimische Wohnzimmer, sowie als Handhelds für unterwegs nicht mehr vom Unterhaltungsmarkt weg zu denken. Microsoft mit ihren Modellen der Xbox-Reihe, Sony und die Playstation-Konsolen, sowie Nintendo, der wohl bekanntesten Marke im Gaming-Bereich, haben sich dabei über die Jahre als die Spitzenreiter etabliert.
1. Was ist Action Replay?
Fast genau so lange wie es stationäre Spielkonsolen und Handhelds gibt, existieren auch Drittanbieterprodukte, die mit den Konsolen interagieren und das Spielerlebnis der Benutzer „verbessern“ sollen. Ganz vorne mit dabei sind insbesondere Software- und Hardwaremodule zur Modifikation und Manipulation verschiedener Aspekte von Spielen (oft auch „Cheat-Software“ oder „Hacking-Geräte“ genannt). Einer der ältesten Anbieter derartiger Module ist die britische Firma Datel mit dem „Action Replay“, den es bereits für die Commodore 64 gab.
Seit dem brachte Datel über die Jahre eine Vielzahl von weiteren Action Replay Produkten für diverse Spielekonsolen und Handhelds raus, unter anderem die klassische Xbox, PlayStation 2, verschiedenen Nintendo-Handhelds und die PlayStation Portable (kurz: „PSP“).
Die Software „Action Replay PSP“ wird ausgeführt, indem die PSP-Konsole an einen Computer angeschlossen und ein USB-Stick mit dieser Software in die Konsole eingesteckt wird. Nach dem Neustart der PSP-Konsole verfügt der Benutzer auf der Schnittstelle über einen zusätzlichen Menüpunkt „Action Replay“, der dem Benutzer in dieser Phase des Spiels von Sony nicht vorgesehene Spieloptionen bietet. Unter diesem Menüpunkt finden sich beispielsweise für das fragliche Spiel Optionen, die es ermöglichen, dass Beschränkungen beim Einsatz des „Turbos“ („Booster“) entfallen oder nicht lediglich ein Teil der Fahrer verfügbar ist, sondern auch der Teil, der ansonsten erst beim Erreichen bestimmter Punktzahlen freigeschaltet werden würde. Bei Tilt FX handelt es sich um einen Sensor, der an die PSP-Konsole angeschlossen wird und deren Steuerung durch Bewegungen der Konsole im Raum ermöglicht, sowie die Nutzern die Möglichkeit eines unbeschränkten Turbos in Rennspielen aktivieren lässt.
2. Der Rechtsstreit zwischen Sony und Datel
Auf Grund des „Action Replay PSP“ für die PSP, sowie dem „Tilt FX“ für die PSP nahm Sony Datel zunächst vor dem Landgericht Hamburg auf Unterlassung in Anspruch.
II. Entscheidung des EuGH
Über die vorgelegten Rechtsfragen hatte der EuGH nun mit Urteil vom 17.10.2024 entschieden. Dabei stellt er fest, dass die Entscheidung des Falls anhand der Auslegung Computerprogramm-Richtlinie (Richtlinie 2009/24/EG) er erfolgen hat.
Nach Art. 1 Abs. 1, 2, 3 Computerprogramm-Richtlinie sind Computerprogramme in allen Ausdrucksformen urheberrechtlich als literarische Werke geschützt, wenn sie individuelle Werke in dem Sinne darstellen, dass sie das Ergebnis der eigenen geistigen Schöpfung ihres Urhebers sind. „Ausdrucksformen“ eines Computerprogramms sind nach der Rechtsprechung des EuGH diejenigen, die es erlauben, das Programm in verschiedenen Datenverarbeitungssprachen, wie Quellcode und Objektcode, zu vervielfältigen. Die geistige Schöpfung, die sich im Text des Quellcodes und des Objektcodes widerspiegelt ist demnach geschützt, während andere Elemente des Programms, wie insbesondere seine Funktionalitäten, die nur Ausdruck des Computerprogramms sind, nicht von der Computerprogramm-Richtlinie geschützt werden.
Die von den Nutzern auf der PSP-Konsole zu installierende Action Replay Software läuft zwar gleichzeitig mit der Spielsoftware der Sony Spiele ab. Nach den Feststellungen des EuGH verändert oder vervielfältigt sie jedoch weder den Objekt- noch den Quellcode, noch die innere Struktur und Organisation der auf der PSP eingesetzten Software von Sony, sondern beschränkt sich darauf, den Inhalt von Variablen, die die Computerspiele von Sony vorübergehend im Arbeitsspeicher der PSP angelegt haben und während des Ablaufs des Spiels verwendeten, zu verändern, so dass das Spiel auf Basis dieses veränderten Inhalts der Variablen abläuft. Da die Software von Datel nur den Inhalt der Variablen, die von einem Computerprogramm im Arbeitsspeicher eines Computers angelegt und von diesem Programm während seiner Ausführung verwendet werden, ändert, selbst aber keine Vervielfältigung der Software (oder Teile davon) vornimmt, sondern vielmehr voraussetzt, dass die Software gleichzeitig abläuft, liegt nach dem EuGH keine Verletzung des Urheberrechts von Sony vor, wenn der Inhalt der Variablen ein Element der Software darstellt, mittels dessen die Benutzer die Funktionalitäten der Software nutzen, was jedoch vom Ausgangsgericht (dem BGH) zu prüfen sei.
III. Auswirkungen auf die Gaming-Industrie und darüber hinaus
Zwar wächst auch der Retrospielemarkt immer weiter, sodass die Entscheidung auch mit Blick auf die konkret betroffene PSP-Konsole und die gegenständliche Action Replay Version nicht gänzlich bedeutungslos sind, die Relevanz der Entscheidung geht jedoch vor allem über den konkreten Fall hinaus, da die dem Verfahren zugrundeliegenden Funktionsweisen des der Software trotz fortgeschrittener Technik und Anti-Cheat-Software weiterhin – und über Spielekonsolen hinaus – genutzt werden.
Da der BGH selbst schon festgestellt hat, dass die Action Replay PSP Software keine nur den Inhalt der vorübergehend im Arbeitsspeicher einer Spielkonsole angelegten Variablen ändert, mit denen der Nutzer die Funktionalitäten des Spiels nutzt, das Spiel selbst aber weder vervielfältigt oder ein neues Programm davon erstellt wird, ist mit hoher Wahrscheinlichkeit damit zu rechnen, dass die Klage von Sony schlussendlich abgewiesen wird.
Die Veränderung von der variablen Daten, die ein geschütztes Computerprogramm im Arbeitsspeicher eines Computers angelegt hat und im Ablauf des Programms verwendet, findet nicht nur bei Modifikationen (kurz: „Mods) von Videospielen statt, sondern kann auch bei anderer Software, wie z.B. Browser-Add-Ons, zum Einsatz kommen, wodurch die Funktionsweise einer Website beeinflusst werden kann. Die Entscheidung hat damit weitreichende Auswirkungen auf den gesamten urheberrechtlichen Bereich im digitalen Raum.
Durch die Entscheidung des EuGH werden rechtliche Unsicherheiten im Bereich der Nutzung von Drittanbieter-Software und Mods deutlich verringert. Sie zeigt aber auch, wie wichtig eine klare Strategie für den Umgang mit Software-Modifikationen ist, um das Risiko von Rechtsstreitigkeiten zu minimieren, da es im Ergebnis auf die konkrete Technik der Software-Modifikation ankommt. Unternehmen sollten darauf achten, dass ihre Softwareentwicklung und -nutzung stets im Einklang mit den neuesten rechtlichen Entwicklungen steht.
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