Die Glashütter Uhrenbetrieb GmbH mit Sitz in Glashütte beantragte beim Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) die Eintragung einer Wort-Bildmarke mit den Wortelementen „Glashütte ORIGINAL“:

Diese Marke sollte für verschiedene Waren und Dienstleistungen der Klassen 9, 35 und 41 eingetragen werden, insbesondere für herunterladbare virtuelle Uhren und deren Zubehör, die online oder in virtuellen Welten zu verwenden sind, deren Verkauf sowie entsprechende Unterhaltungs- bzw. Online-Dienstleistungen.
Das EUIPO wies den Antrag auf Eintragung (soweit er sich auf die genannten Klassen und Waren/Dienstleistungen bezog) zurück. Die Glashütter Uhrenbetrieb GmbH legte dagegen Beschwerde ein. In der Folge bestätigte jedoch auch die Beschwerdekammer des EUIPO die Zurückweisung. Der Bezeichnung „Glashütte ORIGINAL“ fehle für die beantragten virtuellen Waren und Dienstleistungen die erforderliche Unterscheidungskraft.
Die Glashütter Uhrenbetrieb GmbH zog deshalb vor das Gericht (EuG) und beantragte, die Entscheidung der Beschwerdekammer aufzuheben. Sie machte unter anderem geltend, der Begriff „Glashütte“ verfüge zwar über eine gewisse Bekanntheit für hochwertige Uhren in Deutschland, doch sei dieser Ruf nicht ohne Weiteres auf virtuelle Waren und Dienstleistungen übertragbar. Zudem verwies die Klägerin auf eine bereits zuvor eingetragene Unionsmarke („Glashütte Original“) für Waren der Klasse 14 (insbesondere für reale Uhren).
Das Gericht hat mit Urteil vom 11. Dezember 2024 (T‑1163/23) die Klage abgewiesen und die Entscheidung der Beschwerdekammer bestätigt.
Für die Beurteilung der Unterscheidungskraft einer Marke sind stets die Wahrnehmung des angesprochenen Publikums und die beanspruchten Waren/Dienstleistungen maßgeblich.
Das Gericht stellte fest, dass Glashütte (in Sachsen) offenkundig als „Wiege der deutschen Uhrmacherkunst“ und für besonders hochwertige Uhren bekannt sei. Ein erheblicher Teil des deutschen Publikums verbinde daher die Stadt Glashütte mit qualitativ sehr hochwertigen Uhren.
Auch wenn die Klägerin argumentierte, dass sich diese Reputation „hochwertiger echter Uhren“ nicht ohne Weiteres auf virtuelle Produkte und Dienstleistungen übertragen lasse, folgte das Gericht dem nicht.
Das Gericht stellte fest, dass die hier beanspruchten virtuellen Produkte und Dienstleistungen (etwa „herunterladbare virtuelle Uhren“, „virtuelle Wecker“, „digitale Uhrwerke“ sowie Online-Verkaufs- und Unterhaltungsangebote dazu) bei der maßgeblichen Zielgruppe sehr wohl Assoziationen zur realen Uhrmacherkunst und damit zum Ruf der Stadt Glashütte hervorrufen könnten.
Durch die Bezeichnung „Glashütte ORIGINAL“ werde das Publikum – selbst im Kontext digitaler Angebote – unmittelbar an die in Glashütte ansässige Uhrentradition und ihre besondere Qualität erinnert.
In der Gesamtschau entschied das Gericht, dass das Zeichen „Glashütte ORIGINAL“ im Wesentlichen eine werbliche Aussage über die Qualität und Herkunft im Sinne einer Tradition hochwertiger Uhrmacherkunst vermittele.
Das Wort „Glashütte“ werde als geografische Herkunftsangabe verstanden, die zudem äußerst positiv belegt sei (Exzellenz, hohe Kunst des Uhrenhandwerks). Das hinzugefügte Wort „ORIGINAL“ werde vom Publikum als Hinweis auf Authentizität aufgefasst.
Bei Zusammenfügen der beiden Worte „Glashütte“ und „ORIGINAL“ entstehe somit ein Slogan-/Werbecharakter, der das Zeichen eher als Qualitäts- oder Herkunftshinweis im beschreibenden Sinne wirken lasse. Dies lässt jede Unterscheidungskraft entfallen.
Die obigen gestalterischen bzw. bildlichen Merkmale (z. B. Schriftzüge) seien zu banal und rein dekorativ, um dem Zeichen eine hinreichende Unterscheidungskraft zu verleihen.
Die Klägerin führte an, dass sie bereits Inhaberin einer identischen Marke in Klasse 14 (reale Uhren) sei.
Das Gericht betonte jedoch, dass weder die Beschwerdekammer des EUIPO noch das Gericht an solche früheren Eintragungsentscheidungen gebunden seien. Entscheidend bleibe stets die Prüfung auf das Vorliegen absoluten Schutzhindernisse für die konkret angemeldeten Waren/Dienstleistungen.
Insgesamt verwarf das Gericht sämtliche Argumente der Klägerin und stellte fest, dass keine Unterscheidungskraft im Sinne von Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung (EU) 2017/1001 (Unionsmarkenverordnung) gegeben sei. Die Klage wurde abgewiesen, und die Marke nicht eingetragen.
Praxishinweis
Ein Zeichen mit für bestimmte Waren bzw. Dienstleistungen traditionsreichen Ortsnamen kann schnell als rein beschreibender Hinweis oder gar als Herkunftsangabe eingestuft werden – insbesondere, wenn zusätzlich Worte wie „Original“ eingesetzt werden.
Gerade die Kombination aus geografischer Angabe und einem Hinweis auf Authentizität („Original“) birgt das Risiko, dass der Verkehr eine Werbeaussage, aber keine betriebliche Herkunftserklärung wahrnimmt.
Das Urteil verdeutlicht, dass die Schutzfähigkeit bzw. Unterscheidungskraft nicht automatisch steigt, nur weil eine Marke für virtuelle statt reale Waren angemeldet wird.
Besteht ein enger Bezug zu bereits bekannten realen Waren (hier: Luxusuhren aus Glashütte), kann der gute Ruf einer Stadt oder Region auch auf das virtuelle Pendant übertragen werden. Dies kann zur Folge haben, dass das Zeichen eher beschreibend und weniger als Herkunftshinweis verstanden wird.
Gerade im EU-Markensystem kann eine frühere Eintragung nicht verhindern, dass in einem neuen Verfahren gleichwohl ein absolutes Eintragungshindernis festgestellt wird.
Bei der Anmeldung neuer Marken (ob für reale oder virtuelle Produkte) sollten Unternehmen genau prüfen, ob das Zeichen als Hinweis auf eine konkrete betriebliche Herkunft wahrgenommen wird oder eher als beschreibende Qualitäts- bzw. Herkunftsaussage.
Wenn Letzteres der Fall ist, können im Einzelfall zusätzliche Elemente (Wortschöpfungen, Fantasieelemente, einprägsame Logos etc.) sinnvoll sein, um die Unterscheidungskraft zu stärken.