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Im Mittelpunkt dieses Rechtsstreits steht der Vorwurf der ungarischen Like Company, Betreiberin mehrerer Online-Nachrichtenportale, dass der KI-Chatbot Gemini (früher Bard) von Google Ireland ohne Zustimmung der Rechteinhaber Auszüge aus urheberrechtlich geschützten Presseartikeln übernommen oder in ähnlicher Form wiedergegeben habe. Nach Auffassung der Klägerin verletzen sowohl der Trainingsprozess als auch die Ausgabe des Chatbots die Urheberrechte der Presseverleger. Vor diesem Hintergrund legte das Budapester Gericht „Környéki Törvényszék“ dem Europäischen Gerichtshof am 3. April 2025 vier zentrale Fragen zur urheberrechtlichen Bewertung solcher KI-Nutzungen vor, die insbesondere die Reichweite des Schutzes von Presseveröffentlichungen, die Relevanz von Text- und Data-Mining-Ausnahmen sowie den Umgang mit gezielten Nutzeranfragen betreffen.

Die Kernfragen lauten:

  1. Ist die Ausgabe von Textteilen eines Presseartikels durch einen LLM-Chatbot, die bereits unter den Schutzbereich des Art. 15 Abs. 1 der DSM-Richtlinie (das Leistungsschutzrecht der Presseverleger) fallen, als öffentliche Wiedergabe (communication to the public) zu bewerten? Und ist es hierbei relevant, dass der Chatbot diese Texte mittels Wortvorhersage generiert?
  2. Stellt der Trainingsprozess eines LLM – durch Beobachtung und Abgleich von Mustern – eine urheberechtlich relevante Vervielfältigung im Sinne von Art. 2 InfoSoc-Richtlinie bzw. Art. 15 DSM dar?
  3. Ist eine solche Vervielfältigung rechtmäßig zugänglicher Presseartikel von der Ausnahme nach Art. 4 der DSM-Richtlinie (das sog. Text- und Data Mining) erfasst, welcher die freie Nutzung großer Datenmengen zur Schaffung innovativer Technologien erlaubt?
  4. Wenn ein Nutzer dem Chatbot eine Anfrage stellt, die sich ausdrücklich auf einen Presseartikel oder Teile davon bezieht, ist dann jede vollständige oder teilweise Wiedergabe dieses Artikels im Chatbot-Output dem Anbieter als urheberrechtswidrige Vervielfältigung zuzurechnen?

Gerichtliche Bewertung: Training und Ausgabe durch KI auf dem Prüfstand

Der Fall könnt zum ersten Meilenstein im Europäischen Urheberrecht in Bezug auf die Herstellung und Nutzung von Large Language Models werden, da erstmals generative KI-Technologie vor dem EuGH verhandelt wird und die momentan meistdiskutierten urheberrechtlichen Fragen zum Gegenstand hat. Im Kern geht es um die Frage, ob die Nutzung urheberrechtlicher Werke zum Zwecke des Trainings von LLMs überhaupt urheberrechtlich relevant ist (nämlich eine Vervielfältigung darstellt), ob in Gestalt der text- und Data Mining Schranke ein Rechtfertigungstatbestand greift und ob Anbieter und Betreiber einer KI für das haften, was die KI – und sei es auf Nutzeranfrage – ausspuckt, falls dieser Output urheberrechtlich geschützte Inhalte enthält.  Die bevorstehende Entscheidung hat grundsätzliche Bedeutung für das Zusammenspiel von Innovation und Urheberrechtsschutz, nicht nur im europäischen Pressewesen, sondern betreffend alle urheberrechtlichen Werke schlechthin.

Prozessverlauf: Künftige Schritte auf nationaler und europäischer Ebene

Das vorlegende Gericht hat dem EuGH (im Verfahren C-250/25) die o. g. Fragen zur Klärung vorgelegt, weil die vermeintlich einschlägigen urheberrechtlichen Bestimmungen auf EU Recht beruhen. In der nächsten Phase können die Mitgliedstaaten, die Kommission sowie weitere EU-Institutionen schriftlich Stellung nehmen, bevor der EuGH auf dieser Grundlage eine für alle Mitgliedstaaten verbindliche Entscheidung trifft. Nach der Urteilsverkündung wird das Verfahren in Ungarn fortgesetzt, wobei das nationale Gericht die Auslegung des EuGH auf den konkreten Fall anwenden muss. Eine Entscheidung wird frühestens 2026 erwartet.

Ausblick: Weichen für KI und Urheberrecht in Europa

Das Urteil wird wegweisend dafür sein, in welchem Umfang KI-Entwickler geschützte Texte für ihre Systeme verwenden dürfen und wie effektiv Presseverleger aber auch andere Werkschaffende ihre Rechte angesichts der fortschreitenden Digitalisierung durchsetzen können.