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Rechtsstreitigkeiten können im E-Sport kostspielig und zeitaufwendig sein, insbesondere wenn es um Gehälter, Preisgelder oder Transfers geht. Ein klassisches System ist neben der Mediation der Abschluss einer Schiedsvereinbarung und die Durchführung eines anschließenden Schiedsprozesses (im englischen oft als „Alternative Dispute Resolution“ bzw. kurz: „ADR“ bezeichnet). Riot Games, einer der führenden Publisher im Bereich Gaming und E-Sport, hat mit seinem kürzlich vorgestellten Dispute Resolution System (Riot DR) ein innovatives Schiedsverfahren im E-Sport Bereich für die EMEA-Region eingeführt. Ziel ist es, schnelle, faire und kosteneffiziente Lösungen für rechtliche Konflikte in den kompetitiven Ligen von League of Legends (LoL) und Valorant anzubieten.

I. ADR im E-Sport

Auf dem wachsenden Markt elektronischer Unterhaltungsmedien, insbesondere dem E-Sport-Bereich kommt es in den letzten Jahren vermehrt zu Rechtstreitigkeiten, sodass auch dort das Interesse an alternativen Streitbeilegungsprozessen anstieg. Auch wenn auf anderen Märkten ADR-Abreden bereits etabliert sind und es entsprechend etablierte Systeme gibt, wird im E-Sport davon aktuell fast kein Gebrauch gemacht.

Bis auf den letzten großen Vorstoß der World Esports Association (WESA) war es lange Zeit still, wenn es um die Schiedsgerichtsbarkeit im E-Sport-Bereich ging. Die WESA hatte im Jahr 2016 eine eigene Schiedsgerichtsordnung mit den World Esports Association Arbitration Rules vorgestellt, die in der Praxis jedoch keine weitreichende Implementierung gefunden hat. Und das, obwohl manche der größten E-Sport-Vereine der Welt Mitglieder der WESA sind. Der Grund wird wohl in einem der Kernprobleme des E-Sports liegen: Das Ökosystem ist zu divers – es gibt zu viele relevante Spiele und zu viele relevante Player auf dem Markt. Zudem beschränkt sich ADR nicht nur auf vorhandene Schiedsgerichtsordnungen, vielmehr besteht die Möglichkeit, vertraglich eigenständige Regeln aufzusetzen und auf eine institutionelle Aufsicht zu verzichten (sog. ad-hoc arbitration), oder auf nicht E-Sport spezialisierte Schiedsordnungen und Institutionen mit einer weitreichenden Praxis zurückzugreifen.

Der zurückhaltende Rückgriff auf Schiedsgerichtsbarkeit im E-Sport ändert jedoch nicht den Umstand, dass im kompetitiven Umfeld des E-Sports und der Gaming-Branche dennoch häufig rechtliche Konflikte entstehen, die mit traditionellen Gerichtsverfahren nur schwer und vor allem zeitintensiv gelöst werden können.

Riot Games hat vor etwa zwei Wochen einen neuen Versuch unternommen, Schiedsverfahren im E-Sport zu etablieren, und hierfür ein eigenes, spezielles Schiedsverfahrenssystem („Dispute Resolution for Riot Games‘ Esports [EMEA]“, kurz „Riot DR“) für den europäischen Markt implementiert. Das Ziel ist es, kostspielige und langwierige Gerichtsverfahren zu vermeiden und Spielern sowie Partnern eine schnellere und transparentere Lösung für Konflikte anzubieten. Die Marktstellung von Riot Games könnte dafür sorgen, dass diese Schiedsgerichtsordnung in der Praxis mehr Anklang findet als beispielsweise die WESA Arbitration Rules. Daher bietet sich ein etwas tieferer Blick in die Riot DR an.

II. Riot DR – Wer ist betroffen und was sind die wichtigsten Regeln

Das System ist für die Tier-1- und Tier-2-Wettbewerbe in der EMEA-Region vorgesehen und umfasst große Ligen wie die League of Legends EMEA Championship (LEC) und die VALORANT Champions Tour EMEA (VCT EMEA). Es wird relevant für alle vertraglichen und finanziellen Konflikte zwischen Teams, Spielern und Trainern in den Tier-1- und Tier-2-Wettbewerben. Über 200 Teams und mehr als 1.500 Spieler sowie 400 Trainer sind von diesem System erfasst. Es dient insbesondere zur Beilegung von Streitigkeiten um Gehälter, Prämien, Preisgelder und Transfers. Ausgenommen sind Konflikte mit regionalen Turnierveranstaltern – in diesen Fällen übernimmt Riot Games selbst die Schlichtung.

Die Riot DR hat vor allem einige Kernthemen und -Klauseln:

  • Unabhängigkeit und Neutralität der Schiedsrichter: Wie im klassischen ADR sieht die Riot DR die Wahl eines Schiedsrichters durch die Parteien vor; diese sind – ebenso wie auch in klassischen Schiedssystemen – neutral und in ihrer Entscheidung unabhängig. Anders als in klassischen Schiedssystemen wie z.B. der DIS oder WESA, ist die Auswahl der Schiedsrichter jedoch auf einen kleinen Kreis beschränkt. Aktuell sind nur 14 Schiedsrichter zugelassen. Bei Durchführung des Verfahrens wird entsprechend einer dieser 14 Schiedsrichter tätig.
  • Vertraulichkeit des Verfahrens: Verfahren vor den ordentlichen Gerichten sind überwiegend öffentlich. Schiedsverfahren hingegen sind fast nie der Öffentlichkeit zugänglich. Auch die nach der Riot DR durchzuführenden Verfahren unterliegen strengen Vertraulichkeitsklauseln. Dies soll insbesondere die Interessen aller beteiligten Parteien schützen und den Wettbewerb zwischen den Teams in den Titeln sichern.
  • Kurzer Verfahrenslauf und schnelle Entscheidung: Maßgebliches Ziel der Riot DR ist eine Verfahrensbeschleunigung. Es gibt nach der Schiedsordnung von Riot grundsätzlich kleine mündliche Verhandlung, sondern es soll allein auf Basis der Schriftsätze entschieden werden. Dabei gewährt die Riot DR jeder Partei zunächst einmal nur einen Schriftsatz; der Klägerpartei mithin den Antrag auf Schlichtung und der Beklagtenseite eine Erwiderung auf diesen Antrag. In Ausnahmefällen kann von diesen Grundsätzen abgesehen werden.
  • Entscheidung ex aequo et bono: Der Schiedsspruch im Rahmen des Riot DR wird allein auf der „Grundlage von Gerechtigkeit und Fairness“ ohne Bezug zu einer speziellen nationalen oder internationalen Rechtsordnung erfolgen.
  • Kosten und finanzielle Unterstützung: Die Kosten des Verfahrens sind abhängig vom Streitwert. Zur Unterstützung von Parteien ohne große finanzielle Mittel, hat Riot eine finanzielle Prozesskostenhilfe vorgesehen, die unter engen Voraussetzungen greifen soll und für deren Finanzierung ein Fonds aufgesetzt werden soll.

Die Inanspruchnahme des Schiedsverfahrens von Riot durch die Verfahrensbeteiligten ist natürlich freiwillig und erfordert die Zustimmung aller Parteien. Den Parteien, die von der Schiedsordnung Gebrauch machen können, ist es natürlich nicht unterlassen stattdessen auch die ordentlichen Gerichte anzurufen. Ein gleichzeitiges Verfahren vor den ordentlichen Gerichten und einem Schiedsgericht ist jedoch grundsätzlich ausgeschlossen. Wurde das Schiedsgericht angerufen, hat der Schiedsspruch in Deutschland nach § 1055 ZPO dieselbe Wirkung wie ein rechtskräftiges gerichtliches Urteil; dies jedenfalls dann, wenn die Schiedsvereinbarung rechtmäßig erfolgt ist.

III. Der gangbare Weg in die Zukunft?

Das Riot Dispute Resolution System ist ein bedeutender Fortschritt für die professionelle E-Sport-Branche. Es bietet eine flexible, faire und schnelle Lösung für rechtliche Konflikte und unterstützt so die Wettbewerbsfähigkeit von Teams und Spielern. Gerade in der schnelllebigen E-Sport-Branche mit kurzen Transferfenstern und teilweise nur wenige Tage oder Wochen dauernden Wettbewerben sind schnelle Entscheidung über Rechtsstreitigkeiten erforderlich.

 

Jedoch gibt es Raum für Verbesserungen an der Schiedsordnung. So sind die Klauseln zur Prozesskostenhilfe nur relativ oberflächlich. Nach der Schiedsordnung kann nur Prozesskostenhilfe gewährt werden, wenn sich ausreichend Gelder im Fonds befinden. Wie hoch der Fonds zu Beginn ist und nach welchen Regeln dieser erhöht oder wieder aufgefüllt wird, ist der Schiedsordnung nicht zu entnehmen.

 

Kritischer sind jedoch die Klauseln der Schiedsordnung dazu, dass die Entscheidung der Schiedsrichter keinen Bezug zu einer konkreten Rechtsordnung haben muss, sondern allein auf Grundlage von „Gerechtigkeit und Fairness“ ergehen soll. Was „Gerecht“ und „Fair“ ist, kann sich in verschiedenen Rechtsordnungen jedoch erheblich unterscheiden. So haben Rechtsordnungen, die vor allem auf kodifiziertem Recht wie hier in Deutschland (sog. „Civil Law“) beruhen, zum Teil ganz andere Verständnisse von Gerechtigkeit und Fairness als Rechtsordnungen des sog. „Common Law“, das maßgeblich auf richterliche Urteile der Vergangenheit beruht (auch „Richterrecht“ genannt), wie sie im angloamerikanischen Rechtsraum vorzufinden sind. Selbst zwischen Rechtsordnungen kodifizierten Rechts kann es zu Unterschieden der Bewertung kommen, was denn „Gerecht und Fair“ ist. Für die Parteien eines Verfahrens im Rahmen der Riot DR kann dies natürlich zu erhöhten Unsicherheiten führen, da das allgemeine Gefühl der Schiedsrichter von Gerechtigkeit und Fairness gerade in Graubereichen bestenfalls bedingt vorhergesehen werden kann.

 

Umso überraschender ist auf den ersten Blick die Regelung, dass von jeder Partei nur ein einziger Schriftsatz eingereicht werden soll. Denn die Schriftsätze werden – ergänzt um die oben besprochenen Grundsätze von Gerechtigkeit und Fairness – die einzige Grundlage für die Entscheidung des Schiedsrichters bilden. Freilich wird diese Regelung in der Praxis dazu führen, dass das Verfahren erheblich beschleunigt wird und dadurch insbesondere Rechtsanwaltskosten geringer ausfallen. Dies hätte wiederum zur Folge, dass den Schriftsätzen noch mehr Gewicht zukommt, als es schon in einem normalen Gerichtsverfahren der Fall ist. Insbesondere die Klägerpartei wird alle möglichen Argumente der Beklagtenpartei antizipieren müssen, um diesen bereits im Rahmen der Klageschrift entgegen zu treten. Abhängig von der jeweiligen Situation kann dies ein Vor- aber auch ein Nachteil sein. Potenziellen Beteiligten ist daher dringend zu raten, rechtlichen Beistand mit E-Sport- und Prozessrechtsexpertise hinzuzuziehen, um die Vor- und Nachteile zu bewerten und ihre Interessen bestmöglich zu vertreten.

Rechtliche Fragen und Streitigkeiten sind in der schnelllebigen Welt des E-Sports keine Seltenheit. Für Teams, Spieler und Agenturen bietet das Riot DR eine echte Alternative zu klassischen Gerichtsverfahren – ein Modell, das auch in anderen Teilen der Branche Schule machen könnte. Es lohnt sich, die Möglichkeiten des Riot Dispute Resolution Systems genauer zu betrachten – insbesondere mit Blick auf eine professionelle Vorbereitung und rechtliche Absicherung, wobei wir gerne unsere Unterstützung anbieten.