Direkt zum Inhalt wechseln

Das Arbeitsgericht Berlin hat entschieden, dass der Arbeitgeber verpflichtet sein kann, vor dem Ausspruch einer betriebsbedingten Änderungskündigung als milderes Mittel zu prüfen, ob der Arbeitnehmer seine Tätigkeit von zu Hause aus im Home-Office erledigen kann.

Hintergrund:

Eine ganz typische unternehmerische Entscheidung ist die Schließung oder Verlegung von Standorten. Dies geht dann regelmäßig einher mit einer Versetzung der Arbeitnehmer in einen Betrieb an einem anderen Ort. So auch in dem Rechtsstreit: Die Niederlassung in Berlin wurde geschlossen, der Mitarbeiter sollte von Berlin in die Zentrale nach Wuppertal zu sonst unveränderten Arbeitsbedingungen im Rahmen einer ordentlichen Änderungskündigung versetzt werden. Der Mitarbeiter verwies auf die Möglichkeit, dass er vom Home-Office aus seine Tätigkeit verrichten könne.

Die Entscheidung:

Das Arbeitsgericht Berlin folgte der Argumentation des Arbeitnehmers und bewertete die Änderungskündigung als unwirksam. Der Arbeitgeber hätte als milderes Mittel dem Arbeitnehmer eine Tätigkeit im Home-Office anbieten müssen.

Das Urteil überrascht: Greift doch das Gericht in die unternehmerische Organisationsfreiheit des Arbeitgebers ein, wie der Arbeitgeber den Betrieb gestalten möchte. Das Gericht meint, der Arbeitgeber hätte nicht dargelegt, warum eine physische Präsenz des Arbeitnehmers zur Erfüllung der arbeitsvertraglich notwendigen Aufgaben erforderlich sei.

Dabei verkennt das Gericht, dass – abgesehen von den befristeten Maßnahmen aufgrund der SARS-CoV-2-Arbeitsschutzverordnung – Arbeitnehmer keinen Anspruch haben, im Home-Office zu arbeiten. Zwar kann das Gericht im Rahmen der Prüfung der Wirksamkeit einer Änderungskündigung die konkreten Maßnahmen des Arbeitgebers zur Umsetzung der unternehmerischen Entscheidung kontrollieren. Dennoch geht die Argumentation des Gerichts, dem Arbeitgeber vorzuschreiben, wie er seinen Betrieb zu organisieren hätte, zu weit. Die unternehmerische Organisationsfreiheit ist grundrechtlich geschützt und die Entscheidung, ob Home-Office im Betrieb eingeführt wird, hat ausschließlich der Arbeitgeber zu entscheiden. Alleine die Möglichkeit des Arbeitnehmers, in seiner Wohnung zu arbeiten mit den dafür erforderlichen technischen Voraussetzungen, sind keine ausreichenden Argumente, um die im Rahmen der Änderungskündigung vorzunehmende Interessenabwägung zu Gunsten des Arbeitnehmers ausfallen zu lassen.

Empfehlung:

Gegen die Entscheidung des Arbeitsgerichts Berlin wurde Berufung zum LAG Berlin-Brandenburg eingelegt. Dennoch sollten sich Arbeitgeber bei der Vorbereitung einer Kündigung mit dem Argument des Arbeitsgerichts Berlin auseinandersetzen und zumindest bewerten, ob Home-Office im konkreten Einzelfall ein Thema ist, um den Jobverlust zu vermeiden. Es ist zu erwarten, dass sich Arbeitnehmer oder auch ein Betriebsrat nach den Erfahrungen der COVID-Pandemie und den Bestrebungen der Politik, einen Rechtsanspruch auf Home-Office zu Gunsten von Arbeitnehmern zu schaffen, darauf berufen werden, mobil zu Arbeiten.

Arbeitsgericht Berlin, Urteil vom 10.08.2020, Az: 19 Ca 13189/19