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Am 20.12.2022 hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) entschieden, dass Urlaubsansprüche nicht mehr automatisch verjähren, wenn der Arbeitgeber seiner Mitwirkungsobliegenheit nicht nachkommt. Die Befürchtungen vieler Arbeitgeber, im Rahmen der Urlaubsabgeltung nach § 7 Abs. 4 Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) einen über Jahre hinweg angesammelten Urlaubsanspruch ihrer (ehemaligen) Arbeitnehmer abgelten zu müssen, hat das BAG mit Urteil vom 31.01.2023 – 9 AZR 456/20 – nehmen können.

Das BAG stellt klar, dass nur der Urlaubsanspruch selbst nicht der Verjährung unterliegen kann, also der Anspruch des Arbeitnehmers auf eine bezahlte Freistellung während des bestehenden Arbeitsverhältnisses. Der Urlaubsabgeltungsanspruch nach § 7 Abs. 4 BUrlG jedoch unterliegt seinerseits als eigenständiger finanzieller Anspruch weiterhin einer Verjährungsfrist von drei Jahren.

 

Rückblick: Urteil des BAG vom 20.12.2022

Am 20.12.2022 hat das BAG entschieden (– 9 AZR 266/20 – Pressemitteilung Nr. 48/22), dass Urlaubsansprüche verjähren können, die dreijährige Verjährungsfrist jedoch erst am Ende des Kalenderjahres beginnt, in dem der Arbeitgeber den Arbeitnehmer über seinen konkreten Urlaubsanspruch informiert und ihn im Hinblick auf Verfallfristen aufgefordert hat, den Urlaub tatsächlich zu nehmen. Hat der Arbeitgeber diesen Mitwirkungsobliegenheiten nicht entsprochen, kann der nicht erfüllte gesetzliche Urlaub aus möglicherweise mehreren Jahren im laufenden Arbeitsverhältnis weder nach § 7 Abs. 3 BUrlG verfallen noch nach § 195 BGB verjähren und ist bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses nach § 7 Abs. 4 BUrlG abzugelten.

 

Auswirkungen auf den Urlaubsabgeltungsanspruch: Urteil des BAG vom 31.01.2022

Der Urlaubsabgeltungsanspruch unterliegt seinerseits jedoch der Verjährung. Die dreijährige Verjährungsfrist für den Abgeltungsanspruch beginnt in der Regel am Ende des Jahres, in dem das Arbeitsverhältnis endet, ohne dass es auf die Erfüllung der Mitwirkungsobliegenheiten ankommt.

Zur Begründung führt das BAG aus, dass die rechtliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Zäsur bildet. Der Urlaubsabgeltungsanspruch ist anders als der Urlaubsanspruch nicht auf Freistellung von der Arbeitsverpflichtung zu Erholungszwecken unter Fortzahlung der Vergütung gerichtet, sondern auf dessen finanzielle Kompensation beschränkt. Bei Urlaubsabgeltungsansprüchen aus beendeten Arbeitsverhältnissen geht es mithin nicht mehr um den Erholungszweck, sondern um einen rein finanziellen Ausgleich für Urlaub. Die Schutzbedürftigkeit des Arbeitnehmers bei der Inanspruchnahme des Urlaubs, endet mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses, so dass es auch nicht mehr auf die Mitwirkungsobliegenheiten des Arbeitgebers ankommt.

 

BAG räumt Altfälle eine Übergangsregelung ein

Sofern das Arbeitsverhältnis vor der Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) vom 6.11.2018 (EuGH vom 6. November 2018 – C-684/16 ) endete, kann die Verjährungsfrist des Urlaubsabgeltungsanspruchs nicht vor dem Ende des Jahres 2018 beginnen.

Das hat den Hintergrund, dass das BAG bis zu der Entscheidung des EuGH davon ausging, dass Urlaubsansprüche mit Ablauf des Urlaubsjahres oder eines zulässigen Übertragungszeitraums, unabhängig von der Erfüllung von Mitwirkungsobliegenheiten automatisch verfielen. Erst mit der Entscheidung des EuGH wurde die Mitwirkungsobliegenheit des Arbeitgebers begründet und ein automatischer Verfall von Urlaub verneint.

Bis zu dieser Entscheidung mussten Arbeitnehmer davon ausgehen, dass ihre Urlaubsansprüche verfallen seien und somit auch keine Urlaubsabgeltung in Betracht komme. Bei einer verfassungs- und unionsrechtskonformen Anwendung der Verjährungsregelungen kann die Verjährungsfrist aber nicht beginnen, solange eine Klageerhebung aufgrund einer gegenteiligen höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht zumutbar ist, so das BAG.

Das bedeutet, dass erst nach der Entscheidung des EuGH, Arbeitnehmer zur Klageerhebung verpflichtet sind, damit keine Verjährung ihres Urlaubsabgeltungsanspruchs droht. Endete das Arbeitsverhältnis demnach in oder vor dem Jahr 2018, ist der Anspruch mit Ablauf des 31.12.2021 verjährt. Für alle später entstandenen Urlaubsabgeltungsansprüche gilt die gesetzliche Verjährungsfrist von drei Jahren, so dass Urlaubsabgeltungsansprüche bis (einschließlich) 2019 mit Ablauf des 31.12.2022 verjährt sind.